Bochum. BO to go: Im Corona-Lockdown versuchen es Bochumer Restaurants zunehmend mit dem Außer-Haus-Verkauf. Das funktioniert – wenn auch nicht überall.
Die „Gänsetasche“ mit Knödeln, Rotkohl und Maronen geht weg wie warme Semmeln. Auch die Königsberger Klopse, der Grünkohl mit Wildschweinbratwurst oder der Sauerbraten sind gefragt. „Läuft gut!“, ruft Andreas Schreiner und pendelt zwischen Küche und Fenster, durch das die vollen Tüten nach draußen an die Kunden gereicht werden. Im „Schreiner’s“ herrscht trotz Lockdown reger Betrieb. Der Außer-Haus-Verkauf ist hier weit mehr als eine Notlösung. Das ist nicht überall so, bremst der Branchenverband Dehoga und warnt vor einer herannahenden Pleitewelle.
Seit sechs Jahren führt Andreas Schreiner sein Restaurant an der Hattinger Straße. Ein gestandener Macher-Typ, der vom Jammern nix hält. Wie bei der ersten Corona-Zwangsschließung im Frühjahr hat der 55-Jährige auch Anfang November die Ärmel hochgekrempelt, sein Team um sich gescharrt und entschieden: Wir geben den Löffel nicht ab! Statt im Lokal sollen die Kunden die bodenständigen Speisen nun erneut daheim genießen.
Corona in Bochum: „Jammern ist die falsche Antwort“
Wieder wurde eine verkleinerte Speisekarte mit allen Klassikern gedruckt und online gestellt. Wieder liegen die Preise rund ein Drittel unter den regulären Tarifen. Wieder ist ein Fensterverkauf eingerichtet. Doch diesmal kann die Anfahrt entfallen: Mit zwei Lieferwagen bringt die „Schreiner’s“-Mannschaft, die mit ihren vier Azubis vollständig am Start ist, die bestellten Gerichte in Warmhalteboxen im Umkreis von 15 Kilometern auch nach Hause. Auf Wunsch mit einer Flasche Wein.
Ob sich das rechnet? Zahlen nennt Andreas Schreiner nicht. Nur so viel: „Wir sollten hier alle sehr zufrieden sein und den Alu-Hut abnehmen.“ Klar: Das entgangene Vorweihnachtsgeschäft mit all den Feiern und Festivitäten schmerzt. Die angestammten Lieferdienste machen prächtige Geschäfte und den BO-to-go-Neulingen mächtig Konkurrenz. Aber, siehe oben: „Jammern ist die falsche Antwort. Mit dem Außer-Haus-Verkauf lässt sich mit guter Qualität gutes Geld verdienen. Und hinzu kommt ja die November- und Dezember-Hilfe des Staates, der 75 Prozent des Umsatzverlustes ausgleicht.“
Verband bangt vor dem Winter
Reicht der Hunger der Kunden, um die Corona-Durststrecke zu überwinden? Sind selbst die emsigsten Außer-Haus-Lieferanten bald – auch im Wortsinn – weg vom Fenster? Bochumer Gastro-Größen wie der Livingroom, in dem die vier Azubis mit den Köchen erfolgreich Food-Boxen füllen, der Strätlingshof (aktuell mit „Adventsschnitzeln“) oder Bochums Sushi-Toplokal als „Takeshi to go“ halten tapfer dagegen. Für Livingroom-Chef Lukas Rüger ist dabei nicht nur die Wirtschaftlichkeit ausschlaggebend: „Die Lage ist und bleibt prekär. Aber wichtig ist, dass wir Präsenz zeigen, gegenüber unseren vielen Stammgästen und auch nach innen.“
Thorsten Hellwig, Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, blickt mit Sorge auf den Winter. „Schon im ersten Lockdown hat sich der Außer-Haus-Verkauf für viele Gaststätten nicht gelohnt. Auch diesmal können die immensen Verluste dadurch häufig nicht ausgeglichen werden, zumal auch die Getränke als Umsatzbringer wegfallen.“
„Schreiner’s“ blickt schon auf Silvester
Wohl ein Grund, warum in Bochum nach Branchenschätzungen in mehr als jedem zweiten Lokal die Küche derzeit kalt bleibt. Eine Empfehlung gibt der Dehoga ausdrücklich nicht. Hellwig: „Der personelle und finanzielle Aufwand für einen Außer-Haus-Verkauf ist beträchtlich. Mit dem ersten verkauften Schnitzel macht man noch keine schwarzen Zahlen. Das muss jeder Betrieb selbst entscheiden.“
Andreas Schreiner will den Service mindestens bis zum Jahresende fortsetzen. Das Silvester-Menü kann schon gebucht werden. Als Hauptgang gibt es Kalbfleischbraten „klassisch“.
Eine Auswahl von Lokalen mit Außer-Haus-Verkauf gibt es hier . Den Start unserer neuen Gastro-to-go-Kritiken lesen Sie hier .