Bochum. In Bochum gibt es nun zwei bestätigte Fälle von Corona. Sorgt das für Hamsterkäufe im Einzelhandel? So reagieren die Supermärkte und Kunden.
„Ich habe Angst, dass mein Baby verhungert, wenn es so weiter geht“, sagt Mary Bern aus Altenbochum. Ihr Sohn ist gerade drei Wochen alt, am Donnerstag machte sich die junge Mutter auf den Weg, um Säuglingsmilchnahrung zu besorgen. Ohne Erfolg: „Es gab sie weder bei DM, noch bei Rossmann. Die Regale waren komplett leergefegt.“
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Die aktuelle Situation bereitet Mary Bern große Sorgen – nicht wegen des Coronavirus selbst, sondern weil es immer mehr Engpässe gibt. Dass die Menschen Hamsterkäufe tätigen, habe die Altenbochumerin selbst beobachtet. Drei zusammengehörende Personen mit jeweils sechs Packungen des Milchpulvers unter dem Arm hätten vor ihr gestanden. Abgeben wollte ihr jedoch niemand etwas.
Coronavirus in Bochum: Mutter sorgt sich um Nahrung für ihren Säugling
In einem Supermarkt in Riemke bekam die junge Mutter dann ein Paket der Säuglingsmilchnahrung – das letzte. Sodass sie nun im Internet bestellt hat. „Man muss sich leider in der heutigen Zeit Sorgen machen, ob man sein Kind noch ernähren kann. Traurig, aber wahr“, sagt sie.
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Dass es Engpässe bei der Babynahrung gibt, bestätigt eine Rossmann-Sprecherin nicht direkt. Aber: „Wir beobachten aktuell eine erhöhte Nachfrage von bestimmten Produkten und stehen hierzu im engen Austausch mit unseren Lieferanten“, sagt sie. Mehr Details könne sie aber nicht nennen.
In den vergangenen Tagen sei die Nachfrage nach verschiedensten Artikeln – wie beispielsweise Hygiene-Produkte – im DM-Sortiment sprunghaftangestiegen. „Aufgrund des abrupten Anstiegs sind temporär Produkte an manchen Standorten nicht erhältlich. Milchnahrung und -pulver sind aktuell nicht so stark betroffen wie andere Produkte“, so Sebastian Bayer, DM-Geschäftsführer.
Bochum: Nicht alle Menschen tätigen Hamsterkäufe
Die Angst mit dem Corona-Virus Zuhause zu sitzen und nichts mehr zu essen zu haben, scheint zum Teil groß: So auch bei einem Ehepaar, das am Donnerstagnachmittag im Discounter Aldi in Höntrop einkauft. Sie haben in den vergangenen Tagen bewusst größere Mengen eingekauft. „Es kann ja sein, dass es einen Engpass geben wird“, begründet der Mann sein Verhalten. „Das haben wir auch schon bei der Jahrtausendwende so gemacht.“
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Das Ehepaar aus Höntrop ist keine Ausnahme, allerdings auch noch lange nicht die Regel. Bei Edeka Burkowski an der Alleestraße in Bochum habe es richtige Hamsterkäufe in den vergangenen Tagen kaum gegeben. „Die Leute haben bei uns nicht palettenweise eingekauft“, berichtet Inhaber Manfred Burkowski. Es sei vielmehr so gewesen, dass plötzlich alle Kunden beispielsweise eine Flasche Desinfektionsmittel gekauft hätten, aber kaum jemand eine übertriebene Menge.
Bochum: Mehr Menschen kaufen bei Edeka Burkowski ein, es gibt aber keine Engpässe
Insgesamt hätten in den vergangenen Tagen aber deutlich mehr Menschen als sonst eingekauft. Höhepunkt seien der Freitag und Samstag gewesen, zum Start der neuen Woche war die Kundenzahl zwar noch höher als sonst, ist aber schon deutlich gesunken.
Bis auf Desinfektionsmittel sei im Edeka Burkowski aber alles vorrätig: „Es ist nicht so, dass Regale komplett leer sind. Es sind zwar zwei bis drei Sorten Nudeln nicht lieferbar, alle anderen sind aber vorrätig“, so der Geschäftsinhaber. Mengenbegrenzungen beim Einkauf gibt es bisher nicht, sollte es allerdings eng werden, wären diese in Erwägung zu ziehen. Burkowski: „Statt nur einer einzelnen Person sollen natürlich lieber alle etwas bekommen.“
Das läuft in der Rossmann-Filiale im Gertudis-Center in Wattenscheid etwas anders: Handseife kann hier niemand bunkern. „Laut Anweisung des Bezirksleiters werden nur noch zwei Seifen pro Kunde verkauft“, erzählt eine Verkäuferin. Sie ist gerade dabei ein Regal einzuräumen – mit neuer Seife. „Die werden schnell wieder leer sein“, sagt sie lachend.
Was steckt hinter den Hamsterkäufen?
Doch woran liegt es, dass viele Menschen sogenannte Hamsterkäufe tätigen und inzwischen gähnende Leere in manchen Regalen herrscht, in denen sich sonst Nudeln, Mehl und Toilettenpapier stapelt? Prof. Georg Juckel, Leiter der LWL-Klinik in Bochum, sieht den Grund vor allem in der Angst vor dem Unbekannten. „Wir sind teilweise von unseren Emotionen geleitet“, erklärt er. Im Gegensatz zur bekannten Grippe löse das neue Virus Unbehagen im Menschen aus, weil es noch nicht erforscht ist. Das ließe viele egozentrisch handeln. Fühle ein Mensch sich bedroht, so schütze er zunächst sich selbst und seine Familie. Dieses Phänomen sei natürlich und in gewisser Hinsicht eine „evolutionsbiologische Reaktion“.
Unbekannte Bedrohung verunsichere viele Menschen. Mit dem Bekanntwerden der Vielzahl an Fällen in Italien sei die Furcht nun in Europa angekommen und die Bürger fühlen sich persönlich und unmittelbar betroffen. Dem Hamstern entgegenzutreten sei schwierig, man könne jedoch an den Gemeinsinn seiner Mitmenschen, glaubt Juckel.
Aber längst nicht alle Bochumer decken sich gerade mit Lebensmitteln, bei manchen scheint Rationalität die Oberhand zu behalten. „Ich denke, ich habe Freunde, die mir im Fall einer Infektion was vor die Tür stellen. Ich kaufe weiterhin nur nach dem täglichen Bedarf“, meint eine 72-jährige Kundin bei Kaufland. Ihr Einkaufswagen sieht nicht nach Apokalypse aus.