Bochum. Bochums OB hat rund 60.000 Senioren einen Brief geschrieben. Sie sollten in der Krise auf sich acht geben. Die CDU sieht das Amt missbraucht.
„Passen Sie gut auf sich auf! Passen Sie auf Bochum auf! Bleiben Sie gesund!“ So endet ein Brief von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD), der am Montag von der Stadtverwaltung an rund 60.000 ältere Menschen verschickt wurde. Die CDU sieht darin eine unlautere Aktion des OB-Kandidaten von SPD und Grünen.
Intention für den Brief sei eine gewisse Sorglosigkeit, die er in Teilen der Bevölkerung wahrnehme, sagte Eiskirch in einem Gespräch mit der WAZ. Daher sei es geboten gewesen, den Menschen zu danken für die Disziplin bislang und sie aufzurufen, weiterhin auf sich acht zu geben.
„Wahlkampf!“ CDU in Bochum kritisiert Brief des Oberbürgermeisters an Senioren
Der OB schreibt: „Es bleibt dabei, dass wir unsere sozialen Kontakte weiterhin einschränken sollten. Das ist schwer zu ertragen. Glauben Sie mir, ich weiß das. Großeltern, die ihre Enkel nicht in die Arme schließen können, kranke Angehörige ohne Besuche sowie Geburtstage ohne Freundinnen und Freunde - das alles ist schwer auszuhalten.“ Es bleibe aber wichtig, dass jeder Einzelne weiter auf sich acht gebe. Das Coronavirus sei nicht besiegt, so der 49-Jährige.
WAZ-Leser reagieren gespalten. „Ich danke für Ihren persönlichen Brief, in dem Sie berichten, dass Sie in Verbindung mit der Stadt Bochum vorausschauend sich der Corona-Situation angenommen haben. Da ich der lebensälteren Risikogruppe angehöre, möchte ich mich für Ihre Fürsorge herzlich bedanken!“, heißt es in einer Mail, die in Kopie an die Redaktion ging.
WAZ-Leser reagieren gespalten auf die Post aus dem Rathaus
„Das mir per Post zugegangene Schreiben des Bochumer Oberbürgermeisters hat mich zu der Frage gebracht, ob es sich hier um eine Wahlwerbung handelt, die offensichtlich in der Verwaltung geschrieben, gedruckt und frankiert worden ist. Wäre dieses Geld nicht nachhaltiger, beispielsweise, in die sanitären Anlagen der Bochumer Schulen investiert worden?“, fragt sich indes ein anderer Leser.
Auch Plakatkampagne der Stadt wirbt mit OB
„Hier wo das WIR noch zählt“ heißt eine Kampagne der Stadt Bochum, die mit einem Zehn-Punkte-Programm und zwei Millionen Euro Gastronomie und Handel stärken will. Zu der Aktion gehören auch Plakate, die den Oberbürgermeister prominent zeigen.
Die Präsenz des Stadtoberhauptes sei wichtig für das Gelingen der Kampagne, heißt es seitens der Stadt. Neben Eiskirch sind vier prominente Größen Bochums zu sehen u.a. Hugo Fiege und Putzfrau Walli.
471 Plakate wurden gedruckt, 20 Prozent zeigen den Oberbürgermeister. Die Kosten gibt die Stadt mit 16.500 Euro an. Hinzu kommen 5000 Euro für Werbung auf Fahrzeugen mit den gleichen Konterfeis.
Die CDU als größte Oppositionspartei kritisiert das Schreiben scharf. „Leider habe ich keine für mich neuen Informationen in diesem Brief gefunden. Vielmehr ist bei mir der Eindruck entstanden, dass der Oberbürgermeister wenige Wochen vor dem Versand der Wahlbenachrichtigungen für den 13. September die Corona-Pandemie zum Anlass genommen hat, für sich eine aufwendige PR-Aktion in eigener Sache zu starten“, sagt Fraktions-Vize Roland Mitschke. Die Aktion erwecke den Eindruck „einer steuerfinanzierten Wahlkampfkampagne“. Im Klartext: Amtsmissbrauch.
Serienbrief der Stadtverwaltung kostet 60.000 Euro
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Mit rund 60.000 Euro bezifferte ein Stadtsprecher auf Anfrage der WAZ die Kosten für den Rundbrief, der an 59.240 Über-70-Jährige verschickt worden sei. „87 Prozent der Corona-Toten kommen aus dieser Altersklasse“, heißt es zur Begründung. Und: Auch andere Bürgermeister hätten ihren Mitbürgern in der Corona-Krise geschrieben. Zum Beispiel der Essener Thomas Kufen.
„In der Bezirksvertretung streiten wir mitunter über 5000 Euro und hier investiert die Stadt in ein nichtssagendes Schreiben“, kritisiert Mitschke. „Die Botschaft lautet doch lediglich: Ich bin Thomas, der gute Mensch in Bochum. Das Geld wäre besser in Kitas, Schulen oder Lehrschwimmbecken investiert worden.“
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