Bochum. Obdachlose behandeln, Turngruppen für Kinder leiten oder Häftlinge vertreten: Ehrenamt in Bochum hat viele Facetten. Die Stadt ehrt das nun.

Bevor Hans-Gerd Schmitz zum vereinbarten Treffpunkt am Bochumer Buddenbergplatz kommt, macht er Halt bei zwei Männern, die in Schlafsäcke gerollt am Hintereingang des Hauptbahnhofes liegen. Ein kurzes Hallo, ein paar gewechselte Worte und ein nettes Lächeln: Schmitz kennt die Bochumer Wohnungslosen und sie kennen ihn.

Denn seit fast zwei Jahren ist die lokale Obdachlosenszene Schmitz zweiter Arbeitsplatz. Hier ist der Chefarzt in der Orthopädie einmal wöchentlich ausgerüstet mit einem Rucksack voll medizinischen Utensilien im Einsatz. Geehrt hat ihn die Stadt Bochum für dieses Ehrenamt nun in einem Brief mit Urkunde, Präsent und Ehrenamtskarte – genau wie 29 weitere Ehrenamtliche aus Bochum.

Chefarzt unterwegs in der Obdachlosenszene in Bochum

„Ich habe mich schon immer einer sozialen Medizin verpflichtet gefühlt“, erzählt der Arzt, der gemeinsam mit Streetworkern der Diakonie die Obdachlosen aufsucht und behandelt. „Ich versorge zum Beispiel Wunden und Folgeschäden von Suchterkrankungen wie Spritzenabzesse“, berichtet der 63-Jährige. Auch Medikamente kann Schmitz verordnen, die Wohnungslosen außerdem in einer Arztpraxis im Fliednerhaus behandeln.

Jury wählt aus

Die Ehrenamtlichen wurden im letzten Jahr vorgeschlagen und im Anschluss von einer Jury bestehend aus Oberbürgermeister, (Bezirks-)bürgermeistern und der Bochumer Ehrenamtsagentur ausgewählt

Die Bochumer Ehrenamtsagentur berät in der Innenstadt Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen und vermittelt sie an Vereine und Initiativen.

Sie vergibt die Ehrenamtskarte , die Ermäßigungen gewährt.

„Es ist ein Skandal, wie diese Menschen am Rande der Gesellschaft leben und das in einem so reichen Land“, sagt er. Schon oft musste Schmitz Wohnungslose ins Krankenhaus schicken, auch drei Tote gab es im letzten Jahr zu beklagen. „Ich wünsche mir, dass der Blick für die Obdachlosen geschärft wird“, sagt der Mediziner. Schläft jemand nur tief und fest oder ist er vielleicht erfroren? Wird medizinische Hilfe benötigt? „Man sollte nicht einfach achtlos vorbeigehen, sondern genau hinschauen“, sagt Schmitz. Er selbst macht das nicht.

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Als Opferdienst will er sein Ehrenamt jedoch nicht verstanden wissen: „Ich bekomme viel zurück und bin jedes Mal von der hohen Sozialkompetenz und der Bereitschaft, sich für andere einzusetzen beeindruckt“, sagt Schmitz.

Ehrenamt in der JVA: Gespräche mit Gefängnisinsassen

Wolfgang Frewer gehört seit fast 30 Jahren dem Beirat der Justizvollzugsanstalt in Bochum an.
Wolfgang Frewer gehört seit fast 30 Jahren dem Beirat der Justizvollzugsanstalt in Bochum an. © Barbara Zabka / FUNKE Foto Services

Davon, durch das Ehrenamt etwas zurück zu bekommen, spricht auch Wolfgang Frewer . Der 61-Jährige ist seit fast 30 Jahren im Beirat der Bochumer Justizvollzugsanstalt tätig und nimmt Beschwerden von Gefangenen entgegen. Einmal im Monat besucht er dafür die JVA und spricht mit Insassen.

Ihre Wünsche drehen sich um eine Verlegung in andere Anstalten, Änderungen beim Essen oder die Gewährung von Ausgängen. Dass seine Klientel straffällig geworden ist, hemmt Frewer in seinem Ehrenamt nicht. „Sie haben ein Recht darauf, menschlich behandelt zu werden, auch wenn wir die Straftat nicht tolerieren“, betont er. Wenn er einem Gefangenen helfen und Wege aufzeigen könne – etwa bei der Verlegung in ein anderes Bundesland durch Tausch mit einem anderen Häftling – motiviere ihn das.

Im Einsatz für 200 Sporttreibende

Von motivierenden Erlebnissen im Ehrenamt können wohl alle Geehrten berichten: „Bei mir war es eine 80-Jährige, die ich dazu motivieren konnte auf einem Trampolin zu springen“, sagt Janine Klug und lacht. Seit vier Jahren leitet die 29-Jährige die Turnabteilung beim VfL Bochum. Rund 200 Sportler – darunter Tischtennisspieler, turnende Kinder und Prellballspieler – stehen unter ihren Fittichen. Ist das Fenster in einer Sporthalle defekt? Wünscht sich ein Team einen Schrank für Sportutensilien? Sucht eine Mannschaft neue Mitglieder? Klug kümmert sich darum.

Janine Klug leitet die Turnabteilung des VfL Bochum.
Janine Klug leitet die Turnabteilung des VfL Bochum. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

„Ich schlage mich häufig mit Ämtern herum, aber ich weiß ja, wofür ich es tue: Dafür, dass Bochum sich bewegt“, sagt Klug, die selbst seit 25 Jahren Vereinsmitglied ist. Für dieses, so sagt sie, „erkämpfenswerte Ziel“ investierte sie schon mit 14 Jahren ihre Freizeit als Sporthelferin, wurde später Übungsleiterin und leitete Turn- und Fitnessgruppen.

„Das Gefühl von Gemeinschaft im Verein kann kein Fitnessstudio ersetzen“, sagt Klug. Dass sie nun geehrt wurden, macht die Ehrenamtlichen stolz – auch wenn sie selbst eigentlich gar nicht im Mittelpunkt stehen wollen. „Es ist toll, wenn Ehrenamt sichtbar wird“, sagt Klug und auch Frewer findet: „Ehrenamt hat viele Facetten, schön, dass sie gezeigt werden!“

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