Bochum. Im Gegensatz zu Nachbarstädten setzt Bochum vorerst nicht auf die Luca-App. Ein Start-up hatte eine eigene App zur Kontaktverfolgung erfunden.

Update (8. April 2021): Die Stadt Bochum setzt im Gegensatz zu anderen Städten vorerst noch nicht auf die Nachverfolgungsapp "Luca", sondern bevorzugt das in Bochum entwickelte Format "Recover". Nachbarstadt Essen setzt seit Anfang April auf die von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) beworbene Luca-App. Betreiber in der Gastronomie, des Einzelhandels und von Veranstaltungsstätten in Essen können ab sofort ihre Standorte registrieren“, heißt es in einer Mitteilung. Die Stadt Essen selbst prüft als Veranstalter, ob sie Luca auch selbst einführt, beispielsweise in städtischen Museen. Auch Mülheim würde gerne Luca einsetzen. In Bochum handelt man anders, solange es keine Weisung vom Land gibt.

„Recover“ heißt die Lösung, die 9Elements gemeinsam mit dem Kölner Unternehmen Railslove ausgetüftelt und auf den Markt gebracht hat. Mit ihr können Betriebe die persönlichen Daten ihrer Gäste datenschutzkonform erfassen und digital an die zuständigen Behörden weiterleiten. Aus Sicht der Bochum Wirtschaftsentwicklung (Bowe) ist das eine sinnvolle Idee. Sie kündigt an, für die ersten 100 teilnehmenden Betriebe die Kosten für die Recover-Nutzung nach der Wiedereröffnung der Restaurants und Gaststätten zu übernehmen.

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Wirtschaftsentwicklung macht sich für App stark

„Mit dem Angebot möchten wir einen Beitrag leisten, den Restaurants und Gaststätten den Start nach dem Lockdown zu erleichtern“, sagt Bowe-Geschäftsführer Rouven Beeck. Das Angebot gelte für das erste halbe Jahr nach Anmeldung auf dem Internet-Portal. Die Wirtschaftsentwicklung werde in den kommenden Tagen und Wochen 250 Gastronomen aktiv ansprechen, um sie auf das Recover-Angebot aufmerksam zu machen. Recover habe seine Praxistauglichkeit bereits in Köln unter Beweis gestellt. In Bochum sei die Nutzung mit dem Ordnungs- und dem Gesundheitsamt abgestimmt. Beide haben sich, so heißt es, von ihren anfänglichen Vorbehalten verabschiedet.

Neu ist die App nicht. „Wir haben sie schon im vergangenen Jahr auf dem Markt gebracht“, so Jan Kus, Geschäftsführer des 9Elements-Partners Railslove. Und einzigartig ist sie auch nicht. Es gibt weitere App-Lösungen, angefangen von „Darf ich rein“ bis Snap Web, einige sind kostenlos; für andere, so wie für Recover, fallen Kosten an. Gemeinsam haben sich die Anbieter zur Initiative „Wir für Digitalisierung“ zusammengeschlossen, um, wie Jan Kus sagt, „einen Beitrag im Kampf gegen Corona zu leisten“. Gewinnbringend hätten sich die Apps bislang nicht vermarkten lassen. Aber darum gehe es den Beteiligten auch nicht. Der Vorteil an Recover sei, so Sebastian Deutsch vom Bochumer Mitentwickler 9Elements, dass ein besonderes Augenmerk auf den Datenschutz gelegt worden sei.

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Verärgerung über Ministerpräsident Laschet

Sauer wurden die Macher, als NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) die von Rapper Smudo geförderte App Luca öffentlich pries und plötzlich von der ersten digitalen Erfassungs- und Nachverfolgungsmöglichkeit die Rede war. „Dabei gibt es unsere Apps – viele davon übrigens aus NRW – schon seit Monaten, sie wurden alle zusammen schon 8,5 Millionen Mal genutzt“, so der Kölner Jan Kus. Versuche, sie über Landes- und Bundesministerien bekannter zu machen, seien allerdings fehlgeschlagen. „Uns fehlt der Promi-Faktor“, so Jan Kus. Er und seine Mitstreiter würden sich Chancengleichheit wünschen.

Gast scannt nur noch einen QR-Code ein

So wird die Recover-App genutzt. Der Gast scannt mit seinem Smartphone einen QR-Code und gibt am Telefon seine Daten auf der Recover-Website ein, das Herunterladen einer separaten App über das Smartphone entfällt.

Die Daten werden verschlüsselt gespeichert. Bei Anfrage des Gastronoms, des Ordnungsamtes oder des Gesundheitsamtes sind die Daten nach Rücksprache mit Recover abrufbar.

Interessierte Bochumer Betriebe könnten sich an die Rufnummer 0234/ 61 06 30 oder an recover@bochum-wirtschaft.de wenden, um mehr Informationen zu Recover zu erhalten.

„Dass das Thema jetzt in die Öffentlichkeit kommt, freut uns schon“, sagt auch 9Elements-Chef Sebastian Deutsch. „Aber dass Armin Laschet sich hinstellt und für die Luca-App Werbung macht, obwohl es eine in NRW entwickelte App längst gibt, das ist sehr ärgerlich.“

Eine einzige Schnittstelle zur Software der Gesundheitsämter

Die Wogen haben sich mittlerweile geglättet. Jan Kus und Smudo haben miteinander telefoniert. Möglicherweise werde die Luca-App in das Großprojekt der anderen App-Anbieter integriert. Deren Ziel: Sie wollen mit einer einzigen Schnittstelle eine Verbindung zu der in mittlerweile nahezu allen städtischen Gesundheitsämtern eingeführte Software Sormas ermöglichen. Auch Bochums Gesundheitsamt nutzt mittlerweile diese Software, um Daten zu erfassen und einen besseren Datenaustausch zu ermöglichen. Am Ende soll die digitale Informationskette dazu beitragen, Corona schneller und effektiver zu bekämpfen als das bislang der Fall ist.

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