Bochum. Die Hilfen für die vom Corona-Shutdown gebeutelten Künstler reichen oft nicht, viele Existenzen geraten in Gefahr. Eine Betroffene erzählt.

Schulen, Eltern, Geschäftsleute – viele werden von der Corona-Krise gebeutelt und fordern Hilfen ein. Zu denen, die sie am Nötigsten haben, zählen die Kulturschaffenden, Akteure der so genannten „Freien Szene“, die seit einem Vierteljahr ohne Einkünfte da stehen, weil keine Veranstaltungen mehr angesetzt werden dürfen. Die Forderung nach Corona-Hilfen für Kulturschaffende hat seit März nichts an Dringlichkeit verloren – auch in Bochum nicht.

Unter dem Radar in Bochum

Bochum versteht sich als „Stadt der Kultur“ und fördert deshalb nicht nur sein Schauspielhaus und die Symphoniker, sondern eben auch Kleinkünstler, Schauspieler, Musiker, Performer, Regisseure, Filmemacher und Figurenspieler. Berufsbilder, die den Wert der Stadt (mit) ausmachen, die aber oft – abgesehen von den Aufführungen - unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit existieren. Und die Unterstützung dringend nötig haben, wie die aktuelle Krise zeigt.

Stadt macht Geld locker

Die Stadt hat deshalb einen „Kulturrettungsschirm“ in sechsstelliger Euro-Höhe aufgespannt, der die größten Löcher stopfen soll. Das war's dann aber auch, denn die Kommune steht selbst stark unter Finanzdruck, weswegen auf eine breitere Unterstützung des Kultursektors durch Bund und Land gepocht wird.

Votum im Kulturausschuss

So wurde ein von den Grünen initiierter Dringlichkeitsantrag jüngst im Kulturausschuss mit den Stimmen von SPD, Linken, FDP/Stadtgestalter und UWG/Freie Bürger einstimmig beschlossen. Angemahnt wird eine Aufstockung und inhaltliche Korrektur bei der Corona-Hilfe für Kulturschaffende.

Gefordert wird im Einzelnen:

- Die überkommunalen Fördermittel, insbesondere die „Corona Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige“, sollten auch für die Lebenshaltungskosten von Künstler/innen geöffnet werden

- Einführung von Kurzarbeitergeld auch für Kulturakteure

- Ein temporärer Rettungsfonds des Bundes und des Landes zur Sicherung der kulturellen Infrastruktur in den Kommunen, sowohl in Bezug auf die Freie Szene, die Kreativwirtschaft als auch die öffentlich-rechtlichen kulturellen Institutionen

Aufstockung reicht nicht aus

Für Barbara Jessel, kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Rat, besonders wichtig: „Der Soforthilfetopf des Landes NRW reicht wohl auch bei der vor einigen Tagen in Aussicht gestellten Aufstockung um weitere 32 Millionen Euro nicht aus.“ Dazu kommt: Vielfach gehen die Förderbedingungen an den Lebensrealitäten und Bedarfen der Kulturschaffenden vorbei, weil die Lebenshaltungskosten nicht berücksichtigt werden.

Existenzbedrohende Probleme

Durch die Corona-Krise stehen viele Kultur-Player vor existenzbedrohenden Problemen. Sie verfügen im weit überwiegenden Teil weder über absichernde Rücklagen noch über nennenswerte Betriebsausgaben, die aus der Soforthilfe des Bundes finanziert werden könnten. Milli Häuser kann ein Lied davon singen.

Die Musikerin und Veranstalterin („Tatort Jazz“) versteht die Welt nicht mehr: „Noch immer stehen wir Freischaffenden vor einer Wand aus Nichtwahrnehmung seitens der Politik, was die Forderung nach einem Grundeinkommen in Corona-Zeiten betrifft.“

"Politik lässt uns im Regen stehen"

Während die Rettung der Lufthansa und mögliche staatliche Auto-Neukaufprämien in aller Munde seien, würden die Kulturschaffenden totgeschwiegen. „Die Politik lässt uns im Regen stehen“, sagt Milli Häuser. „Unsere winzigen Rücklagen neigen sich zum Ende oder waren erst gar nicht vorhanden. Die Einmalzahlung von 2000 Euro, als ausgleichende Soforthilfe für nachweisbare, ausgefallene Jobs im März und April, ist lange verbraucht.“

Nicht alle Hilfen greifen und passen

Zwar gäbe es Hilfsmaßnahmen, die vor allem für Stadttheater und Opernhäuser wirksam sind, aber für Freischaffende eben nicht.

Wie wichtig dabei auch kleine und kleinste Beträge sind, beweist der große Zuspruch auf die Aktion „Kultur Nothilfe Bochum“. Hier konnten Bürgerinnen und Bürger unter dem Motto „Bochumer für Bochumer“ Geld einzahlen, das an Kulturschaffende verteilt wurden.

Bochumer Aktion wird als Erfolg gewertet

„Es haben sich sehr Viele gemeldet, etwa Schauspieler, Filmemacher, Kostümbildner, die zurzeit nicht arbeiten können und Unterstützung benötigen“, berichtet Mit-Organisator René Wynands. Über 10.000 Euro seien in den letzten Wochen gespendet und verteilt worden. Eine Soforthilfe, die direkt bei denen ankommt, die sie am Nötigsten haben.

Lebenshaltungskosten berücksichtigen

Das ist nicht immer so, denn zumal die überregionale Unterstützung ist nicht immer zielführend, wie Milli Häuser erfahren hat – so sind Doppelförderungen auch bei kleinen Beträgen nicht möglich, die Fördertöpfe sind zu wenig gefüllt, und Geld gibt es oft nur für „Betriebskosten“ wie Mieten, Strom, Autos – alles Dinge, die freie Kulturschaffende, die oft genug Einzelkämpfer sind, gar nicht vorweisen können. So gehen sie leer aus.

Mit fatalen Folgen: „Auch wir haben Familien die ernährt werden müssen! Wir fühlen uns als Hofnarren, die in Krisenzeiten vor die Tür gesetzt werden, weil ,der Hof‘ uns gerade nicht gebrauchen kann“, geht Milli Häuser hart mit der Politik ins Gericht. „Wo bleibt die Wertschätzung unseres Berufsstandes?“, fragt sie.

>>> Forderung nach Grundeinkommen

Das dringendste Anliegen an die Politik ist eine Art „Bedingungsloses Grundeinkommen“ von 1000 Euro monatlich für nachweisbar freiberufliche Künstler/innen. Sie sollten aus Bundesmitteln gezahlt werden.

Möglich gemacht wurde das bereits in Berlin, wo einmalig 5000 Euro zum Lebensunterhalt gezahlt wurden. In Bayern wurden in der Corona-Krise 1000 Euro an ansässige Künstler gezahlt.

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