Bochum. “Er verfolgte mich...“: Mit Kreide zeichnen Frauen Erlebnisse von sexueller Belästigung in Bochums City. Sie machen auf „Catcalling“ aufmerksam.

Mit sicheren Schwüngen schreiben Studentin Natascha (25) und Auszubildende Jana (26) die Kreide-Buchstaben auf den Boden der Kortumstraße mitten in der Bochumer Innenstadt. Ein paar Passanten bleiben neugierig auf der Kreuzung stehen, lesen den Text, der ihnen in fröhlich-bunten Farben entgegenstrahlt – und stutzen. „Er rief uns wiederholt hinterher: ,Ey, ich kann gut f*cken.’ Von mal zu mal wurde er aggressiver.“

Mit diesen Schilderungen wollten die Aktivistinnen aus Bochum auf das so genannte „Catcalling“ - sexuell anzügliches Rufen, Kommentare und Hinterherpfeifen im öffentlichen Raum – aufmerksam machen. Seit Oktober vergangenen Jahres schreiben sie auf den Boden an belebten Orten in Bochum regelmäßig auf, was (meist) Frauen erleben. Ankreiden nennen sie das - und verbinden es mit der Botschaft, das so viele von ihnen diese Situationen schon erlebt haben. An öffentlichen Orten sind die Kreidezeichnungen erlaubt, schließlich wäscht ein Regenschauer die Geschichte wieder ab.

Aktivistinnen von Catcallsofbochum sind auf Instagram aktiv

Über das soziale Netzwerk Instagram bekommen die Aktivistinnen unter ihrem Account „@catcallsofbochum“ Nachrichten, in denen ihnen die verschiedenen Erlebnisse geschildert werden. So erzählt eine Frau etwa von einem Erlebnis, das sie als 13-jährige Jugendliche in Wattenscheid hatte. Auf dem Weg zur Bushaltestelle habe ein Auto neben ihr gehalten. „Der Mann in dem Auto wollte mir mitteilen, dass ich so hübsch sei, ich könnte Model werden.“ Er sei ihr weiter gefolgt und erst weggefahren, als sie ihr Alter nannte.

Instagram-Nutzer schicken den Aktivistinnen ihre Erlebnisse. Die bringen sie mit Kreide zu Boden.
Instagram-Nutzer schicken den Aktivistinnen ihre Erlebnisse. Die bringen sie mit Kreide zu Boden. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Aktivisten, die das so genannte „Catcalling“ öffentlich anprangern, gibt es mittlerweile in jeder größeren Stadt. Die Frauen wollen darauf aufmerksam machen, dass solche Situationen nicht normal sind. „Das gehört nicht zum Frau-Sein dazu“, sagt Alina. Sozialarbeiterin Elena hat die Ortsgruppe für Bochum gegründet und hatte es anfangs gar nicht leicht, Mitstreiterinnen zu finden. „Ich habe mit Freundinnen gesprochen, denen das zu krass war“, sagt die 30-Jährige.

Jede der Frauen berichtet von Erfahrungen mit Belästigung

Jede der heute knapp zehn Aktivistinnen kann von ähnlichen Erfahrungen erzählen, wie denen, die sie so regelmäßig zu Boden bringen. Elena zum Beispiel hat früher einmal nebenbei in einer Bar im Bermudadreieck gearbeitet. „Ich war Barkeeperin. Da wurde mir von einem Gast zwei Euro in die Hand gedrückt mit dem Kommentar, dass er noch nie mit einer Barfrau geschlafen habe.“

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Über Instagram seien sogar Nachrichten gekommen, in denen Vergewaltigungen geschildert werden. „Die Erfahrungen, die über Catcalling hinaus gehen, wie etwa Vergewaltigung und Exhibitionismus haben oft mit einer Catcalling-Erfahrung angefangen. Wir beschränken uns bei dem angekreideten Text dann darauf“, sagt Elena. Aber stimmen die Geschichten den alle? „Wir gehen davon aus, dass das Gesagte stimmt. Das macht niemand aus Jux und Tollerei. Außerdem schildern wir die Erfahrungen ja anonymisiert“, sagt Sozialarbeiterin Elena. „Frauen, die sich bei uns melden, mussten sich oft sehr überwinden.“

Noch keine Straftat

Das Catcalling wird in anderen Ländern, wie in Frankreich, Belgien, Portugal und den Niederlanden als verbale Belästigung gewertet und gilt somit als Straftat. Es drohen Geldstrafen.

In Deutschland gibt es Petitionen, die fordern, dass auch die verbale Belästigung strafbar ist.

Aber wo hört ein Kompliment auf und beginnt Belästigung? Studentin Alina (22) hat dazu eine einfache Regel: „Ich bin nicht der Meinung, dass man von Fremden keine Komplimente bekommen kann und das automatisch Belästigung ist. Es geht vor allem um die Augenhöhe und den Respekt.“