Bochum-Riemke. Der viele Müll auf dem Gipfel in Bochum-Riemke brachte Reinhold Marsollek auf eine Idee: Er bastelte ein markantes Schild – mit großer Wirkung.

Reinhold Marsollek ist keiner, der lang in den Federn liegt. Mit dem ersten Hahnenschrei morgens um fünf Uhr hat er meist schon die Joggingschuhe geschnürt und läuft mit sattem Tempo durch die frische Morgenluft an den Grummer Teichen entlang. Sein liebstes Ziel: der Gipfel des Tippelsbergs in Bochum-Riemke.

Tippelsberg in Bochum-Riemke verwandelt sich nach Partys in Müllberg

„Wenn man in der Früh hier oben ist und die ersten Sonnenstrahlen über das Ruhrgebiet kriechen sieht, das ist absolut magisch“, erzählt er. „Dann hat man diesen schönen Ort ganz für sich allein.“ In Hunderten Fotos hat Marsollek diese Momente mittlerweile festgehalten, und er zeigt sie gern. Einige seiner Sonnenaufgänge sehen aus, als wären sie von Caspar David Friedrich persönlich gemalt worden. Damit auch andere sehen, wie schön es auf dem Tippelsberg ist, hat er ein paar seiner Bilder an einen Baumstamm gehängt.

Auch dieses Schild auf dem Tippelsberg in Bochum-Riemke macht auf das Müllproblem aufmerksam - es wurde aber beschädigt.
Auch dieses Schild auf dem Tippelsberg in Bochum-Riemke macht auf das Müllproblem aufmerksam - es wurde aber beschädigt. © RM

Daneben steht eine Textzeile aus einem betörenden Cat-Stevens-Song: „Morning has broken...“ Doch so malerisch ist es auf dem Tippelsberg nicht immer. Gerade an den Wochenenden ist der Aussichtspunkt zu einem beliebten Treff für junge Leute geworden, die hier gern ausgiebig Party machen. Weil es weit und weit kaum Nachbarn gibt, die sich daran stören könnten, fallen die feucht-fröhlichen Treffen meist nicht weiter auf. Zumal sie überwiegend friedlich bleiben, wie Polizeisprecher Volker Schütte bestätigt.

Viel Abfall nach Partys

„Unsere letzte größere Kontrolle vor Ort fand über Pfingsten statt und verlief absolut unauffällig“, sagt er. Die Corona-Abstandsregeln seien allesamt eingehalten worden, Hinweise auf Drogenkonsum habe es nicht gegeben.

Was sich allerdings durchaus feststellen lässt: Nach den Partys verwandelt sich der Tippelsberg regelmäßig in einen Müllberg. Flaschen, Dosen, Chipstüten, Pizzakartons und anderer Unrat liegen weit verstreut um die überfüllten Mülleimer herum. Während seiner Joggingtouren muss Reinhold Marsollek dann nicht selten von einem Bein aufs nächste springen, um in keine Scherben zu treten. Das ärgert ihn zwar, doch den 66-jährigen Lehrer, der gerade die letzten Tage vor seiner Pensionierung an der Rudolf-Steiner-Schule in Langendreer erlebt, bringt so schnell nichts aus der Ruhe.

Der Nachtfalke ist weiter aktiv

Reinhold Marsollek (66) ist extrem sportlich. Der Lehrer für Russisch und Sport läuft den Marathon regelmäßig unter drei Stunden. Auch im Eisschnelllaufen feiert er große Erfolge: Zuletzt startete er bei den Winter-World-Masters-Games 2020 in Innsbruck.

2006 führte ihn seine erste große Radtour sommernachts durch Norwegen: 3000 Kilometer in 18 Nächten. Spät abends kann man ihn auf Inline-Skates regelmäßig am Kemnader See entlang flitzen sehen, was ihm in einem früheren WAZ-Bericht einen schönen Spitznamen einbrachte: der Nachtfalke.

Großes Holzschild mit klarer Botschaft

Mit sanftem Druck will er dafür sorgen, dass es auf dem Tippelsberg sauberer bleibt. „Ich mache das niemals aggressiv, sondern immer freundlich“, betont er. „Und ich räume den Müll auch nicht selber weg, keine einzige Zigarettenkippe“. Seine Idee: Er bastelte ein großes Schild aus stabilem Holz, das er an einem Baum direkt neben den Fotos mit den Sonnenaufgängen befestigte. Darauf steht zu lesen: „Vernünftige lassen keinen Müll oben. Anderen ist dies verboten!“

Zum Nachdenken anregen

Marsollek ist sich sicher: „Während mancher, der das liest, noch über den Sinn dieses Spruchs nachdenkt, hat er seine Coladose vielleicht schon von allein mit nach Hause genommen, statt sie hier achtlos in die Ecke zu schmeißen.“

Reinhold Marsollek mag den Tippelberg, ein beliebtes Ausflugsziel in Bochum-Riemke.
Reinhold Marsollek mag den Tippelberg, ein beliebtes Ausflugsziel in Bochum-Riemke. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Seine zweite Idee: Mit etwas Lösungsmittel befreit er die Stahlstelen auf dem Tippelsberg von Graffiti. Acht Hinweistafeln findet man hier oben, die einen Blick auf die Kulturstätten in Bochum und Umgebung bieten. Leider werden sie regelmäßig mit Sprühfarbe und Filzstiften künstlerisch veredelt. Für Marsollek ist die Säuberung einer Stele eine Sache von wenigen Minuten: „Zack sind die wieder sauber“, meint er. „Und wenn mal ein blöder Spruch von der Seite kommt, dann sage ich: ‚Ich klaue gerade etwas Farbe‘. Meist wird dann schon herzlich darüber gelacht.“

Schild wurde schon zweimal kaputt geschlagen

Seit Pfingsten appelliert sein Schild neben dem „Gipfelkreuz“ an den Verstand all jener, die hier ihren Müll liegen lassen. Zweimal wurde es bereits zum Ziel von Angriffen: Wenige Tage, nachdem er das Schild mit einer Wäscheleine an den Baum geknüpft hatte, fand Marsollek es morgens in seine Einzelteile zerlegt vor. „Offenbar wurde es kaputt getreten“, schätzt er. Mit etwas Leim konnte Marsollek es wieder retten. In der Nacht von Montag auf Dienstag folgte der zweite Anschlag. Diesmal war weniger zu retten. Schwer lädiert steht es jetzt am Baum, ein großer Teil fehlt.

Trotzdem zufrieden

Doch Marsollek ist mit seiner Aktion trotzdem zufrieden. Denn Erstaunliches sei seither geschehen: Laut seinen Beobachtungen findet sich jetzt deutlich weniger Müll auf dem Tippelsberg als zuvor. „Seit mein Schild hier steht, hat sich sich der Müll deutlich verringert“, ist er sich sicher. Auch Spaziergänger Gerhard Blum, der aus Herne regelmäßig den Gipfel des Bergs besucht, kann das bestätigen: „Das merkt man wirklich“, sagt er. „Man findet kaum noch Hinterlassenschaften mitten in der Natur, sondern meist nur rund um die Mülleimer.“

Es fehlen Mülleimer

Und genau die Sache mit den Mülleimern kritisieren beide: „Genau zwei kleine Abfalltonnen befinden sich hier“, meint Blum. „Gemessen an den vielen Menschen, die den Tippelsberg besuchen, ist das viel zu wenig.“