Bochum. Wann sind Kinder und Jugendliche bei den Corona-Impfungen an der Reihe? Ärzte berichten von Skepsis bei vielen Eltern. Was jetzt wichtig ist.

Für Corona-Impfungen für Kinder und Jugendliche besteht in Bochum derzeit kein erhöhter Bedarf. Zwar gebe es häufig Nachfragen von Eltern. „Die Skepsis ist aber groß, solange es keine ausdrückliche Empfehlung für die Impfungen gibt“, berichten Ärzte auf WAZ-Anfrage.

85 Prozent: Das ist die Impfquote, ab der eine Herdenimmunität der Pandemie den Schrecken rauben soll. 46,6: Das ist bei 172.516 vollständig Geimpften der aktuelle Wert in Bochum. Um sich dem Ziel weiter anzunähern, kommt den Kindern und Jugendlichen eine zunehmende Bedeutung zu. Rund 18.000 Jungen und Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren leben in Bochum. Für sie stünde Biontech als zugelassener Impfstoff in inzwischen ausreichenden Mengen zur Verfügung. Derzeit gibt es jedoch keine allgemeine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO).

Corona-Impfungen für Kinder: Mit Empfehlung ist im Herbst zu rechnen

„Dafür habe ich Verständnis“, sagt Dr. Claudia Simon, Kinderärztin in Langendreer und Bochumer Obfrau des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Die Zulassungsstudie basiere auf 1800 Fällen. Für eine allgemeine Empfehlung brauche die STIKO deutlich höhere Zahlen. Damit, so Simon, sei erst im Herbst zu rechnen. „Bis dahin müssen wir vertrösten.“

Wie reagieren die Eltern? Vielfach besonnen, sagt Claudia Simon. „Zwar geht mitunter ein halber Vormittag für Gespräche drauf, auch mit Eltern von unter Zwölfjährigen, für die überhaupt noch kein Impfstoff zugelassen ist“, schildert die Kinderärztin. Meist herrsche aber Einigkeit, dass man bis zu einer zweifelsfrei sicheren Impfung weiter warten müsse.

„Unabhängig von der STIKO-Empfehlung sind sehr viele Eltern hochinteressiert an einer Impfung ihrer Kinder“, berichtet Dr. Folke Brinkmann, Oberärztin an der Bochumer Kinderklinik.
„Unabhängig von der STIKO-Empfehlung sind sehr viele Eltern hochinteressiert an einer Impfung ihrer Kinder“, berichtet Dr. Folke Brinkmann, Oberärztin an der Bochumer Kinderklinik. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Nur von zwei Ausnahmen berichtet Simon: zwei 15-Jährige, die sich nach medizinischer Aufklärung und mit Einverständnis der Eltern eine Spritze setzen ließen. „Wer unbedingt will, kann das auf eigene Kappe tun.“

Vorerkrankungen spielen nur eine geringe Rolle

„Zustimmen müssen die Eltern in dieser Altersgruppe in jedem Fall“, bekräftigt Dr. Folke Brinkmann, Oberärztin an der Universitätskinderklinik Bochum. Auch sie beobachtet: „Unabhängig von der STIKO-Empfehlung sind sehr viele Eltern hochinteressiert an einer Impfung ihrer Kinder. Dieses Interesse nehmen wir als Klinik und die Kinderärzte in ihren Praxen sehr ernst.“

Stadt beklagt 167. Corona-Todesfall

Bochum beklagt das 167. Corona-Todesopfer. Im Augusta-Krankenhaus starb ein 63-jähriger Mann an Covid-19.Die Sieben-Tage-Inzidenz ist am Mittwoch auf 8,5 gestiegen (Vortag 6,8). Damit rückt die Inzidenzstufe 1 näher, die ab 10,1 gilt.Aktuell infiziert sind 40 Bochumerinnen und Bochumer (+5). Davon liegen drei in einem Krankenhaus, ein Patient wird intensivmedizinisch betreut.

Eine geringe Rolle spielen laut Claudia Simon die Vorerkrankungen, bei denen die STIKO zu einer Impfung bei Zwölf- bis 17-Jährigen rät. Dazu zählen Adipositas, Herzleiden und chronische Lungenerkrankungen. „Bei Asthma zum Beispiel werden nur besonders schwere Fälle erfasst. Derartige Indikationen sind sehr selten“, sagt die Kinderärztin.

Bei Freigabe sind die Kinder- und Jugendärzte gefordert

Wie hoch die Zahl der bereits geimpften Kinder und Jugendlichen in Bochum ist, kann die Stadt nicht mitteilen. „Diese Impfungen finden ausschließlich bei den Kinder- und Jugendärzten statt“, so Sprecher Thomas Sprenger. Dr. Eckhard Kampe, Bezirksleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), spricht bei den Zwölf- bis 15-Jährigen von Einzelfällen. Anders bei den über 16-Jährigen: „Für sie war Biontech frühzeitig freigegeben worden. Sie können sowohl in den Praxen als auch im Impfzentrum jederzeit geimpft werden.“

Kommt es zu einer generellen Empfehlung ab zwölf Jahren, sind aller Voraussicht nach die Kinder- und Jugendärzte mit ihren 26 Praxen in Bochum gefordert, erklärt Claudia Simon. Im September könnte es soweit sein – just in dem Monat, in dem das Impfzentrum im Ruhrcongress geschlossen werden soll. „Das wird spannend“, glaubt die Kinderärztin. Aufgrund der Lockerungen gebe es – anders als 2020 – bereits jetzt einen massiven Anstieg bei den grippalen Infekten. Die Delta-Variante ist bei den Ansteckungen auf dem Vormarsch. „Und Mitte August beginnt die Schule wieder – nach wie vor ohne vernünftiges Konzept.“