Bochum. Fünf Bochumer Abiturienten retten zwei Polizisten das Leben. Nun bekamen sie und weitere Retter die Ehrenmedaille für herausragende Zivilcourage.
„Wir haben sofort gesehen: Der schafft die Kurve nicht“, erinnert sich Gent Teneqja. Mit drei weiteren Abiturienten der Märkischen Schule und seinem Bruder Arber war der 18-Jährige Augenzeuge des verheerenden Unfalls eines Polizeiwagens. Und weit mehr als das: Die Fünf retteten als Ersthelfer den beiden Polizeibeamten im brennenden Wrack mutmaßlich das Leben. Helden jedoch wollen sie nicht sein. „Was wir getan haben, war selbstverständlich“, sagten sie am Montag im Gespräch mit der WAZ am Unfallort.
Es ist 3.20 Uhr in der Nacht zum vergangenen Freitag, als Gent Teneqja, Jan Paul Robel, Félice Faridani und Ben Schönhoff auf dem Heimweg sind. Im „Baseburger“ am Alten Markt in Wattenscheid haben die 18-Jährigen ihr bestandenes Abi gefeiert. Mit dabei ist Gents Bruder Arber. Der 20-Jährige war bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv und hat eine Ausbildung zum Truppmann absolviert. Ein Glücksfall, wie sich Sekunden später herausstellen wird.
Horror-Unfall der Polizei: „Die hatten mindestens 100 km/h drauf“
Die Jugendlichen sind rund 50 Meter von der Einmündung Hüller Straße/Am Beisenkamp/Parkstraße entfernt, als zwei Streifenwagen mit Blaulicht und Martinshorn in Richtung Günnigfeld an ihnen vorbeirasen. Sie sind auf dem Weg zu einem gemeldeten Tankstellen-Einbruch. „Die hatten mindestens 100 km/h drauf. Man wusste direkt: Die sind viel zu schnell!“, schildert Jan Paul Robel.
Der erste Wagen kriegt die Kurve. Der zweite nicht. Das Fahrzeug kommt nach rechts von der Straße ab und kracht gegen einen Baum. „Eine Stichflamme schoss nach oben. Wir rannten sofort los“, sagt Ben Schönhoff.
Verletzte Polizistin wimmerte: „Hilf mir“
Félice Faridani alarmiert die Feuerwehr. Arber, der Ex-Feuerwehrmann, übernimmt das Kommando. Mit seinem Bruder Gent und der Hilfe der anderen Abiturienten reißt er die Türen auf. „Drinnen schlugen Flammen aus dem zerstörten Armaturenbrett und dem Fußraum. Der Fahrer war bewusstlos. Die Polizistin auf dem Beifahrersitz schien bewegungsunfähig und wimmerte: ,Hilf mir’“, erzählt Arber Teneqja.
Auch interessant
Mit vereinten Kräften gelingt es, die Polizeibeamten aus dem brennenden Wrack zu ziehen. Das, so wird Polizeisprecher Volker Schütte Stunden später berichten, hätten die Kollegen aus eigener Kraft kaum geschafft. „Stimmt“, bestätigt Gent Teneqja. „Dazu waren die Verletzungen wohl zu schwer.“
Lob für die vielen Helfer am Unfallort
Während die Polizeibeamten in Sicherheit sind, strömen noch vor dem Eintreffen des Rettungsdienstes und der Feuerwehr zahlreiche weitere Helfer herbei – darunter auch Schüler der Maria-Sibylla-Merian-Gesamtschule, die in der Nacht in der Nähe gleichfalls ihr Abitur gefeiert haben und einige Minuten später am Unfallort sind und sich um die Verletzten kümmern (die WAZ berichtete). „Das fanden wir bemerkenswert: wie viele Menschen so schnell vor Ort waren“, sagt Jan Paul Robel.
Polizei dankt couragierten Ersthelfern
Wie es heißt, haben sich die die beiden Polizeibeamten (30 und 24 Jahre) bei dem Unfall u.a. Knochenbrüche zugezogen, der 30-Jährige auch Brandverletzungen.
Die Helfer erwartet nun eine Auszeichnung der Polizei: „Ein herzliches polizeiliches Dankeschön an die couragierten Ersthelfer, die noch Schlimmeres verhindert haben!“
Drei Tage später sind die Wattenscheider noch immer aufgewühlt. „Als es passierte, war man wie im Tunnel, hat nicht weiter über die Gefahr nachgedacht und wollte einfach nur helfen“, erzählt Gent Teneqja. „Zum Glück waren wir als Gruppe unterwegs. Ein Einzelner hätte das vielleicht nicht geschafft “, sagt Félice Faridani. Schlimm sei die anschließende Ungewissheit gewesen, wie es den beiden Polizisten geht, ob sie den Horror-Crash überlebt haben. „Wir haben uns große Sorgen gemacht.“
Beamte konnten die Intensivstation verlassen
Die fünf Retter und alle anderen Helfer können aufatmen. „Beide Kollegen konnten inzwischen die Intensivstation verlassen. Lebensgefahr hat zum Glück nicht bestanden“, so Polizeisprecher Schütte. Ausdrücklich wiederholt er seinen Dank an all die mutigen Menschen, die in höchster Not Verantwortung und Mitgefühl gezeigt haben.
Gent und Arber Teneqja sprechen für ihre Freunde, wenn sie bekräftigen: „Wir würden immer wieder so handeln. Das hat nichts mit ,Held’ zu tun.“ Dennoch hoffen sie auf eine wohl höchst emotionale Begegnung: „Wir haben gehört, dass uns die beiden Polizeibeamten gern persönlich kennenlernen möchten, wenn sie wieder gesund sind. Das wäre auch für uns eine große Freude.“
Am Montagnachmittag bedankte sich der Polizeipräsident persönlich und überreichte als Zeichen der Anerkennung eine Ehrenmedaille für herausragende Zivilcourage, wie die Polizei mitteilte. Diese werde tatsächlich nur für ganz besonderen Einsatz verliehen, hatte im Vorfeld ein Sprecher der Polizei erläutert. (mit dpa)