Bochum. Welche Ausgrenzungen erfahren Bochumer aufgrund Ihrer Hautfarbe? Krish Poopalasinghan berichtet vom Aufwachsen zwischen zwei Kulturen.
Krish (Luis) Poopalasinghan lebt seit seiner Kindheit im Ruhrgebiet und wuchs zwischen zwei Kulturen auf. Mit Verena Lörsch aus der WAZ-Redaktion Bochum spricht der 34-jährige Querenburger über Diskriminierungen, die weißen Bochumern meist verborgen bleiben.
Ist Rassismus in Bochum ein Problem?
Ja, ich erfahre Rassismus seit meiner Kindheit. Aber ich habe den Eindruck, seit 2015 ist die Ablehnung schlimmer geworden. Manchmal schrecken Leute auf der Straße vor mir zurück. In Querenburg, wo ich derzeit wohne, wurde ich auch mal angespuckt. Irgendwie habe ich mich daran gewöhnt, dass sich die Gesellschaft nicht ändert.
Welche Diskriminierungen gab es denn in Ihrer Kindheit oder Jugend?
Im Grundschulalter haben manchmal Erwachsene auf dem Heimweg mit Bierflaschen nach mir geworfen. In der Jugend war ich eher ein Spätzünder. Von einem Mädchen bekam ich mal zu hören: „Wir können gern Eis essen gehen, aber einen Neger darf ich nicht mit nach Hause bringen.“
Aufklärung gegen Rassismus
Zahlreiche Bücher, Hörbücher und Filme beschäftigen sich mit dem Thema Rassismus und möglichen Lösungsansätzen.
Die Autorin und Journalistin Alice Hasters hat das teils autobiografische Werk „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“, veröffentlicht.
Tupoka Ogette hat „Exit Racism: rassismuskritisch denken lernen“ konzipiert – ein Hörbuch mit passenden Arbeitsmaterialien. Ogette gibt darin Fragen und Anregungen, um den Sprachgebrauch und das eigene Handeln zu überdenken.
Mit Anfang 20 habe ich in Wanne-Eickel gelebt. Wenn ich da von der Nachtschicht zu Fuß nach Hause gelaufen bin, wurde ich regelmäßig von der Polizei kontrolliert – bis zu vier mal in der Woche. Sähe ich aus wie – sagen wir mal – ein Stefan, würde mir das nicht passieren. Ich habe dann entschieden, nach Bochum zu ziehen. Ich dachte, Bochum ist als Universitätsstadt viel weltoffener.
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Ich wurde noch nie von der Polizei kontrolliert. Wie laufen diese Kontrollen bei Ihnen ab?
Bei den Kontrollen wirst du automatisch geduzt. Oft rufen die Beamten als erstes „Ej, kannst du überhaupt unsere Sprache sprechen?“. Mittlerweile habe ich mir angewöhnt, darauf zu erwidern: „Wenn ich wollte, sogar besser als Sie beide zusammen.“ Ich habe von Polizisten schon viele rassistische Kommentare gehört – selbst wenn ich in Not wäre, würde ich keine Polizei rufen.
Wo begegnet Ihnen heute Rassismus im Alltag?
Beispielsweise bei der Wohnungssuche. Wenn ich mich telefonisch auf Annoncen mit meinem Familiennamen Poopalasinghan melde, wird manchmal direkt aufgelegt. Dann bin ich dazu übergegangen, mich am Telefon mit Luis zu melden, dann kam es wenigstens zu einer Wohnungsbesichtigung. Manchmal bekam ich da aber zu hören „Keine Ausländer“ oder „Terroristen und Vergewaltiger wollen wir hier nicht“.
Welchen Einfluss hatten Ihre sri-lankischen Wurzeln auf Ihr Leben im Ruhrgebiet?
Die Kulturunterschiede haben mich zerrissen. Meinen Landsleuten bin ich ein Dorn im Auge, zum Beispiel weil ich tätowiert bin. Ich bin den Schwarzen zu weiß und den Weißen zu schwarz. Das macht einsam. In der tamilischen Kultur bekommt man Anerkennung, wenn man viel leistet oder sich traditionell verhält. Es zählt Leistung und weniger menschliche Qualitäten. Ich habe dann für beruflichen Erfolg geknüppelt, bis mich die Ärzte aus dem Verkehr gezogen haben. Was mir geholfen hat, war ein Arzt, der sagte: „Willst du dir selbst gefallen oder anderen?“ Diese Zerrissenheit hat also auch etwas Positives bewirkt. Ich habe angefangen zu überlegen, was ich wirklich möchte: Für ein freies Leben einzustehen und unseren Kindern eine tolerantere Gesellschaft zu hinterlassen.
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