Bochum. Der neue Netzplan der Bogestra kommt bei den Älteren im Bochumer Süden nicht gut an. Ob zum Einkaufen oder in die Stadt: alles sei schwieriger.
Der große Fahrplanwechsel der Bogestra, der seit Mitte Dezember für viele Veränderungen bei den Bus- und Bahnlinien sorgt, kommt nicht überall gut an. Jüngstes Beispiel: Stiepel-Dorf. Am südlichsten Zipfel der Stadt, idyllisch direkt an der Ruhr gelegen, gibt es einige Anwohner, die vom „Netz 2020“ wenig halten.
„Die als kundenfreundlich angekündigte Reform des Streckennetzes hat sich für meinen Mann und mich als Katastrophe erwiesen“, sagt WAZ-Leserin Irmgard Petsch. „Statt wie früher einmal stündlich von der Dorfkirche aus den Hauptbahnhof und die Innenstadt direkt erreichen zu können, haben wir nun zweimal stündlich die Möglichkeit, nach Lütgendortmund zu gelangen“, erzählt sie frustriert. „Warum auch immer.“
So wie Irmgard Petsch äußern einige insbesondere ältere Stiepeler, die im Umkreis der Dorfkirche wohnen, ihren Unmut über den neuen Bogestra-Plan. „Unser Ortsteil ist dadurch völlig abgehängt“, meint etwa Dagmar Kirchhof. „Der neue Netzplan hat nur das Ziel, die Ruhr-Uni besser zu erreichen“, sagt Gabriele Dufhues. „Dabei haben die Studenten doch fast alle ein Auto.“
Selber fahren die meisten von ihnen kein Auto mehr, einige sind gehbehindert, wenig mobil und stehen jetzt vor dem Problem, sämtliche Einkäufe und Besorgungen mit dem Bus bis hinunter ins Stiepeler Dorf karren zu müssen, wo es schon seit Jahrzehnten keine eigene Nahversorgung mehr gibt. Und das stellt manche von ihnen vor echte Hürden. Sie nennen einige Beispiele:
1. Die Fahrt ins Stiepeler Zentrum
Das kleine Geschäftszentrum an der Kemnader Straße mitsamt Ärztehaus, Apotheke, Bäcker und dem Lebensmittelmarkt Rewe ist nur mit einem Umstieg zu erreichen. Von der Dorfkirche fährt die neue Linie 370 bis zur Haarholzer Straße. Von dort aus muss man entweder laufen oder in den 350er umsteigen, der eine Haltestelle weiter bis zur Ministerstraße fährt. „Zu Fuß ist der Weg für viele zu weit“, sagt Heinz Dufhues, „gerade wenn man schwere Einkaufstaschen schleppen muss.“
2. Die Ochsentour zum nächsten Discounter
Weit abenteuerlicher gestaltet sich die Fahrt zum Aldi an der Markstraße. „Früher hielt der 356 fast direkt vor der Tür. Jetzt fahren wir mit dem 370 erst zur Uni, wo wir dann in die U35 umsteigen“, erzählt Irmgard Petsch. Dies bedeutet: raus aus dem Bus, rein in den Fahrstuhl, einmal über die Unibrücke, rein in den nächsten Fahrstuhl, dann in die U-Bahn. „Für meinen Mann, der schwer gehbehindert ist, ist das kaum zu schaffen“, sagt sie. Ebenso schwierig zu erreichen seien die Zentren in Weitmar-Mark und Wiemelhausen.
3. Der Weg in die City
Um zum Hauptbahnhof zu gelangen, stand den Senioren früher die Linie 356 zur Verfügung, die von der Dorfkirche direkt dorthin fuhr. „Das dauerte zwar eine Weile, aber wir haben ja Zeit genug“, meint Dagmar Kirchhof. Seit dem Wegfall muss auch hier umgestiegen werden: von dem 370er etwa an der Haarholzer Straße in den 350er. Ein Nachteil: „Der Anschluss ist extrem knapp“, sagt Gabriele Dufhues. „Wenn man den verpasst, muss man warten.“ So sei es weitaus schwieriger geworden, etwa die Knappschaft, das Finanzamt oder das Bergmannsheil zu erreichen. „Dass auch wir, die am Rande der Stadt leben, wichtige Ziele in der Innenstadt haben, ist bei den Planungen des Netzes völlig unberücksichtigt geblieben“, beklagt Irmgard Petsch.
Info: Das sagt die Bogestra
Auf Nachfrage verteidigt Bogestra-Sprecher Christoph Kollmann das neue Streckennetz: „Im Nahverkehrsplan ist Stiepel nicht abgehängt“, stellt er fest. „Mit der 370 und der 350 gibt es gute Linien, die seit dem Start des Netzes 2020 sogar häufiger unterwegs sind als vorher.“ Die Linie 350 diene etwa als „komfortable Verbindung“ zwischen Hattinger und der Innenstadt: „Sie bringt die Fahrgäste auch zu Institutionen wie dem Schauspielhaus und zu Einkaufs- und Versorgungseinrichtungen.“
Dass die Ruhr-Uni durch das neue Streckennetz besser angebunden werde als vorher, sei ein wichtiger Teil des neuen Plans, so Kollmann. „Das war eines unserer Hauptziele."
Derzeit würden zahlreiche Anregungen für eine Optimierung des neuen Streckennetzes bei der Bogestra gesammelt. „Diese werden wir analysieren, bewerten und dann entscheiden, ob perspektivisch Anpassungen vorgenommen werden“, so Kollmann. Schnelle Änderungen seien allerdings nicht zu erwarten.