Bochum. Der erste Tag nach der Coronapause ist in Bochumer Schulen alles andere als alltäglich. Lehrer müssen viel auf verunsicherte Kinder eingehen.
So ruhig hat Schulleiter Kristian Reichstein seine Schüler noch nicht erlebt. Die Flure der Heinrich-Böll-Gesamtschule sind leer, aus den offenen, permanent durchlüfteten Klassenräumen ist kein Getuschel zu hören. Am ersten Schultag nach der Coronapause muss vielen Bochumer Schülern erst mal die Verunsicherung genommen werden.
„Ich fühle mich gut: Es ist endlich mal wieder was los“, sagt Schulleiter Reichstein, „aber aufgrund der Abstandregeln herrscht hier eine Totenstille in den Klassenräumen.“ Seine Kollegin Monika Simon ergänzt „total furchtbar“, da läuft eine 10-Klässlerin entgegen der ausgewiesenen Laufwege auf den Ausgang zu. „Ich muss nur schnell mein Fahrrad holen“, ruft die Schülerin. „Na ausnahmsweise“, entgegnet Lehrerin Monika Simon.
Ruhig, maskiert und mit großem Abstand zueinander sitzen die Schüler in ihren Klassen
Schüler wie Lehrer, mal mit mal ohne Maske, müssen sich an den neuen Corona-Schulbetrieb in der Heinrich-Böll-Gesamtschule noch gewöhnen. Maximal zu zehnt in einem Raum und verteilt auf drei Etagen werden 102 Abiturienten bei ihrer letzten Vorabi-Klausur und 165 Schüler der zehnten Jahrgangsstufe in ihren Klassen betreut. Das Kollegium der Gesamtschule kommt damit schon fast an die Kapazitätsgrenze, denn Schulleiter Reichstein kann für den Präsenzunterricht aktuell nur 60 Prozent seiner Lehrkräfte einsetzen. „Dass die Schulen nur drei Tage zur Verfügung hatten, die Vorgaben umzusetzen, und sogar gestern noch hygienische Vorgaben kamen – das macht es anstrengend.“
Die sechs Klassen der Stufe 10 werden gedrittelt unterrichtet: jede Gruppe täglich für zwei Stunden in den Hauptfächern Mathematik, Deutsch und Englisch. Nach jeder Stunde wischen Reinigungskräfte alle Tische, Stühle und Kontaktflächen ab. Die Lehrer notieren sich, wer an welchem Platz saß. Trotz des großen Abstands zwischen einander freuen sich die Schüler, wieder in Gemeinschaft lernen zu können.
Viele Schüler der 10. Klasse der Heinrich-Böll-Gesamtschule in Bochum sind verunsichert
„Alle fragen: ,Müssen wir jetzt nur noch in der 10-Mann-Gruppe Unterricht machen?'“, berichten die beiden Klassenlehrer der 10/4. Die Schüler hätten sich in den Wochen der Coronapause an die Abstandsregeln gehalten und würden nun alle Klassenkameraden sehr vermissen. Neben dem Feedback der Lehrer fehle auch die Zusammenarbeit mit den Mitschülern im Homeoffice.
„Viele Zehntklässler sind ja eigentlich in einer Phase, in der sie versuchen, so wenig wie möglich zu Hause zu sein“, sagt Klassenlehrer Benjamin Kramm, „durch die Coronapause werden sie jetzt wochenlang in die Familien geworfen.“ In den ersten Schulstunden sollen die vielen Fragen der Schüler geklärt werden und die Hygieneregeln aufgefrischt werden. „Einige Schüler sind auch gestresst, weil sie Angst haben, krank zu werden“, berichtet Klassenlehrer Kramm, „die Verunsicherung ist stark.“
„Hier haben wir eine ablenkungsfreie Atmosphäre“
Schüler Yessin Mansi ist froh, mit wenigen Schülern pro Raum und Mindestabstand unterrichtet zu werden. „Ich bin motivierter und kann mich so viel besser konzentrieren als mit der ganzen Klasse“, sagt Yessin, „es ist aber auch besser als Zuhause: Hier haben wir eine ablenkungsfreie Atmosphäre.“ An seinem ersten Tag nach der Coronapause ist der 16-Jährige erleichtert, dass sich viele aufgestaute Fragen klären: „Es stehen so viele Sachen in der Zeitung und im Internet. Es ist Nerven beruhigend, dass wir hier jetzt sichere Antworten bekommen.“
Mit dem Ausfall der Zentralen Prüfung, die 50 Prozent seines Abschlusses ausmacht, habe er kein Problem. „Für mich ist das ganz gut, weil meine letzte Halbjahresnoten ziemlich gut waren. Aber für jemanden, der seine Oberstufenqualifikation verlieren könnte, ist das schwierig.“ An der Heinrich-Böll-Gesamtschule soll eine Klassenarbeit für die 10. Klassen die ausgefallene Abschlussprüfung ersetzen. Welchen Anteil diese Prüfung für Yessins Abschlussnote hat, können ihm seine Lehrer noch nicht beantworten.
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