Bochum. Ist der Weihnachtsmarkt noch zu retten? Die neuen Corona-Zahlen schüren tiefe Zweifeln. Die Zeit wird knapp. Die Schausteller fordern Klarheit.
Ist der Bochumer Weihnachtsmarkt noch retten? Während sich die Stadtverwaltung ebenso wie die Bochum Marketing GmbH weiter in Schweigen hüllen, machen die Schausteller Druck. Innerhalb der nächsten Tage müsse eine Entscheidung fallen. "Das Zeitfenster wird immer knapper. Wir brauchen Gewissheit", sagt Andreas Petter (54), Vorsitzender des Bochumer Schaustellervereins. Fest steht bereits: Die Glühweingasse wird es nicht mehr in alter Form geben. Und: Der "Fliegende Weihnachtsmann" wird nicht in Bochum einschweben.
Vor zwei Wochen hatte noch Zuversicht geherrscht. Der Weihnachtsmarkt in der Innenstadt solle planmäßig stattfinden, hatte BO-Marketing als Veranstalter auf Anfrage der WAZ bekräftigt. Das Hygienekonzept, das den Gesundheitsbehörden vorgelegt wurde, sieht massive Beschränkungen vor: etwa die Auslagerung der Gastro-Stände an die Ränder der City und eine räumliche Entzerrung der 200 Hütten. Bei den Stadtwerbern und im Rathaus stand die Ampel aber auf Grün.
Weihnachtsmarkt in Bochum: Alkoholverbot ab Inzidenz 35
Seither hat sich die Corona-Inzidenz in Bochum nahezu verdoppelt. Die Stadt ist Risikogebiet. Nach WAZ-Informationen greift damit ein Stufenplan, der für den Weihnachtsmarkt zwei Warnwerte markiert: Ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 35 ist der Alkoholausschank verboten. Ab 50 muss der Budenzauber komplett abgesagt bzw. unterbrochen werden.
Bochum hat am Mittwoch laut Robert-Koch-Institut die Marke von 70 überschritten. Der Optimismus ist tiefen Zweifeln gewichen. Zwar heißt es bei BO-Marketing nach wie vor: "Kein Kommentar." Zwar verweist Rathaus-Sprecher Thomas Sprenger auf das Genehmigungsverfahren und kündigt erst für die nächste Tage eine "klare Positionierung" der Stadt an.
Alternativen für Glühweingasse
Bei den Schaustellern indes sinkt die Hoffnung auf eine Neuauflage. "Sollte es bei dem Stufenplan bleiben und BO-Marketing die Standgebühren nicht reduzieren, wäre das für uns wirtschaftlich nicht tragbar", sagt Oskar Steinmeister (28), der mit seinem Vater Bernd seit zwölf Jahren die "Glühweingasse" auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt betreibt.
Frühzeitig sei klar gewesen, dass die Corona-Auflagen die weinselige 70-Meter-Meile in diesem Jahr nicht zulassen. "Wir haben Alternativen mit mehr Abstand erarbeitet", so Steinmeister. Ein Alkoholverbot, eine massive Beschränkung der Gästezahlen und die ständige Furcht vor einem Abbruch biete für Ausschankbetriebe aber kein Fundament. "Das ist ein Ding der Unmöglichkeit", heißt es bei den Herner Gastronomen, die auch ein Aus des "Weihnachtszaubers" daheim in Crange befürchten. Für Bochum müsse es in Kürze zu einer Entscheidung kommen: "Wir brauchen allein drei Wochen für den Aufbau."
Fliegender Weihnachtsmann kommt nicht
"Endlich Klarheit" will auch Andreas Petter. Der Schausteller-Chef weiß um die wirtschaftliche Bedeutung des Festmarktes: "Er wäre für uns überlebenswichtig, die erste größere Einnahme dieses furchtbaren Jahres." Die aktuellen Corona-Zahlen rauben ihm aber zunehmend den Glauben an einen Weihnachtsmarkt 2020. Notfalls lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, so sein Appell: "Wir alle hängen in der Luft."
Dort kennt sich Falko Traber bestens aus. Als "Fliegender Weihnachtsmann" beglückt der Artist seit elf Jahren vor allem Familien, die auf dem Dr.-Ruer-Platz allabendlich staunend auf seinen Rentierschlitten am Stahlseil blicken. Diesmal bleibt der Rotrock in heimischen Gefilden. "Bochum Marketing hat mir schon vor drei Wochen abgesagt", berichtet der 61-Jährige im WAZ-Gespräch. "Angeblich lässt es Corona nicht zu, dass ich in Bochum zu Gast bin. Auf dem Platz hätten sich sonst zu viele Menschen versammelt, heißt es. Dabei bin ich sicher, dass man das hätte regeln können."
So aber müsse er schweren Herzens auf seine Flugeinlagen verzichten. "Ich werde meine Rentiere gut trösten müssen, damit sie nicht depressiv werden", sagt Falko Traber. Für die Kinder tue es ihm besonders leid. "Da wird wohl manche Träne fließen." Sein Wunsch an alle Bochumer: "Bleibt gesund. 2021 sehen wir uns wieder!"
Auch Einzelhandel würde massiv leiden
Der Weihnachtsmarkt soll am 19. November eröffnet werden und bis zum 23. Dezember dauern. Es wäre die 50. Jubiläumsauflage in der Innenstadt.
Eine Absage wäre das traurige Finale eines beispiellosen Jahres in der Bochumer City. Sämtliche Großveranstalten wären dann gestrichen worden: das Maiabendfest, Bochum Total, der Sparkassen-Giro und der Bochumer Musiksommer.
Marc Mauer, Chef des City-Verbandes IBO, hatte von "einer Katastrophe" für den schwer angeschlagenen Handel gesprochen, sollte auch der Festmarkt mit seinen jährlich 1,5 Millionen Besuchern wegbrechen.