Bochum. Bochum beklagt den ersten Corona-Toten. Ein 55-Jähriger starb an dem Virus. Die Stadt verhängt ein Ansammlungsverbot. Es gilt ab Mitternacht.
Bochum beklagt den ersten Corona-Toten. Ein 55-jähriger Mann starb am Freitag an dem Virus. Kurz zuvor hatte der Krisenstab beschlossen, ein sogenanntes Ansammlungsverbot zu verhängen. Es gilt ab Mitternacht.
Sichtlich bewegt gab Oberbürgermeister Thomas Eiskirch am frühen Abend vor der Presse den Tod des 55-Jährigen bekannt. Wie es heißt, hatte er Urlaub in Österreich gemacht und sich mutmaßlich dort infiziert. Am Freitagnachmittag starb er im Bergmannsheil. Zwei weitere Erkrankte werden stationär im St.-Josef-Hospital versorgt. Alle anderen Infizierten befinden sich in häuslicher Quarantäne.
Die tragischen Ereignisse machten deutlich, wie ernst die Situation ist, so Eiskirch. Es müsse alles getan werden, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und eine ausreichende medizinische Betreuung zu sichern.
Dazu zieht der Krisenstab nun die Notbremse. In der Nacht zum Samstag tritt – erstmals in der Bochumer Nachkriegsgeschichte – ein Ansammlungsverbot in Kraft. Es gilt zunächst bis zum 19. April.
Menschenleere Innenstadt, wo sonst die Party tobt
Um Mitternacht ist WAZ-Fotograf Dietmar Wäsche in der City unterwegs. Wir wollen sehen, wie das pulsierende Zentrum der Großstadt Bochum um 24 Uhr den Atem anhält. Dort am Kurt-Schumacher-Platz, unmittelbar vor dem Hauptbahnhof, wo sich die Taxis stauen und die Party-Szene sich an normalen Wochenenden erst so richtig einstimmt auf eine lange Nacht, ist es diesmal alles ganz anders.
Zwar stehen auch in dieser Nacht Dutzende Taxis vor dem Hauptbahnhof. Doch Kunden finden sich nur ganz vereinzelt ein. Kaum Autos sind auf dem Südring zu sehen, wo sonst die „Poser“ gerade um diese Zeit Hochkonjunktur haben. Zwei Streifenpolizisten patrouillieren und beobachten die Szenerie. Tag eins des Ansammlungsverbotes in Bochum hat begonnen.
Nicht mehr als zwei Menschen
Die wichtigsten Inhalte:
– Mehr als zwei Menschen dürfen sich nicht zusammen unter freiem Himmel aufhalten.
– Ausnahmen sind Familien sowie Lebens- und Wohngemeinschaften, berufliche Gründe und Zusammenkünfte beim Einkaufen (etwa in Warteschlangen).
– Das Grillen und Picknicken in Parks und öffentlichen Grünflächen ist untersagt.
– Ein Verstoß gegen diese sogenannte Allgemeinverfügung kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit einer empfindlichen Geldstrafe geahndet werden.
Zahl der Infizierten steigt auf 99
„Wir wollen keiner Familie den gesunden Sonntagsspaziergang nehmen“, so Eiskirch. Auch die Arbeitswelt, so weit sie noch funktioniert, solle nicht eingeschränkt werden. Das eigentliche Ziel der Verfügung ist eindeutig: Jugendliche und junge Erwachsene, die sich allen Appellen zum Trotz in den letzten Tagen in großen Gruppen u.a. im West- und Stadtpark getroffen und „Corona-Partys“ gefeiert haben. Gegen diese „verantwortungslose Minderheit, die das Leben anderer aufs Spiel setzt“ (so der OB), habe man nun eine rechtliche Handhabe mit entsprechenden Straf- und Ordnungsgeldern.
Derweil stieg die Zahl der bestätigten Infizierten bis Freitag binnen eines Tages von 61 auf 99. Das führen die Behörden vor allem auf die neu eingerichtete Drive-in-Teststelle am Harpener Feld zurück. Dort werden seit Dienstag täglich bis zu 200 Personen per Selbstabstrich getestet: allesamt Bürger, die befürchten, sich angesteckt zu haben. An der Corona-Hotline 0234/910 55 55 haben sie einen Termin erhalten. Der ist für den Test zwingend erforderlich. Die Drive-in-Stelle ist auch am Samstag in Betrieb.
Hotline-Team wird verstärkt
Wegen des ungebrochenen Ansturms auf die Hotline mit täglich mehreren tausend Anrufen wird das Beratungsteam nochmals massiv aufgestockt: von jetzt 19 auf 29 Mitarbeiter, darunter auf Vermittlung des Katholischen Klinikums auch Klinik- und Fachärzte sowie Mediziner im Ruhestand, die anhand der telefonischen Angaben entscheiden, ob ein Test in Harpen erforderlich erscheint. Bisher sind 32 Ärzte an der Hotline wechselweise im Einsatz. Auch hier soll es in Kürze Verstärkung geben.
Um für eine Ausweitung der Krankheitsfälle vorbereitet zu sein, entsteht im St.-Josef-Hospital derzeit eine komplett neue Intensivstation. Vorgabe: die Zahl der Intensivbetten von 38 auf 51 und die Zahl der Beatmungsplätze von 22 auf 41 zu erhöhen. Insgesamt strebe das Katholische Klinikum (St.-Josef- und St.-Elisabeth-Hospital, Marien-Hospital und Martin-Luther-Krankenhaus Wattenscheid) an, „perspektivisch“ über insgesamt 87 Intensivbetten zu verfügen, heißt es in einer Mitteilung. Aktuell sind es 54.
Hochschule spendet Schutzausstattung
Die Zahl der Beatmungsplätze soll konzernweit von 31 auf 70 mehr als verdoppelt werden. Problem: Es gibt dafür nicht ausreichend Personal. „Zurzeit laufen umfangreiche Schulungsmaßnahmen, um Mitarbeiter für die neue Aufgabe zu schulen“, teilt der Klinikverbund mit.
Stadt warnt vor Trickbetrügern
Die Stadt warnt im Zuge der Corona-Krise vor skrupellosen Trickbetrügern.
Sie geben sich bei älteren Bewohnern als Mitarbeiter der Feuerwehr, des Ordnungsamtes oder des Gesundheitsamtes aus: angeblich, um als Vorsorge vor dem Coronavirus Fieber zu messen. So wollen sie sich Zugang zur Wohnung verschaffen.
Zwar seien tatsächlich mobile Test-Teams des Gesundheitsamtes unterwegs, erklärt Stadtsprecher Thomas Sprenger. „Aber die besuchen die Bürger niemals, ohne vorher einen Termin abgestimmt zu haben.“
Die Hochschule für Gesundheit (HSG) leistet unterdessen wertvolle Hilfe bei der Ausstattung, an der es vielerorts mangelt. „Wir haben unseren gesamten Bestand an Infektionsschutzmaterialien an das Diagnostikzentrum der Stadt übergeben“, teilt die derzeit für den Lehrbetrieb geschlossene Hochschule mit. Dabei handelt es sich um Desinfektionsmittel, Mundschutze, Schutzkittel und Einmalhandschuhe, die für die praktische Ausbildung der Pflegestudenten gedacht sind.
Brautpaare müssen allein heiraten
Tapfer sein müssen Brautpaare, die sich in diesen Corona-Zeiten das Ja-Wort geben. Waren zur standesamtlichen Zeremonie bislang zumindest ausnahmsweise auch Trauzeugen zugelassen, müssen Braut und Bräutigam in Bochum nun ohne jede Begleitung heiraten.