Bochum. Rund 200 Menschen folgen der Gedenkveranstaltung in der Innenstadt. Was die Nazis jüdischen Ärzten antaten. OB Eiskirch mahnt zur Wachsamkeit.

Unter den besonderen Umständen der strengen Corona-Regeln trafen sich am Montagabend (9.) mehr als 200 Menschen auf dem Dr.-Ruer-Platz, um den 82. Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November 1938 zu gedenken. Wie in jedem Jahr bereitete auch diesmal der Kinder- und Jugendring die Gedenkstunde vor. Im Mittelpunkt stand das Schicksal der jüdischen Ärzte, insbesondere eines in Bochum ansässigen jüdischen Arztes im Mittelpunkt.

Schicksal eines jüdischen Arztes

Schüler und Schülerinnen des Geschichtskurses der Klasse 9a des Neuen Gymnasium hatten sich in einem Projekt sehr intensiv mit dem Schicksal von Dr. Felix Cohn befasst. Der Arzt lebte mit seiner Frau und den beiden Kindern in Bochum und betrieb in der Humboldtstraße, nicht weit entfernt vom heutigen Musikforum, eine Hausarztpraxis. Zu selbst gemalten Bildern erzählten die Schüler die Lebens- und Leidensgeschichte des einst angesehen Arztes nach, der 1937 nach einer ganzen Reihe von Repressalien zunächst alleine in die USA emigrieren musste und später seine Familie nachkommen ließ.

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Vor der Veranstaltung hatten die Schüler erzählt, was sie an diesem Projekt besonders beeindruckt hat: „Mir war nicht klar, dass jüdische Ärzte hier in Bochum eine ganz prägende Rolle gespielt haben“, sagt der 14-jährige Jonathan Radkowski. Der gleichaltrigen Electra Ermidi ist das Thema sehr nahe gegangen. „Ein solcher Geschichtsunterricht bewegt einen viel mehr als etwas über das alte Ägypten.

Drangsalierung der jüdischen Ärzte

In der damaligen Gauhauptstadt Bochum gingen die Nazis besonders heftig gegen jüdische Ärzte vor. Von den vor 1933 rund 13 in Bochum praktizierenden Medizinern lebte schon 1938 niemand mehr in der Stadt.

Wenn man bedenkt, dass es unter den rund 50.000 in Deutschland vor 1933 praktizierenden Ärzten etwa 9000 mit jüdischen Wurzeln gab, wird dieser Verlust besonders deutlich. Viele mussten emigrieren oder wurden in den Selbstmord getrieben.

Veronika Miletic (14), die ebenfalls später oben auf der Bühne steht, pflichtet ihren Klassenkameraden bei. Geschichtslehrer Nils Vollert freut es, dass seine Klasse sich so engagiert mit diesem Thema auseinandergesetzt hat.

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Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch sprach vor den rund 200 Teilnehmern der Gedenkveranstaltung zum 9. November 1938, der Reichspogromnacht.
Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch sprach vor den rund 200 Teilnehmern der Gedenkveranstaltung zum 9. November 1938, der Reichspogromnacht. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

„Es kommt ganz besonders auf Euch an“

Schülerinnen und Schüler des Hebräisch-Kurses der Schule trugen zwischen den einzelnen Beiträgen berührende Lieder vor. Oberbürgermeister Thomas Eiskirch rief gerade angesichts des aufflammenden Antisemitismus zur Wachsamkeit auf. Aber er sprach die Schülerinnen und Schüler auch direkt an: „Es kommt ganz besonders auf Euch an, gegen Antisemitismus oder Rassismus aufzustehen.“

Denn der Vorsitzende der Bochumer jüdischen Gemeinde, mit ihren rund 1200 Gemeindemitgliedern wieder eine der größten jüdischen Gemeinden Westfalens, berichtete wenig Erfreuliches. „Gerade in diesen Corona-Zeiten nutzen Verschwörungstheoretiker wieder krude Mythen. Etwa, dass die Juden das Coronavirus eingesetzt hätten, um die Wirtschaft zu schädigen und selbst davon zu profitieren“, schilderte er ein besonders absurdes Beispiel.

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