Bochum-Hordel. In den Gärten der Arbeitersiedlung an der Zeche Hannover lebten seit den 1890er viele Generationen. Die Kunst von Barbara Neumann erzählt davon.
Die 17-jährige Kaline steht im Beet und jätet Unkraut, Tauben hocken gurrend auf Ästen und kleinen Mäuerchen, vom Haus her dringt das Geräusch bellenenden Hustens zu Kaline in den Garten. Es ist Opa Jupp Schimionek, der im Feinripp-Unterhemd im Fenster liegt und eine Overstolz nach der anderen raucht.
So oder so ähnlich muss es mal gewesen sein, im Arbeitergarten am Rübenkamp. Heute ist der Arbeitergarten der Museumsgarten des LWL-Museums Zeche Hannover und die Bildhauerin Barbara Neumann versetzt die Besucher in ihrer dortigen Ausstellung zurück in vergangene Zeiten.
„Kappes, Kohle und Kalinen“
„Kappes, Kohle und Kalinen“, so lautet der Titel der Ausstellung, geboten werden Skulpturen, Grafiken und fiktionale Erzählungen in und zwischen den Beeten der Bergarbeiterhäuser. Sie erzählt von den Geschichten und Gesichtern von damals, als das heutige Museumshaus noch Bergarbeiter und ihre Frauen und Kinder beherbergte - in den 1920er Jahren lebten bis zu 31 Menschen in einem Haus und nicht selten teilten sich zwei Arbeiter ein Bett.
Der Garten, in dem auch „Kappes“, also Kohl, angebaut wurde, diente als Lebensgrundlage - die Löhne der Arbeiter waren niedrig - und wurde von den „Kalinen“, den Frauen, bewirtschaftet. So kommt der Titel der Ausstellung nicht von ungefähr, „ der Garten“ so Neumann, „das war auch immer Revier der Frauen“.
Neumann kombiniert verschiedene Arbeitsweisen
Nun stehen rund 30 graue Köpfe aus modelliertem Leichtbeton auf Sockeln und Mäuerchen zwischen Beeten, auf denen Salat und Kohl wächst. Unter jedem Kopf steht ein Name, sie heißen Hassan, Fritz oder Oma Lisbeth und blicken mal hoffnungsvoll, mal niedergeschlagen, mal müde.
Ausstellung im Arbeitergarten
Die Ausstellung ist Samstag von 14 bis 18 Uhr sowie Sonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei.
Der Arbeitergarten liegt Am Rübenkamp. Die Ausstellung findet im Arbeitergarten bereits zum zweiten Mal statt. Im vergangen Jahr wurde sie im Rahmen der Bo-Biennale veranstaltet.
In einer Ecke des Gartens sitzen Beton-Tauben auf Sockeln, und an Zäunen und Wänden hängen lebensgroße Grafiken, die Pflanzen abbilden. Am Eingang der Ausstellung wird dem Besucher ein Brief überreicht, darin befindet sich ein handgeschriebenes Rezept für Kappes sowie Informationen zu den Menschen, die durch die Köpfe repräsentiert werden.
Künstlerin kennt die Geschichte
Die Bochumer Künstlerin Neumann ist eine gebürtige Wanne-Eickelerin und kennt die Geschichten über das Leben in Bergarbeitersiedlungen seit ihrer Kindheit. So ist die Kunst, die sie an diesem Ort geschaffen hat, Realität und Fiktion zu gleich.
Anhand von Erzählungen und Gesprächen, nicht nach Fotos, erschafft sie die Charaktere und ihre Gesichter und kreiert so Prototypen anhand der Informationen, die sie besitzt. Seit 1890 war die Siedlung am Rübenkamp Wohnort für Arbeiter der benachbarten Zeche Hannover.
Kopf eines Zwangsarbeiters
Auf einheimische Arbeiter folgten alsbald westfälische, hessische und später dann westpreußische, schlesische und masurische, nach dem zweiten Weltkrieg dann türkische Bergleute. In einer schattigen Ecke des Gartens steht ein Kopf mit traurig, verzweifelt dreinblickendem Gesicht. „Dieser Kopf trägt keinen Namen. Er ist ein Fremder, einer der vielen Zwangsarbeiter, die in den 1940er Jahren hierher gekommen sind und gezwungen wurden, in den Zechen zu schuften“ berichtet Neumann.
Biermacher Ruhmann verkauft kühles „Hammer Bier“
Für Neumann ist es die erste Ausstellung seit der Pandemie, endlich kann sie wieder Kunst zeigen. Eine Veranstaltung unter freiem Himmel ist unter den aktuellen Umständen ideal, zudem lotsen Pfeile durch den Garten, sodass jeder Besucher genügend Abstand halten kann. Unter einem schattigen Pavillon sitzt der Biermacher Gerhard Ruhmann und verkauft kühles „Hammer-Bier“ - selbst gebraut, versteht sich.