Bochum. Bollerwagentouren, Grillgelage, Feiertagsparty – all das passt nicht zur Coronabekämpfung. Und so feierte kaum jemand feierte diesen Vatertag.
Lautstark grölende Ansammlungen von Männern, welche mit Bollerwagen und biergeschwänger-tem Atem durch Parks und Naherholungsgebiete ziehen, bewaffnet mit mehr Alkohol als sie jemals trinken können, Grill und Bratwurst im Gepäck und die Boombox plärrt den Schlager-Soundtrack – so kennen (und lieben) wir ihn: den Vatertag; dem ein oder anderen vielleicht besser als Herrentag oder Männertag bekannt. Alljährlich an Christi Himmelfahrt begangen, stellt dieser Feiertag für viele Männer eines der Highlights des schon vom Sommer durchdrungenen Frühlings dar.
Nur mäßiger Betrieb
Da hierbei jedoch Unmengen an Schweiß und Spucke durch die Lüfte sprühen und Mindestabstände unter Freunden so wenig zum Feiern und steigendem Alkoholkonsum gehören wie Mundschutz und Desinfektionsmittel, war in diesem Jahr, im Corona-Zeitalter, an den klassischen Vatertag kaum zu denken. Oder?
Bochum, Innenstadt: Die Plätze und Passagen waren mäßig belebt, es herrschte eine beinahe be-sinnliche Stille. Nur wenige Menschen waren unterwegs, breit gestreut, mit viel Abstand, der Mundschutz immer anbei und griffbereit. Der Kuhhirte, völlig frei, ohne umstehende Passanten, beobachtete die gemütlich Umherziehenden. Die Stadt wirkte verschlafen und ruhig, trotz Sonnen-wetter kaum Sommerstimmung.
Ein wenig Leben im Stadtpark
Bochum, Stadtpark: Deutlich voller als in der Innenstadt, waren hier mehr Menschen anzutreffen – Familien auf einem Spaziergang, Pärchen auf einer Radtour, Erholungswütige und Picknickbegeisterte mit Decken auf den Wiesen. Man war natürlich umsichtig, hielt den nötigen Abstand. „Ich habe das Gefühl, dass die meisten Menschen sich an die Vorgaben halten“, erzählte eine Passantin, die mit ihren Kindern eine kleine Runde durch den Park drehte, „Betrunkene oder Bollerwagen habe ich hier heute noch nicht gesehen.“
Schlager am Ümminger See
Bochum, Ümminger See: Normalerweise ein Hotspot der Vatertagsfeiernden, lag auch der See überschaubar und ruhig im Sommersonnenwetter da. Auch hier das gleiche Bild: vergleichsweise wenig Menschen waren unterwegs, die meisten dieser Wenigen: Familien mit Kindern, junge Pärchen, Freizeitsportler. Kinderstimmen sirrten durch die Luft, Enten gackerten, Musik erklang. Musik? Ja, eindeutig. Schlager. Und dann näherte sich doch tatsächlich ein Bollerwagen, dieses heuer so seltene Gefährt, vier Menschen um ihn herum, Bierflaschen in den Händen. Hier wurde Vatertag gefeiert, ganz eindeutig, ganz klassisch und vor allem: ganz regelkonform. „Wir halten uns selbstverständlich an die Vorschriften“, erzählte Roland Günther, der Älteste in der Runde, „Wir sind nur zu viert unterwegs und kommen aus lediglich zwei Haushalten.“
Bollerwagen als Anspielung auf Apostelprozession
Nicht ohne Grund wird der Vatertag stets zusammen mit der Himmelfahrt Christi gefeiert, weist ersterer doch, zumindest laut einer der zahlreichen Theorien zu selbigem, in seiner modernen Ausprägung Parallelen zum religiösen Kontext auf.
Die Bollerwagentouren (oder auch die Wanderungen und Radtouren) sollen Bezug nehmen auf die Apostelprozession der Jünger Jesu auf dem Rückweg zum Ölberg. Nicht selten werden dabei auch die Wagen oder Fahrräder mit Flieder geschmückt.
Auch wenn der Vatertag seinen vermeintlich Inhalt und Bezug aus dem religiösen Kontext der Himmelfahrt gewinnt, stammt er in seiner heutigen Form hingegen eigentlich aus den USA, wo er 1910 von Sonora Louisa Dodd in dankbarer Erinnerung an ihren Vater als allgemeinen Ehrentag der Väter ins Leben gerufen wurde
Natürlich hätten auch alle eine Mund-Nasen-Maske dabei, ergänzte sein bester Freund Benjamin Todorovic das Gesagte und präsentierte stolz seine eigene Mundbedeckung, bestehend aus kariertem Stoff. Günther, der neben Todorovic noch von seinen Kindern Cynthia und Timo begleitet wurde, erzählte weiter: „Natürlich passen wir auf, die Regeln sind ja wichtig und richtig. Wir möchten nur einen wenig Spaß haben aber niemanden potenziell anstecken. Die Leute sollen gesund bleiben.“
Bollerwagen mit lauter Musik
Eifriges Kopfnicken der drei anderen. Mit ihrem sich durch laute Musik ankündigen Bollerwagen standen die Günthers und Todorovic am Vatertag 2020 dabei aber ganz allein auf weiter Flur, beinahe exotisch muteten sie an. Komische oder abfällige Blicke ernteten sie aber nicht. Ganz im Gegenteil: „Den Leuten gefällt’s“, berichtete Todorovic zufrieden, „Alle lächeln uns an oder zeigen uns einen erhobenen Daumen; Corona und Vatertag: Das geht schon irgendwie zusammen, wie man sieht.“ Und während die vier Feiernden weiterzogen, die Musik aus der Boombox langsam leiser wurde und der Bollerwagen um die nächste Wegbiegung verschwand, senkte sich wieder Ruhe über den See und der wohl ungewöhnlichste Vatertag der Geschichte ging weiter seinen stillen Lauf.
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