Bochum-Laer. „Die Belastung ist grenzwertig“, sagt Walter Wolf. Der Alltag des Apothekers aus Bochum-Laer und seinem Team hat sich dramatisch verändert.
Normalerweise hat die Glückauf-Apotheke in Bochum-Laer durchgehend geöffnet. Jetzt gibt es am Mittag eine einstündige Unterbrechung. Damit das Ladenlokal desinfiziert werden kann. Gearbeitet wird in zwei Teams. Jetzt, am Mittag, ist Schichtwechsel. Die Übergabe findet draußen, unter freiem Himmel, statt. Normal ist nichts mehr in diesen Zeiten der Corona-Pandemie. Vor allem nicht in den „systemrelevanten“ Berufen, wie es so schön heißt. Apotheker zählen dazu.
Corona: Apotheker sind an der Belastungsgrenze angelangt
Ohne sie würde das System zusammenbrechen. Entsprechend hoch ist der Druck, wie Walter Wolf von der Glückauf-Apotheke im Gespräch mit der WAZ schildert – stellvertretend für seine vielen Kolleginnen und Kollegen, denen es genauso geht. „Die Belastung ist wirklich grenzwertig“, sagt der 59-Jährige, der durch sein Alter selbst zur Risikogruppe zählt.
Gesund zu bleiben, ist für Walter Wolf und sein Team aktuell mit am wichtigsten. Dabei denkt der Apotheker am wenigsten an sich selbst. „Wenn sich von uns einer infiziert, kommen wir alle in Quarantäne.“ Heißt: dann ist die Apotheke dicht. Und all die Patienten in Laer sind unversorgt.
„Von daher treffen wir alle Schutzmaßnahmen, die möglich sind“, sagt Walter Wolf. An den Verkaufstresen sind Glaswände montiert worden. Der Hygieneplan wurde überarbeitet, der Desinfektionsplan ebenso. Ein- und Ausgang wurden getrennt. Draußen vor der Apotheke müssen die Kunden Abstand von einander halten. Innen sowieso.
Die Anspannung sei hoch, schildert Walter Wolf die derzeitige Situation. Sie macht ihm sehr zu schaffen. Der Apotheker, sonst ein sehr ruhiger, besonnener Typ, wirkt angefasst, besorgt. Was nicht nur an dem Coronavirus liegt, für das es ja noch immer keinen Impfstoff gibt. Auch die Versorgungslage bereitet Wolf Kopfzerbrechen.
Hamsterkäufe finden auch in Apotheken statt
Denn nicht nur in den Supermärkten sind Hamsterkäufe aktuell weit verbreitet. Bei Arzneimitteln sei die Lage nicht anders, berichtet Walter Wolf. „Alle Medikamente, von denen man hört, sie könnten gegen das Coronavirus eventuell helfen, sind schlagartig weg.“ Nachschub zu bekommen, sei äußerst schwierig. Auch wer Desinfektionsmittel, Schutzmasken und Impfungen möchte – „keine Chance“, sagt Wolf. „Jemand aus der Arzneimittelbranche hat mir erzählt, er habe an einem Tag so viel an Desinfektionsmittel verkauft wie sonst in einem ganze Jahr.“ Kontaktlose Fiebermessgeräte seien derzeit ebenfalls nicht zu bekommen. „Wohl erst im Mai wieder.“
Er selbst habe für sich und sein Team Schutzmasken über den Großhandel nicht bekommen können. Wolf musste ins Internet gehen und hat dort welche zu völlig überteuerten Preisen erhalten. Für 20 Euro – pro Stück, wohlgemerkt. „Die sind nichts Besonderes und kosten sonst keine zwei Euro“, schüttelt Wolf angesichts diese Wuchers mit dem Kopf. Aber ihm bleibt keine andere Wahl. Es gilt, sich und sein Team bestmöglich zu schützen, um weiter funktionieren zu können.“
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Die schwierige Versorgungslage ist für Walter Wolf ein großes Problem. Denn aktuell hat die Glückauf-Apotheke weit mehr Patienten zu versorgen als noch vor der Corona-Krise. „Hier tauchen plötzlich ganz neue Gesichter auf“, beschreibt Wolf. „Gesichter von Menschen, die außerhalb von Laer arbeiten und sich meist dort in einer Apotheker mit Medikamenten eindecken. Jetzt verbringen sie viel Zeit zu Hause und kommen zu uns.“
Lob für Mitarbeiter und Kunden
Ein großes Lob spricht Walter Wolf sowohl seinen Mitarbeitern als auch seinen geduldigen Kunden aus. Das Team würde super funktionieren und auch Ausfälle verkraften. „Zwei Mitarbeiter fallen gerade mit einem normalen Infekt aus, eine Mutter ist daheim, weil ihr Kind ins Krankenhaus musste.“
Wolf weiß, dass er sich auf seine Kolleginnen und Kollegen verlassen kann. Wie lange sie alle die aktuelle Belastung durchhalten? „Gute Frage“, sagt Wolf – und bleibt die Antwort schuldig. Er weiß es nicht.
Umgekehrt rufen zum Beispiel Beschäftige von Hardeck, die außerhalb Laers wohnen, bei Walter Wolf als Apotheker ihres Vertrauens an und fragen, ob er Medikamente liefern kann. „Leider nein“, heißt es dann immer. „Ich beschränke mich auf die Versorgung des Stadtteils“, sagt Wolf. Womit er aktuell schon mehr als genug zu tun hat. Die Nachfrage ist groß. Deshalb werden die drei Fahrer jetzt nicht nur nachmittags, sondern auch vormittags eingesetzt.
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Rund um die Uhr kreisen in Walter Wolfs die Gedanken um die aktuelle Situation. Die, so malt er ein düsteres Zukunftsszenario, wohl noch eine Weile kritisch bleiben wird. Wolf spricht von Monaten, „wenn nicht gar einem Jahr“, das uns seiner Ansicht nach noch im Krisen-Modus bevorstehe. Weiter darüber reden will er jetzt nicht mehr. Wolf ist unruhig, bricht das Gespräch ab und verabschiedet sich: „Ich muss zurück in die Apotheke. Bleiben Sie gesund.“ Danke, ebenso!
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