Bochum. Mit der Aktion “Fenster auf!“ machen Bochumer Künstler auf ihre prekäre Lage aufmerksam. Spontane Auftritte sollen jeden Donnerstag stattfinden.
Die beschauliche Wohnsiedlung am Biermannsweg in Wiemelhausen ist nicht unbedingt als Party-Hochburg bekannt. Doch das lässt sich ändern, zumindest für eine Stunde: „Seid ihr alle da? Ich will eure Hände sehen!“ ruft der Musiker Mambo Kurt in die abendliche Stille hinein, und überall auf der Straße öffnen sich Fenster und Balkontüren.
Die ersten recken neugierig ihre Hälse hinaus, während Mambo Kurt, der legendäre „King of Heimorgel“, gut gelaunt in die Tasten seines Instrumentes greift und einen Gassenhauer von „Abba“ anstimmt: „You are the dancing queen“, singt er, „young and sweeeet...“ Der Nachbar, der gerade seinen Hund ausführt, ist irritiert: „Wat is‘ hier denn los?“
"Fenster auf!": Kulturschaffende wollen Zeichen setzen
Nun, das lässt sich schnell erklären. Der schöne Biermannsweg ist am Donnerstagabend unvermittelt zu einem der ersten Schauplätze der neuen Aktion „Fenster auf!“ geworden. Damit wollen Kunst- und Kulturschaffende mitten in der Corona-Krise auf ihre mitunter äußerst prekäre Lage aufmerksam machen. Ihre Einnahmen aus Konzerten sind gleich null, staatliche Hilfen nur schleppend in Sicht: „Mit den neuesten Einschränkungen seit Anfang November wird es für viele echt kritisch“, sagt Katja Leistenschneider, die als Moderatorin bei Radio Bochum arbeitet und diese neue, pfiffige Protestaktion mit auf den Weg gebracht hat. „Wir wollen zeigen, was auch in dieser Zeit geht und was Kultur bewirken kann.“
Denn viele freie Kulturschaffende wollen sich mit dem Auftrittsverbot, das ihnen seit März zu schaffen macht, nicht abfinden und gehen jetzt auf die Straße und Plätze vor den Wohnhäusern Bochums. „Fenster auf!“, so lautet das Motto der kleinen Konzerte und Performances. Zum Auftakt waren sieben Künstler an drei verschiedenen Orten gleichzeitig unterwegs, um die Anwohner mit ihren rund 20-minütigen Auftritten direkt vor ihrer Haustür zu unterhalten. Neben Mambo Kurt waren bei der Premiere u.a. auch Jani Weichsel von der Band „Kapelsky“ und die Street-Art-Performer von Urbanatix dabei.
Wo die Auftritte stattfinden, ist geheim
Und „Fenster auf!“ soll weiter gehen: An jedem Donnerstag im November (und womöglich auch darüber hinaus) soll um 18 Uhr irgendwo im Stadtgebiet etwas los sein. Wo genau, ist vorher nicht bekannt: „Die einzelnen Orte werden geheim gehalten, denn die Menschen sollen in ihren Häusern bleiben, um die Infektionswelle zu brechen“, meint Katja Leistenschneider.
Die Überraschung ist gelungen: Am Biermannsweg macht sich schon nach kurzer Zeit beste Stimmung breit. Die Anwohner stehen an den offenen Fenstern und singen beherzt mit. So wie Stefanie Hay, die für die unverhoffte Abwechselung dankbar ist: „Wir haben uns total gefreut, als plötzlich Mambo Kurt hier spielte“, erzählt sie. „Live gesehen habe ich ihn noch nie.“
Auch der Bochumer Künstler, der mit seiner Heimorgel schon beim Heavy-Metal-Festival in Wacken rockte, ist froh über Gelegenheit, mal wieder spielen zu dürfen: „Fast alle Konzerte sind bei mir in diesem Jahr weggefallen“, sagt er. „Da ist es wichtig, ein Zeichen zu setzen, damit die Leute sehen, dass wir noch da sind.“
Und so lässt Mambo einen Kracher nach dem nächsten von der Leine: Zu „I gotta feeling“ von den Black Eyed Peas tanzen einige tatsächlich eine Polonaise auf ihrem Balkon. Großartig!
Info: Weitere Künstler gesucht
Für ihre Auftritte bekommen die Künstler ein bescheidenes Honorar. Daher ist das Projekt „Fenster auf!“ auf Spenden angewiesen. Die GLS-Bank unterstützt die Aktion mit 10.000 Euro.
Wer als Künstler mitmachen möchte oder sich als Anwohner um ein Konzert auf seiner Straße bewerben möchte: Alle Infos gibt es auf www.fenster-auf.org