Bochum-Gerthe. Die Schule am Norrenberg in BochumGerthe wurde vor knapp 150 Jahren gebaut, nun muss das historische Gebäude neuen Wohnbebauungen weichen.

Schutt wird aus dem Fenster geworfen, große Bagger fahren über das Gelände, laute Maschinenmotoren dröhnen. Wo heute Bagger und Vorschlaghammer am Werk sind, gingen vor knapp 150 Jahren erstmals Gerther Schulkinder zum Unterricht. Ein letztes Mal laden die alten Mauern zum Fantasieren ein: Wie mag der Schulalltag damals ausgesehen haben?

1905 zog die Schule um

Die Schule am Norrenberg befand sich an der Ecke Am Südblick/Am Norrenberge.

Auch die zweite Schule am Norrenberg wurde schnell zu klein: Im Jahr 1897 erreichte sie eine Gesamtzahl von 280 Schülern. Im Jahr 1905 zogen die Schüler an die heutige Klüsenerstraße um – der Standort musste wegen Zechenabgasen aber wieder aufgegeben werden.

1908 wurde das neue Zentralschulsystem an der Heinrichstraße vollendet, wo Kinder in acht Klassen von 5 Lehrern und drei Lehrerinnen unterrichtet wurden.

Historische Aufnahmen zeigen jedenfalls, wie die sechs- bis 14-jährigen Schüler damals gekleidet waren: Röcke und Kleider für die Mädchen, kurze Trägerhosen mit Kniestrümpfen für die Jungen. Der Gerther Klaus-Dieter Gesk fühlt sich der Schule besonders verbunden: „Meine Oma Emilie ist in diese Schule gegangen und hat mir davon erzählt“, so Gesk. Der Schulbesuch in Gerthe war für die Schüler, hauptsächlich Bauernkinder, etwas ganz Besonderes: Erst kurz zuvor war Gerthe eine selbstständige Gemeinde geworden. „Die Zeit des Bergbaus begann und viele Arbeiter aus Ostpreußen und Polen zogen hinzu, sodass eine Schule benötigt wurde“ erklärt Gesk. Als Gerthe zuvor noch zum Kirchspiel Harpen gehörte, besuchten die Kinder die Schule der dortigen Pfarrei - ein deutlich weiterer Fußmarsch.

Nutzung zu Wohnzwecken seit 1891

Heutige Schulkinder würden die damaligen Räumlichkeiten der Norrenbergschule in Gerthe wohl kaum als Klassenräume identifizieren: Einzig und allein eine Landkarte, ein Tafelbild und ein ausgestopfter Fuchs gehörten zu den schuleigenen Unterrichtsmitteln. Die Wand zierten Kruzifix und ein Bild von Kaiser Wilhelm. Auch an Zentralheizungen war noch nicht zu denken, Wärme lieferte ein Kohleofen.

Wie viel die Familien in den heutigen Tagen für die frei stehenden Ein- bis Zweifamilienhäuser und Doppelhäuser, die auf der Fläche geplant sind, werden zahlen müssen, kann lässt sich nur spekulieren. 1871 kaufte die Gemeinde das Grundstück jedenfalls für 1260 Thaler, das Schulgebäude kostete 5400 Thaler. 1872 wurde die Schule schließlich eingeweiht, nur ein einziger Lehrer war mit der Beschulung von 74 Kindern befasst – Karl Enke.

Die Bagger sind angerückt: Die erste Schule in Gerthe am Norrenberg ist bald Geschichte.
Die Bagger sind angerückt: Die erste Schule in Gerthe am Norrenberg ist bald Geschichte. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Die Schülerzahl stieg in den nächsten Jahren, eine zweite Klasse wurde eingeführt. 1891 schließlich muss sogar eine zweite Schule auf dem Norrenberg mit vier Klassen gebaut werden. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde die alte Schule zu Wohnzwecken verwendet. Als die Stadt im April 2018 den Abriss der Gebäude beschloss, war die Schule somit schon lange nicht mehr in Betrieb.

Schule war „Lost Place“ geworden

Vielmehr war sie zum sogenannten Lost Place geworden – einem verlassenen Ort mit vernagelten Fenstern. Dabei erfolgt der Abbruch ein halbes Jahr später als geplant – anvisiert waren bereits April oder Oktober 2019. Neben der Wohnbebauung ist auch eine private Erschließungsstraße geplant, welche später an die Erwerber der Baugrundstücke mit veräußert wird.

„Aktuell können wir noch keine Aussage dazu treffen, wann wir mit dem Bau der Erschließungsstraße beginnen werden und wann die Grundstücke veräußert werden können“, informiert die Stadt Bochum. Klaus-Dieter Gesk hätte sich eine andere Nutzung als die Wohnbebauung gewünscht: „Ein Wanderparkplatz wäre toll gewesen. Denn man ist direkt zwischen Bochum, Dortmund, Castrop und Herne.“ Wenn schon dieser Wunsch nicht in Erfüllung geht, dann vielleicht ein anderer: „Es wäre schön, wenn die Erinnerung an die Schule am Norrenberg nicht ganz verloren geht“, sagt Gesk.