Bochum. 37.000 Anträge auf Kurzarbeit wurden seit Ausbruch des Coronavirus in Bochum gestellt. Das ist nur eine der Auswirkungen auf die Arbeitswelt.
Mund-Nasen-Schutzmasken beim Einkaufen, geschlossene Kitas und Schulen, isolierte Angehörige in Seniorenheimen. Die Auswirkungen des Coronavirus haben alle Lebensbereiche erfasst – auch und gerade die Arbeitswelt. 37.000 Anträge auf Kurzarbeit sind dabei nur ein Teil der Folgen.
Das Wort „Homeoffice“ könnte bei der Wahl zum Wort des Jahres hinter Corona und Covid-19 auf Platz drei landen – so sehr ist es seit einigen Monaten in unseren Köpfen verankert. Auch viele Tausend Beschäftigte in Bochum arbeiten seit März von daheim oder aber abwechselnd zu Hause und im Büro: in Verwaltungen von Universität und Hochschule, bei der Stadt, bei Krankenkassen, in Unternehmen. Nach der plötzlichen Umstellung auf mobiles und digitales Arbeiten werden alle in der Rückschau prüfen, „was gut funktioniert und was besser werden muss“, so Dirk W. Erlhöfer, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Ruhr. „Was ganz sicher ist: Viele Prozesse werden sich durch Corona beschleunigen.“
Weniger Präsenz in den Büros
Das gilt auch für einige Bereiche des Gesundheitswesens. „Corona hat große Veränderungen mit sich gebracht“, sagt Prof. Christoph Hanefeld, Ärztlicher Direktor des Katholischen Klinikums Bochum (KKB). Die Anzahl der KKB-Mitarbeiter, die mobil arbeiten, hat sich durch die Anschaffung von etwa 80 Lizenzen für sichere Verbindungen verdoppelt. Und nicht nur für Konferenzen von Ärzten und Wissenschaftlern wird moderne Übertragungstechnik genutzt. „Unsere Videovisiten laufen gut, wir haben dafür extra Räume geschaffen“, so der Klinik-Chef. Auch die erste Patientenveranstaltung per Videoübertragung sein ein großer Erfolg gewesen.
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Die Präsenz in Büros „wird sich nachhaltig verändern“. Davon ist Oliver K.-F. Klug Hauptgeschäftsführer Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (AGAD) in Bochum überzeugt. „Statt drei- oder viermal zu Tarifverhandlungen nach Berlin oder Frankfurt zu fahren, werde ich künftig viel häufiger in Videokonferenzen sitzen.“ In vielen Bereichen bei vielen anderen Arbeitnehmern werde es ähnlich sein. „Das spart Zeit, CO2 und Kosten.“ Ein Gewinn auf vielen Ebenen. Klugs Prognose: „Es werden weniger Büroflächen benötigt und die Flächen werden flexibler genutzt.“
Viele Unternehmen erwarten Konsequenzen
61 Prozent aller Unternehmen erwarten mittel- bis langfristig starke oder sehr starke Konsequenzen für ihr Geschäft – mit dem Höchststand von 96 Prozent in der Gastronomie. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Rationalisierungs- und Innovationszentrums der Deutschen Wirtschaft. Auch in der Verwaltung rechnen 61 Prozent mit starken oder sogar sehr starken Auswirkungen; z.B. auf die Aufrechterhaltung der Leistungen für Bürger und Personalengpässe, die durch fehlende Kinderbetreuung entstehen.
KKB will jeden neuen Patienten auf Corona testen
Neue Herausforderungen erwartet der Ärztliche Direktor des KKB, Prof. Hanefeld, für die Krankenhäuser im Herbst. Durch den jahreszeitbedingten Anstieg von Erkältungskrankheiten werde viel häufiger als derzeit abgeklopft werden müssen, ob Patienten mit dem Coronavirus infiziert sind oder nicht.
Zwischen 130 und 140 Patienten nimmt das KKB täglich auf. Von der übernächsten Woche an werde von jedem vor der Aufnahme ein Abstrich genommen, kündigt der Klinik-Chef an.
Unterm Strich hofft er darauf, „dass die Politik ihr Wort hält“. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe im März versprochen, kein Krankenhaus dürfe durch seine Anstrengungen bei der Bekämpfung des Coronavirus ins Defizit rutschen.
Allerdings: Die Arbeitswelt besteht nicht nur aus Schreibtischjobs. „Bürotätigkeiten lassen sich durch Email, Internet und Telefon leicht an verschiedene Orte auslagern. Selbst Führungsaufgaben lassen sich im gesunden Maß aus der Ferne erledigen“, sagt AGV-Hauptgeschäftsführer Dirk W. Erlhöfer. Aber: „Im produzierenden Gewerbe an Maschinen ist in aller Regel natürlich Präsenz gefragt.“
Sozialer Sprengstoff befürchtet
Und nicht nur dort: Polizisten und Busfahrer, Verkäuferinnen und Lageristen, Feuerwehrleute und Zugführer können ihren Job nicht von zu Hause aus erledigen. „Auf die Dauer könnte das ein Aspekt sein, der großen sozialen Sprengstoff birgt“, befürchtet AGAD-Hauptgeschäfsführer Oliver K.-F. Klug.
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Angela Graß teilt diese Befürchtung nicht. Als Pflege-Bereichsleiterin im Katholischen Klinikum hat sie die Erfahrung gemacht: „Corona hat auch Positives mit sich gebracht.“ Nämlich eine große Portion Solidarität und gewachsene Gemeinschaftsgefühl in der Belegschaft ihres Hauses. Zwischen 50 und 60 Mitarbeiter aus den verschiedenen Abteilungen des Hauses wurden von März an auf der Infektionsstation weitergebildet, um das dortige Pflegeteam zu unterstützen. „Die Bereitschaft dazu war sehr groß“, so Angela Graß. Es habe sich ein großes Miteinander entwickelt, neue Freundschaften seien entstanden. Und: Sollte es zweite Corona-Welle geben, dann ist das KKB nicht nur technisch, sondern auch personell vorbereitet.