Bochum. Die Bochumer Wohngruppe „Kompass“ gibt Kindern neuen Halt. Schicksalsschläge machen das Leben in der Herkunftsfamilie zur Zeit nicht möglich.

Es ist ein ehemaliges Hotel ganz in der Nähe des Weitmarer Stadtparks, das jetzt das Zuhause ist für neun Jugendliche. In einer Ecke des Wohnzimmers steht ein bunt drapierter Weihnachtsbaum. Gemeinsam haben sie den Baum geschmückt, sich die Atmosphäre geschaffen, die es in ihren Familien, dem anderen, dem eigentlichen Zuhause, ganz oft nicht gibt. Von „Schicksalsschlägen“ spricht Vignaraj Shanmugarajah, der die Wohngruppe „Kompass“ der interkulturellen Kinder- und Jugendhilfe „Plan B“ leitet.

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Bochumer Wohngruppe bildet Zuhause

„Oft sind es schwierige soziale Verhältnisse aus denen die Jugendlichen kommen. In der letzten Zeit waren auch immer wieder unbegleitete minderjährige Flüchtlingen darunter“, sagt Vignaraj Shanmugarajah. Manchmal seien die Eltern überfordert oder die Chemie in einer Familie passe einfach nicht. Gewalt und Missbrauch seien eher seltener der Hintergrund. Dann griffen andere Regeln, wenn Kinder aus diesem Grund vom Jugendamt aus Familien geholt werden müssen.

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Maja Lenhardt und Einrichtungsleiter Vignaraj Shanmugarajah haben gemeinsam mit den Jugendlichen der Wohngruppe „Kompass“ den Weihnachtsbaum geschmückt.
Maja Lenhardt und Einrichtungsleiter Vignaraj Shanmugarajah haben gemeinsam mit den Jugendlichen der Wohngruppe „Kompass“ den Weihnachtsbaum geschmückt. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Eine Mischung verschiedener Kulturen

Aber es sei gerade diese Mischung der Kulturen, der Religionen, die diese Wohngruppe so lebendig mache. Die Gesellschaft Vielfalt im Ruhrgebiet (ViR) als Partern von Plan B betreibt fünf dieser Wohngruppen, drei in Essen und zwei in Bochum, die von ebenfalls multinationalen Teams begleitet werden.

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Die Stimmung kommt eher familiär rüber. In der Küche köchelt das Mittagsessen vor sich hin, die Aufgaben sind verteilt. Es gibt Küchendienst und andere Absprachen. Aber die Jugendlichen dürfen Mitreden. In einer regelmäßigen Hausrunde, einer Art Parlament, haben sie Stimmrecht. „Da sind wir auch schon überstimmt worden“, so Vignaraj Shanmugarajah.

Manchmal gibt es auch Zoff

„Klar, es gibt auch manchmal Zoff, das gehört dazu. „In der Corona-Zeit ist oft der Stresspegel höher als sonst“, erzählt Maja Lenhardt, die als Betreuerin in der Gruppe mitarbeitet. Und dann noch Weihnachten. Vor allem, wenn den Jugendlichen bewusst wird, dass sie nicht eine so ganz normale Familie haben.

Plan B ist ein 2011 gegründeter Träger-Verein

Seit neun Jahren bietet Plan B ist ein gemeinnütziger Verein, der gemeinsam mit ViR heute rund 100 Menschen beschäftigt.

Der Verein betreut außerdem eine kostenlose Hausaufgabenhilfe für Kinder aus Flüchtlingsfamilien. Es gibt eine Erziehungshilfe, die Familien mit und ohne Migrationshintergrund unterstützt. Außerdem werden drei Flüchtlingsunterkünfte in Wattenscheid und Gerthe betreut.

Die Arbeit wird auch über Spenden finanziert. Wer sich über den Verein informieren möchte, kann das über die Internetseite des Vereins tun. //www.planb-ruhr.de/

Eine 15-Jährige beschreibt die Situation in der Gruppe so: „Klar, als im Frühjahr wochenlang keine Schule war, da haben wird schon den ganzen Tag aufeinandergehockt. Aber wir haben uns gut verstanden.“ Die anderen, die gerade in der Sitzgruppe im Wohnzimmer „chillen“, stimmen zu. Der 13-jährige Lucien (der eigentlich anders heißt) sagt: „Ja eigentlich gibt es hier nichts ‘Doofes’.“ Die 16-jährige Lea, auch ihr Name ist geändert, macht eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten, gerade in diesen Zeiten ein wichtiger Beruf, findet sie.

Beim Verlassen des ehemaligen Hotels wird klar. Irgendwie passt diese Wohngruppe gut in ein solches Heim. Denn wie ein Hotel ist sie doch eines: ein Zuhause auf Zeit.

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