Bochum. Bei „All das Schöne“ im Prinz-Regent-Theater Bochum müssen die Besucher mitspielen. Erste Premiere nach der Corona-Pause überzeugt mit viel Herz.
Die gute Nachricht gleich vorweg: Sie spielen wieder! Nach einem halben Jahr Zwangspause meldet sich das Prinz-Regent-Theater Bochum mit einer „analogen“ Premiere zurück – also tatsächlich live vor Publikum, ohne Webcam und Zoom-Gedöns. Das Stück zum feierlichen Anlass trägt den passenden Titel „All das Schöne“. Wenn das kein Grund zur Freude ist!
Doch natürlich kommt auch diese Aufführung nicht ohne all die Hindernisse direkt aus der Corona-Schutzverordnung aus, an die sich die Theatergänger in nächster Zeit wohl gewöhnen müssen. Im Foyer sieht‘s aus wie in der Notaufnahme. Pfeile weisen den etwa 20 maskierten Besuchern den Weg, am Einlass sitzt Mitarbeiterin Sabine Spieß hinter Plexiglas und bittet jeden einzelnen geduldig um die Anschrift und das negative Testergebnis.
Zuschauer sitzen im Prinz-Regent-Theater Bochum auf der Bühne
Während man noch daran denkt, unter welchem Geschiebe und Gedränge sich die Zuschauer bei ausverkauften Premieren früherer Tage den Weg in den Saal bahnten, läuft man diesmal ganz entschleunigt zu seinem Stuhl. Und auch das ist neu: Das Publikum sitzt in weitem Abstand auf der Bühne, gespielt wird auf der leergeräumten Zuschauertribüne. Das macht bei näherer Betrachtung durchaus Sinn, denn „All das Schöne“ bezieht die Besucher aktiv mit ein. So sitzt man hier mitten auf der Spielfläche also genau am richtigen Platz, ob man das nun will oder nicht.
Das Stück des britischen Dramatikers Duncan Macmillan erfreut sich an zahlreichen Theatern großer Beliebtheit, weil es feinfühlig geschrieben ist und dabei einem todernsten Thema geradezu heitere Aspekte abringt. Erzählt wird von einem namenlosen Kind, dessen Mutter mit schweren Depressionen zu kämpfen hat. Ihr letzter Selbstmordversuch scheitert. Da beschließt das Kind, eine Liste mit all den schönen Dingen auf der Welt aufzuschreiben, um der Mutter neuen Lebensmut förmlich einzutrichtern. „1. Eiscreme, 2. Wasserschlachten, 3. Länger aufbleiben als sonst und fernsehen.“ Und immer so weiter…
„Entschuldigung! Keine Angst, Sie müssen gar nicht viel machen...“
Der Autor lässt bewusst offen, ob sein Monolog von einer jungen Frau oder einem Mann gespielt werden soll. Im Prinz-Regent-Theater vertraut Regisseur Hans Dreher ganz auf die Strahlkraft der hinreißenden Schauspielerin Yvonne Forster. Mit großer Empfindsamkeit und Wärme erzählt sie aus dem turbulenten Leben dieser jungen Frau, die beim unermüdlichen Fortschreiben ihrer hoffnungslos optimistischen Lebensliste immer auch von Rückschlägen gebeutelt wird. Denn mit einer Liste allein befreit sie die Mutter nicht aus ihrem Tief – und auch selbst ist sie vor keiner herben Enttäuschung sicher.
All dies allein hätte locker für einen berührenden Theaterabend gereicht, doch der Autor will mehr. Zunächst noch spielerisch, später geradezu lästig zieht er das Publikum ins Spiel mit ein. „Entschuldigung! Keine Angst, Sie müssen gar nicht viel machen“, so wendet sich Yvonne Forster permanent an die Zuschauer vor ihr, die dann kurzerhand verschiedene Rollen übernehmen müssen: ob als Tierarzt, als überforderter Vater oder als erste große Liebe.
Einige im Saal kostet das Mitspielen sichtliche Überwindung
Für viele mag die Vorstellung, unerwartet auf die Bühne gezerrt zu werden, eine Qual sein. In der Tat kostet es so manchen im Saal sichtliche Überwindung, davor drücken mag sich aber niemand. Und interessant ist: Je länger der Abend dauert, desto stärker fassen die Zuschauer Vertrauen. Am Ende meldet sich eine junge Frau sogar freiwillig, was gewiss auch daran liegt, dass Yvonne Forster ihre „Freiwilligen“ zwar mit Hartnäckigkeit, aber auch mit viel Herz nach vorn zitiert.
Ob das alles wirklich Sinn macht, sei aber dahin gestellt, denn die ewigen Unterbrechungen und Aufforderungen zum Mitspielen hemmen den Erzählfluss dieser eigentlich packenden Geschichte erheblich.
Info: Zur Person: Yvonne Forster
Yvonne Forster (31) studierte Musical an der Folkwang-Uni in Essen. Am Schauspielhaus Bochum wirkte sie in „Spamalot“ und „Weekend im Paradies“ mit. Daneben war sie die Belle in der Erfolgsinszenierung von „Die Schöne und Biest“ in der Regie von Romy Schmidt am Prinz-Regent-Theater.
„All das Schöne“ ist wieder am Samstag, 12. Juni, im Prinz-Regent-Theater zu sehen. Danach am 31. Juli und 7. August jeweils um 19.30 Uhr. Karten: 0234 / 77 11 17.