Bochum-Weitmar. Dicke Luft im Weitmarer Holz in Bochum: Wohl um Spaziergänger fernzuhalten, wurden gefährliche Absperrungen errichtet. Wer steckt dahinter?
Eva Schmidt (Name geändert) kennt das Weitmarer Holz in Bochum so gut wie ihre eigene Westentasche. Schließlich hat die heute 37-Jährige bereits als Kind nach der Schule jeden Trampelpfad und jede Abzweigung erkundet. Kein Wunder also, dass ihr bei ihren regelmäßigen Spaziergängen schnell jede Veränderung in dem Naherholungsgebiet auffällt. Sperrmüll oder falsch parkende Autos – die Weitmarerin hat bei der Stadt Bochum schon häufiger solche Mängel angezeigt. Was sie aber auf ihrem letzten Sonntagsspaziergang entdeckt hat, lässt Schmidt keine Ruhe mehr: „Auf einem Pfad, der auf dem Waldstück hinter dem Dertmannsfeld verläuft, hat jemand eine Barrikade aus verschraubten Baumstämmen errichtet, um den Weg abzusperren“, empört sie sich.
Auf einem Spaziergang führt Schmidt zu der besagten Stelle. Und tatsächlich: Dicke Stämme sind mit langen Schrauben aneinander angebracht, am Ende wurden sie jeweils in zwei lebende Bäume geschlagen. Lange Schrauben ragen zentimeterweit aus den Stämmen heraus. „Das ist gefährlich für Natur, Wildtiere, Spaziergänger und Kinder“, sagt Schmidt und ergänzt: „Eine neue Stufe ist erreicht.“
Nicht das erste Vorkommnis im Bochumer Wald
Mit der „neuen Stufe“ meint sie die Eskalation im Kampf um Trampelpfade im Weitmarer Holz, von „Anarchie im Weitmarer Holz“ spricht die WAZ-Leserin sogar. Denn hinter der Barrikade vermutet sie Anwohner: „Sie wollen wohl einen Sichtschutz schaffen und Spaziergänger fernhalten und versuchen deshalb einfach, die Wege, die an ihre Grundstücke angrenzen, zu privatisieren“, mutmaßt Schmidt.
Der nun betroffene Wegesabschnitt führt zumindest direkt hinter den Gärten und Terrassen mehrerer Häuser am Dertmannsfeld her. Am anderen Ende des Weges wurden Grünabfälle und Müll aufgehäuft, als Reaktion haben Spaziergänger bereits ein Schild mit der Aufschrift „Das ist ein Wald und keine Müllkippe“ aufgestellt. Die Barrikaden nahe des Dertmannsfeldes sind für Schmidt nicht das erste Vorkommnis dieser Art: „Das Verbindungsstück zwischen der Nachtigallstraße und dem Bliestollen wurde von einem Anwohner mit Sperrmüll verbarrikadiert oder bewusst mit seinem Auto zugeparkt“, klagt sie.
Streit mit Mountainbikern
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Aufgefallen war der WAZ-Leserin das Ganze nur, weil der beschriebene Weg zu einer offiziellen Wanderroute gehört. Als sie den Anwohner zur Rede stellte, habe sie eine aggressive Reaktion geerntet. “Seit der Corona-Krise bin ich noch häufiger als sonst im Weitmarer Holz unterwegs – mindestens alle zwei Tage“, sagt sie.
Noch an weiterer Stelle hat Schmidt Streit um die Wege im Weitmarer Holz beobachtet. „Weil es manche Spaziergänger stört, dass Kinder häufig Mountainbike im Weitmarer Holz fahren, verbauen sie die Wege regelmäßig mit Stöcken und Ästen“, sagt Schmidt. Im Gespräch mit weiteren Stammgästen in dem Erholungsgebiet hat sie solche Klagen immer wieder gehört. Könnte die nun entdeckte Barrikade vielleicht auch gar nicht von den Anwohnern selbst, sondern eine Rache der Mountainbiker an den Anwohnern sein? „Unwahrscheinlich“, meint Schmidt. Denn die verwendeten Tellerkopfschrauben sind Markenprodukte, ein Paket kostet schnell über 20 Euro. „Ich glaube nicht, dass Kinder so viel Geld ausgeben“, sagt sie.
Privatbesitz: Stadt ist nicht zuständig
Die Stadt hat inzwischen auf ihre Beschwere reagiert und den betroffenen Bereich durch Mitarbeiter des Umwelt- und Grünflächenamtes und des Ordnungsamtes überprüfen lassen. Stadtsprecher Thomas Sprenger teilt mit, das Waldstück sei in privatem Eigentum. Die zuständige Behörde sei das Regionalforstamt Gelsenkirchen. „Das Regionalforstamt wird den Eigentümer anschreiben und auffordern, in einer angemessenen Frist, die Gefahr zu beseitigen“, sagt Sprenger.
Großes Naherholungsgebiet
Mit einer Fläche von 80 Hektar zählt das Weitmarer Holz zu den größten Naherholungsgebieten der Region. Dazu wurde es erst in den 1960er Jahren, damals wurden die Wanderwege gesichert, die durch Tagebrüche gefährdet waren.
Seitdem zieht das Weitmarer Holz viele Wanderer an , Routen führen durch berghistorisches Gebiet, zum Beispiel vorbei an Gehegen mit Rotwild und Wildschweinen oder der Sternwarte.
Schmidt wünscht sich derweil: „Es wäre toll, wenn generell weniger Aggression herrschen würde und es einen angemessenen Diskurs über Wegerecht, Privatgrundstücke und die Nutzung des Waldes geben würde.“ Schließlich ist das Weitmar Holz immer noch eins: Naherholungsgebiet. Und Erholung und schlechte Laune – das verträgt sich bekanntermaßen schlecht.
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