Bochum. Erstmals nach mehr als vier Wochen haben viele Geschäften in Bochum wieder geöffnet. Das Interesse der Kunden am Einkauf ist da – aber verhalten.

Mit einer Mischung aus Neugierde und Reserviertheit haben die Menschen auf die Öffnung großer Teile der Einzelhandelsgeschäfte in Bochum reagiert. Auf der Kortumstraße in der Innenstadt pilgerten von 10 Uhr an so viele Passanten wie schon lange nicht mehr. Von einem Ansturm auf die Läden nach dem mehr als vierwöchigen Shutdown kann aber keine Rede sein.

Endlich wieder in der Stadt flanieren. Shqipe Tahiri freut sich über die Öffnung vieler Läden. Aber sie mahnt:. „Alle müssen sich an die Regeln halten.“
Endlich wieder in der Stadt flanieren. Shqipe Tahiri freut sich über die Öffnung vieler Läden. Aber sie mahnt:. „Alle müssen sich an die Regeln halten.“ © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

„Endlich wieder in die Stadt.“ Shqipe Tahiri hat die erste Gelegenheit zum Flanieren und Einkaufen genutzt. Gemeinsam mit ihrer Mutter schlendert sie am Morgen durch die Innenstadt. „Wir vermissen die Gesichter, die Begegnungen draußen. Es muss endlich wieder los gehen“, so die Krankenschwester. Man müsse doch auch an die Geschäftsleute, die Gastronomie und die vielen Arbeitsplätze denken. Angst vor Ansteckung habe sie nicht. „Wenn sich alle an die Regeln halten, dann gelingt es auch, wieder zu einem echten öffentlichen Leben zu kommen.“ Davon ist sie überzeugt.

Alle Mitarbeiter tragen einen Mundschutz

Auf einem Schild am Eingang bittet das Schuhhaus Deichmann die Kunden, auf Abstand zu anderen Menschen zu bleiben.
Auf einem Schild am Eingang bittet das Schuhhaus Deichmann die Kunden, auf Abstand zu anderen Menschen zu bleiben. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

So wie sie denken offenbar etliche Bochumerinnen und Bochumer. Kurz vor zehn, als die Läden öffnen, füllt es sich merklich auf der Kortumstraße. „Wir hatten schon seit acht Uhr immer wieder Anrufe von Kunden, die wissen wollten, ob wir öffnen“, sagt Katharina Süßengut, Filialleiterin des Schuhhauses Deichmann. Die meisten der 55 Chips, von denen Kunden beim Betreten des Ladens je einen erhalten, um so die maximal zulässige Kundenzahl zu ermitteln, sind ausgegeben. Abstandhalter, Desinfektionsmittel, jeder Beschäftigte trägt einen Mundschutz. Das Schuhhaus sieht sich gut gewappnet für den Verkauf unter besonderen Sicherheits- und Hygieneanforderungen.

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Das gilt nebenan auch für die Mayersche Buchhandlung. „Wir sind froh endlich wieder öffnen zu dürfen“, sagt Filialleiterin Feray Zirkel. Der Umsatzeinbruch in den vergangenen vier Wochen sei massiv gewesen. Der Onlinehandel und auch das gut genutzte Abholfenster am Eingangsbereich hätten die sonst üblichen Umsätze bei weitem nicht kompensieren können.

270 Kunden dürfen gleichzeitig die Mayersche besuchen

Schäfer spricht sich für Masken-Pflicht aus

Einer der ersten Kunden am Montagmorgen war Axel Schäfer (SPD). „Ich war erst in der Buchhandlung Janssen und haben mir danach bei Baltz Turnschuhe gekauft“, sagt der Bundestagsabgeordnete. Auch er unterstützt den lokalen Handel.

Ausgestattet war er mit einer Gesichtsmaske. Er plädiert für eine Maskenpflicht. „So lange es noch kein Medikament gegen das Coronavirus gibt, schützt uns am besten der Dreiklang von Abstand, Hände waschen und Maske“, so Schäfer. Im übrigen: „Es heißt doch immer wir Deutsche seien Bedenkenträger, warum sollen wir nicht auch Maskenträger sein.“

280 Personen dürfen gleichzeitig das Geschäft betreten – eine Person je zehn Quadratmeter Geschäftsfläche. Abzüglich der zehn Beschäftigten, der Laden läuft derzeit mit deutlich reduzierter Belegschaft und zunächst auch nur jeden Tag von 10 bis 17 Uhr, dürfen sich also 270 Kunden gleichzeitig bei der Mayersche aufhalten. Gezählt werden an der Tür alle ein- und ausgehenden Personen. Dass der Buchladen trotz der Größe von mehr als 800 Quadratmetern öffnen darf, andere Händler wie Saturn oder Baltz aber nicht, erklärt sich Feray Zirkel mit der besonderen Bedeutung von Büchern. „Die Menschen brauchen nicht nur Lebensmittel, sondern auch Nahrung für den Kopf.“

Tische raus Zwei Mitarbeiterinnen der Mayerschen Buchhandlung schieben Verkaufsstände in die Fußgängerzone.
Tische raus Zwei Mitarbeiterinnen der Mayerschen Buchhandlung schieben Verkaufsstände in die Fußgängerzone. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Verständnis für die Öffnung der Läden hat eine Passantin, die mit Kind und Kinderwagen vor der Drehscheibe steht. Sie sagt aber auch: „Ich bin zwiegespalten.“ Die Lockerung der Shutdown berge Risiken. „Ich bin unbedingt dafür dass jeder einen Mundschutz trägt – auch um zu zeigen, in welcher Ausnahmesituation wir uns befinden.“ Jetzt komme es darauf an, dass sich die Menschen weiter an die Regeln halten. „In 14 Tagen wissen wir mehr.“

Baltz fordert Gleichbehandlung

Während das Modehaus Baltz ebenso wie der Elektromarkt Saturn, C&A, TK Maxx und andere Einzelhändler mit einer Verkaufsfläche, die größer ist als 800 Quadratmeter, weiter geschlossen bleiben, kann Andor Baltz immerhin sein Sportgeschäft am Boulevard öffnen. Er hofft auf eine möglichst schnelle Normalisierung. So sehr der Onlinehandel bei Baltz gegenüber der Zeit vor Corona auch zugenommen habe. „Unseren stationären Handel kann das nicht ersetzen“, so der Inhaber des alteingesessenen Modegeschäfts.

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Der Cut bei 800 Quadratmeter ist aus seiner Sicht „nicht nachvollziehbar. Das ist vollkommen ungerecht.“ Zumal in anderen Bundesländern wie etwa in Rheinland-Pfalz große Geschäfte durch das Absperren von Teilbereichen eine Öffnungserlaubnis erhalten haben. Dies habe er NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) auch in einem Schreiben mitgeteilt.

Auch der Chef trägt die Gesichtsmaske

Baltz hofft nun auf die nächste Kabinettssitzung am Mittwoch. Vorbereitet sei das Haus, auch wenn etwa 90 Prozent der 300 Beschäftigten momentan in der Kurzarbeit seien. An einer zentralen Stelle des Bekleidungshauses würde auf 800 Quadratmetern ein Querschnitt des gesamten Angebots bereit gehalten. „Ein Hygienekonzept haben wir schon wie hier zu sehen ist“, sagt der Geschäftsmann und zeigt auf die Verkaufsfläche in seinem Sporthaus. Hinweisschilder, Desinfektionsmittel und Mitarbeiter mit Masken vor dem Gesicht gehören dazu. Auch der Chef trägt eine Gesichtsmaske und nimmt sie beim Gespräch nicht ab. „Wir wollen Vorbild sein“, so Andor Baltz.

Willkommen im Sporthaus. Inhaber Andor Baltz würde gerne bald auch sein Modegeschäft öffnen. 90 Prozent der 300 Mitarbeiter sind in der Kurzarbeit.
Willkommen im Sporthaus. Inhaber Andor Baltz würde gerne bald auch sein Modegeschäft öffnen. 90 Prozent der 300 Mitarbeiter sind in der Kurzarbeit. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Der im übrigen eine Marketingstrategie für die gesamte Stadt fordert und außerdem Hilfsmaßnahmen von der Stadt erwartet. „Besucher der Innenstadt müssten zum Beispiel vier Stunden lang kostenfrei parken können, Geschäftsleute von Sondergebühren befreit werden.“ Die Belastungen für Handel und Gastronomie seien derzeit immens. „Baltz wird daran nicht zugrunde gehen. Wir haben zwei Weltkriege überlebt und werden auch die Corona-Krise überleben.“ Aber um die Innenstadt mache er sich große Sorgen.

Viele freie Parkplätze im Ruhrpark

Einige Kilometer weiter östlich kämpfen auch die Geschäfte im Ruhrpark ums Überleben. Die Großen sind allesamt noch geschlossen: Sinn, Zara, H&M, C&A, Karstadt, Baltz, Media Markt ebenso wie die gastronomischen Betriebe an der Via Bartolo. Aber auch kleinere Läden wie Seidensticker, Desigual, Nici, Dosmil, Swarowski, Levis, Picture People und der VfL-Show haben noch nicht geöffnet.

Überschaubar war die Kundenresonanz im Ruhrpark am späten Montagvormittag. Allerdings haben zahlreiche Geschäfte auch noch nicht geöffnet.
Überschaubar war die Kundenresonanz im Ruhrpark am späten Montagvormittag. Allerdings haben zahlreiche Geschäfte auch noch nicht geöffnet. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Es ist zwar wieder Leben im Ruhrpark, zahlreiche Menschen flanieren vor den Geschäften. „Aber irgendwie ist es auch gespenstisch“, sagt Sarah. „Sonst ist hier die Hölle los.“Jetzt gibt es ein bestenfalls beschauliches Treiben. Die 30-Jährige hat als eine der wenigen Passanten große Einkaufstüten bei sich. Sie habe mit dem Einkauf extra gewartet, bis die Geschäfte wieder öffnen und nicht im Onlinehandel bestellt. „Auch wenn mir das schwer gefallen ist.“ Sie wolle unbedingt den lokalen Handel fördern. Eine Haltung, auf die Bochums Geschäftswelt setzt und von der das Überleben wohl nicht weniger Läden abhängt.