Bochum. Sorge um Mutanten, Hausärzte in Wartestellung, Vorbehalte gegen Astrazeneca: Die Corona-Lage in Bochum wirft Fragen auf. Hier sind die Antworten.

Die 200 Bochumer Hausärzte sehen sich gerüstet, Corona-Schutzimpfungen in ihren Praxen vorzunehmen. „Das wäre kurzfristig möglich“ sagt Dr. Wilhelm Vermaasen, Vorsitzender des Hausärzteverbandes. Eine Beschleunigung der Impfungen sei dringend geboten. Derweil warnt Prof. Christoph Hanefeld, Geschäftsführer des Katholischen Klinikums, vor den sich ausbreitenden britischen Virus-Mutanten. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur aktuellen Corona-Lage in Bochum.

Vor zwei Wochen ging das Impfzentrum im Ruhrcongress an den Start. Wie fällt die erste Bilanz aus?

Zwiespältig. Bisher gab es 2125 Impfungen bei über 80-Jährigen (Biontech) und 1331 Impfungen bei Mitarbeitern von Rettungs- und Pflegediensten (Astrazeneca). Die Organisation und Abwicklung im Ruhrcongress werden vielfach gelobt. Nach wie vor problematisch ist die Terminvergabe für die Senioren. An der Hotline der KVWL gibt es meist kein Durchkommen, klagen WAZ-Leser. Im Internet heißt es seit über einer Woche für das Impfzentrum Bochum: „Es wurden keine freien Termine in Ihrer Region gefunden.“

Ist Besserung in Sicht?

Die Kassenärztliche Vereinigung verspricht – einmal mehr – zusätzliche Angebote.. „Nächste Woche erwarten wir eine Verdoppelung der Biontech-Impfstoffe. Die neuen Termine werden zeitnah ins System eingestellt“, kündigt Bezirksleiter Dr. Eckhard Kampe an. Derzeit werden täglich rund 200 Ü-80-Bürger am Stadionring geimpft.

Corona in Bochum: Vorbehalte gegen Astrazeneca-Impfstoff

Gibt es nach wie vor Vorbehalte gegen den Astrazeneca-Impfstoff?

Laut Stadt werden knapp 20 Prozent der Termine von Rettungs- und ambulanten Pflegekräften (täglich ebenfalls 200) nicht wahrgenommen. Mutmaßlicher Grund: Sie werden mit Astrazeneca geimpft. „Dabei ist es ein gutes und hochwirksames Vakzin“, betont Hausarzt und KVWL-Bezirkschef Kampe und hofft, dass sich die Ablehnung nicht auch bei den Haus- und Fachärzten und Medizinischen Fachangestellten fortsetzt. Sie sollen laut KVWL in den nächsten Tagen im Ruhrcongress an der Reihe sein.

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Wann kommen die Hausärzte ins Spiel?

Gerade mit Blick auf die zugesicherte Erhöhung der Impfdosen „wäre es wünschenswert, die Bochumer Arztpraxen als Ergänzung zum Impfzentrum baldmöglichst einzubinden“, sagt Stadtsprecher Thomas Sprenger. „Wir sind gerüstet“, betont Wilhelm Vermaasen als Chef des Hausärzteverbandes. Die Ärzte hätten große Erfahrung mit dem Impfen. Infrage käme allerdings nur der robustere Astrazeneca-Impfstoff. „Für den empfindlicheren Biontech-Impfstoff wäre der logistische Aufwand zu groß.“

Im St.-Josef-Hospital wurden bisher 541 Covid-Patienten behandelt, davon 95 auf der Intensivstation (Foto). Das Durchschnittsalter lag bei 61 Jahren. 59 der Patienten starben. Durchschnittsalter hier: 80 Jahre.
Im St.-Josef-Hospital wurden bisher 541 Covid-Patienten behandelt, davon 95 auf der Intensivstation (Foto). Das Durchschnittsalter lag bei 61 Jahren. 59 der Patienten starben. Durchschnittsalter hier: 80 Jahre. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Klinik-Chef: Mutanten sind besorgniserregend

Wie werden die Impfungen in den 200 Praxen ablaufen?

Vermaasen regt an, die Corona-Impfungen außerhalb der Sprechzeiten vorzunehmen, um den normalen Patientenbetrieb aufrechtzuerhalten. Anfangs könnten die Impfungen in Schwerpunktpraxen konzentriert und dann ausgeweitet werden. Befürchtet wird eine Patienten-Debatte um die Wahl des Impfstoffes. Biontech, Moderna oder Astrazeneca? Vermaasen: „Da könnte es manche Diskussion geben“ – ohne dass die Hausärzte Einfluss auf das Vakzin haben.

Wie schätzen Experten die Entwicklung bei der britischen Mutante ein?

Prof. Christoph Hanefeld bezeichnet sie als „besorgniserregend“. Binnen einer Woche schnellte die Zahl der bestätigten Mutationen in Bochum von vier auf 26 (Stand Montag) empor. Von einer 20-Prozent-Quote, wie sie landesweit erhoben wird, sei Bochum aber noch weit entfernt: „Wir hatten im Katholischen Klinikum seit dem 25. Januar 85 positive Covid-Abstriche, davon viermal die britische Mutation.“ Die nächsten zwei Wochen „werden zeigen, in welche Richtung es geht“.

Impf-Paten sollen ehrenamtlich helfen

Die Bochumer Ehrenamtsagentur will Senioren sogenannten Impf-Paten zur Seite stellen.

„Einige ältere Menschen kommen mit dem Anmeldeverfahren nicht zurecht, brauchen Zuspruch oder bedürfen der Begleitung beim Gang ins Impfzentrum“, weiß Vorsitzender Gisbert Schlotzhauer.

Ab sofort werden Ehrenamtler gesucht, die als Impf-Paten helfen wollen. Wer sich meldet, bekommt als Auslagenersatz 15 Euro ausgezahlt. Bis zu drei Personen dürfen auf diesem Weg begleitet und unterstützt werden. Infos: 0234/61 05 77 77 oder Mail an bea-aktiv@gmx.de.

Wer Unterstützung bei der Impfung benötigt, kann die Impfpaten-Hotline montags bis freitags von 10 bis 16 Uhr unter 0234/61 05 77 82 erreichen. Mail: paten@ehrenamt-bochum.de

Entspannung in den Krankenhäusern

Wie ist die Situation auf den Intensivstationen?

Erheblich entspannter als noch vor kurzer Zeit. Aktuell meldet die Stadt 24 Covid-Intensivpatienten. „Bei uns sind es derzeit vier“, sagt Klinikum-Chef Hanefeld. Im Dezember waren es noch 14. Die Lage in den Krankenhäusern sei „nicht mehr vergleichbar mit der vor einem Monat, aber noch weit weg von Normalität“, konstatiert Hanefeld. Und: Sie könne sich allzu schnell wieder verschlimmern.

Müssen auch die 32.256 Bochumer zwischen 70 und 80 Jahre, die als nächste Altersgruppe bei den Impfungen an der Reihe sind, ein Chaos bei der Impf-Anmeldung befürchten?

Das Land will die Terminvergabe nicht bei der Kassenärztlichen Vereinigung belassen. Die Stadt Dortmund hat bereits reagiert und den Konzertticket-Händler CTS Eventim beauftragt. Ob das auch für die Stadt Bochum eine Option wäre? Im Rathaus gab es auf WAZ-Anfrage darauf keine Antwort.