Bochum-Gerthe. In der Christopherus-Schule in Bochum lernen Schüler mit teils schweren Beeinträchtigungen. Corona hat das Leben mächtig durcheinander gewirbelt.
Es ist Brotzeit! Um kurz nach zehn hat sich die neunte Klasse der Christopherus-Schule in Bochum-Gerthe eine kleine Stärkung verdient. Die Fenster stehen auf Durchzug, das ist in Corona-Zeiten oberstes Gebot. Dafür hat Schulleiterin Michaela Münch-Müller sogar eigens einen kleinen Wecker an die Tafel gehängt, der alle 30 Minuten rappelt: „Der soll uns dran erinnern, wann wieder gelüftet werden muss“, sagt sie.
Auch sonst hat die Pandemie das Leben in der Schule mächtig durcheinander gewirbelt: „Wir haben keinen Sport, kein Schwimmen, kein Fußball, nicht mal im Chor dürfen wir singen“, zählt Lisa (14) die Entbehrungen der letzten Wochen auf. Und überhaupt: „Ständig die Maske zu tragen und Abstand zu halten, ist schon ungewohnt“, meint Lizzy (15). Selbst der Gang auf den Pausenhof ist genau geregelt: Nur zwei Klassen dürfen gleichzeitig hinaus, damit sich nicht zu viele Schüler auf einmal auf dem Flur begegnen.
Die Schule befindet sich in einem ehrwürdigen Gebäude
Die Christopherus-Schule an der Gerther Straße 31 befindet sich einem ehrwürdigen Gebäude: Einst befand sich hier die Heuwegschule, die erste katholische Volksschule in Gerthe, die 1899 gebaut wurde.
Seit 1974 ist hier die Christopherus-Schule beheimatet. Sie gehört zum Christopherus-Haus, einem Verein für Seelenpflegebedürftige mit Sitz in Witten. Er ist gemeinnütziger Träger verschiedener Einrichtungen, die auf der Grundlage der Anthroposophie von Rudolf Steiner arbeiten. Dazu zählen u.a. auch eine Kita und ein Kinderwohnheim. Weitere Informationen unter www.christopherus-haus.de
Wie viele Bildungsstätten in Bochum hat auch die Christopherus-Schule mit den strengen Corona-Schutzverordnungen der Landesregierung tüchtig zu tun. Die Besonderheit hier: In der Waldorf-Schule an der Gerther Straße werden rund 100 Schüler von der ersten bis zur zwölften Klasse unterrichtet, die teils mit schweren körperlichen und geistigen Einschränkungen aufwachsen. Einige sind traumatisiert, andere haben das Down-Syndrom, viele sind Autisten. „Ihnen zu helfen, sich als eigenständige Persönlichkeiten zu entwickeln, nennen wir Seelenpflege“, sagt die zweite Schulleiterin Alexa Vitsos.
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Gerade für diese Schüler ist eine intensive Betreuung während der Schulzeit ungemein wichtig – und die Förderschule setzt alles daran, dies auch während der Corona-Zeit sicherzustellen. „Am Anfang war das schon schwer“, sagt Michaela Münch-Müller. „Da bekamen wir dauernd Mails von der Landesregierung mit den neuen Schulverordnungen, aber von Förderschulen war darin eigentlich nie die Rede.“ Hier einen Weg zu finden, der auch ihren Schützlingen entspricht, sei nicht leicht gewesen: „Da haben wir lange zusammengesessen, aber ich denke, mittlerweile hat sich das gut eingespielt.“
Schüler passen auch gegenseitig aufeinander auf
Maske tragen, Hände waschen, lüften: Die Corona-Regeln stehen in großen Lettern gut sichtbar an der Tafel. Doch werden sie auch von jedem Schüler befolgt? „Allgemein schon“, so Vitsos. „Viele finden das spannend. Sie passen sich an und passen auch gegenseitig aufeinander auf. Viel schwieriger dürfte es werden, ihnen diese Regeln eines Tages wieder abzugewöhnen.“
Doch nicht bei jedem Kind funktioniert das reibungslos: So gibt es hier rund zwei Schüler pro Klasse, die vom Tragen der Masken befreit sind. „Manche können das im Gesicht nicht haben und reißen sich die Maske ständig wieder ab“, sagt Vitsos. „Sie haben dann ein Attest vom Arzt.“ Solche Eigenheiten betreffen nicht nur das Tragen von Masken: „Wir haben hier Schüler, die ziehen sich grundsätzlich die Schuhe aus, wenn sie in die Klasse kommen, weil sie das Tragen von Schuhen nicht ertragen können. Das kriegt man ihnen auch nicht erklärt.“
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Auf einige liebgewonnen Rituale müssen sie an der Christopherus-Schule derzeit verzichten: So findet die tägliche Zusammenkunft aller Schüler im „Morgenkreis“ nicht statt. Doch solche Einschränkungen sind ihnen immer noch lieber als ein zweiter Lockdown. Einer möglichen erneuten Schulschließung sieht Michaela Münch-Müller mit Besorgnis entgegen: „Wir wissen es nicht, aber wir hoffen inständig, dass dies nicht geschieht“, sagt sie. „Für viele Familien ging der erste Lockdown weit über die Belastungsgrenze hinaus.“
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Falls es doch geschieht, sieht Münch-Müller ihre Schüler allerdings weitaus besser gerüstet als beim ersten Mal. „Die Schüler bekämen dann eigene Laptops, damit die Notbetreuung besser aufrecht erhalten kann als zuletzt im Frühjahr.“ Schade wäre das vor allem für die Schüler, die dann erneut den Kontakt untereinander verlieren. „Die meisten von ihnen können sich nicht mal eben kurz besuchen, weil unser Einzugsgebiet sehr groß ist“, sagt Alexa Vitsos. „Manche kommen aus Dortmund, andere aus Haltern.“ Doch die Schüler sind auch selber auf Zack: WhatsApp-Gruppen und Facetime-Sitzungen machen an der Christopherus-Schule schon lange die Runde.
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