Bochum. Im Sommer eröffnet die Sotha, eine Spezial-JVA für fast 80 Sexual- und Gewalttäter mit Persönlichkeitsstörungen. Viele haben bereits getötet.
Mitten in der Stadt Bochum soll in diesem Sommer ein weiteres Gefängnis in Betrieb gehen, in dem fast 80 ganz spezielle Straftäter untergebracht werden. „Hier lebt kein Insasse, der harmlose Sachen gemacht hat. Das war richtig böse. Sie haben großen Schaden angerichtet, weniger materiellen als immateriellen“, sagte Alwin Molitor, Leiter der „sozialtherapeutischen Anstalt für Sexual- und Gewalttäter“, kurz Sotha genannt, in Gelsenkirchen, in einem WAZ-Gespräch.
56 Strafgefangene leben zurzeit in dieser Sotha, deren Altbau marode ist und abgerissen wird. Alle ziehen nach Bochum um, wo seit 2017 für rund 75 Millionen Euro eine ganz neue Sotha gebaut wird. Der Umzug findet wohl Ende Juni statt, wie Molitor glaubt. Einen festen Termin gibt es noch nicht.
Mauern in Bochum sind 5,5 Meter hoch und videoüberwacht
Weitere 32 Häftlinge derselben Kategorie kommen aus anderen deutschen Gefängnissen hinzu. Die neue Sotha Bochum liegt direkt zwischen der JVA Bochum, der Bereitschaftspolizei am Gersteinring und dem VfL-Stadion. Die videoüberwachten, 5,5 Meter hohen weißen Mauern sind deutlich von der Castroper Straße aus zu sehen.
Alle Sotha-Häftlinge haben eine „Persönlichkeitsstörung“: kein Mitgefühl, kein oder kaum Empfinden, Narzissmus, Sadismus, Borderline, Pädophilie, dissoziales und psychopathologisches Verhalten – „das komplette Spektrum“, sagt Molitor. Gleichzeitig sind sie aber voll schuldfähig für ihre Taten. Sie wussten, was sie taten.
Mehrere Häftlinge haben einen Menschen getötet
Rund zwei Drittel haben Sexualverbrechen begangen. Die übrigen sitzen wegen diverser Gewaltverbrechen ohne sexuellen Bezug ein – die meisten von diesen haben ein Menschenleben ausgelöscht. Fünf sind „Ell-Eller“, wie „lebenslänglich“ im Justiz-Jargon heißt, für fünf weitere haben Gerichte die „Sicherungsverwahrung“ angeordnet, weil sie einen ausgeprägten „Hang zu Straftaten“ haben und deshalb nach Ende der regulären Haft weiter auf unbestimmte Zeit eingesperrt bleiben müssen. Zum Schutz der Bevölkerung.
In der Sotha werden diese Täter mit enormen Aufwand therapiert, damit sie nach einer Entlassung möglichst keine neuen Straftaten begehen und in sozialer Verantwortung leben. 100 Bedienstete passen auf sie auf, betreuen sie und arbeiten mit ihnen und bilden sie zu Handwerkern aus: Vollzugsbeamte, Psychologen, Sozialarbeiter, Lehrer. „Das macht es so teuer“, sagt Molitor.
„Wir wollen das Gefährdungsrisiko senken“
Die Störungen müssten behandelt werden, denn irgendwann kämen die Gefangenen ja wieder frei. „Wir wollen das Gefährdungsrisiko senken, das können wir schaffen.“ Die Sotha sei sozusagen „eine Forensik im Strafvollzug“.
Pädopholie zum Beispiel könne man bei einem Täter nicht beseitigen, aber man könne ihm bewusst machen, war er für einen Schaden angerichtet habe. Man könne ihn noch „erziehen“. Man wolle aus einem Häftling „nicht einen guten Menschen machen“, so Molitor, „sondern dafür sorgen, dass er keine Straftaten mehr begeht“. Bei Leuten aber, die zum Beispiel 30 Jahre lang mit einer dissozialen Persönlichkeit durchs Leben gegangen seien, sei das natürlich schwierig und aufwändig.
Elf Prozent Rückfallquote
Seit 2014 führt die Sotha Gelsenkirchen Buch über die Rückfallquote nach der Entlassung: Die liegt bei elf Prozent. Als „Rückfall“ gilt allerdings auch bereits, wenn sich ein Pädophiler im Schwimmbad einem Kind auffällig nähert, nicht erst dann, wenn er wieder eine Straftat begangen hat.
Alle Gefangenen sind ausdrücklich bereit, sich zu verändern. Das geht bis hin zur freiwilligen chemischen Kastration. Niemand wird entlassen, der seine Taten nicht voll aufgearbeitet hat, Mitgefühl und tätige Reue gezeigt hat.
Sotha ist komplett drogenfrei
Ohne volle Bereitschaft zur Therapie kommen die Täter nicht in die Sotha, sondern in eine normale JVA, die deutlich weniger Freiräume gewährt. Innerhalb der fünf Sotha-Gebäude in Bochum können sich die Gefangenen in Wohngruppen frei bewegen. Von 6 bis 21.30 Uhr. Nur nachts sind sie in einer Zelle eingesperrt.
Wer in der Sotha-Therapie nicht mehr mitmacht, wird in eine normale JVA verlegt. Wer Drogen im Blut hat (mehrfache Tests pro Woche), ebenso. Und wer zuhaut, sowieso. Molitor sagt aber: „Die Leute benehmen sich hier relativ vernünftig.“