Bochum. Zweimal wurde ein Bochumer Autofahrer wegen Falschparkens zur Kasse gebeten. Zweimal legte er Einspruch ein. Zweimal gab ihm das Gericht Recht.
5,5 Millionen Euro kassierte die Stadt Bochum im vergangenen Jahr von Verkehrssündern. Die 30 Euro, die Hans-Peter Weißenfels aufgebrummt wurden, landeten nicht im Stadtsäckel. Zweimal legte der Oberdahlhausener Einspruch gegen das Bußgeld ein. Zweimal wurde das Verfahren vom Amtsgericht eingestellt. Seither weiß der 65-Jährige: „Es lohnt sich, sich zu wehren.“
Als ehemaliger Polizeibeamter ist Hans-Peter Weißenfels mit Recht und Gesetz vertraut, auch und gerade im Straßenverkehr. Dass es bei den Kontrollen des Ordnungsamtes „nicht ums Abkassieren geht“, wie eine Stadtsprecherin jüngst gegenüber der WAZ/WR betonte, zieht der Pensionär jedoch in Zweifel. „Klar“, betont er: „Wenn ich als Autofahrer im Unrecht bin, muss ich dafür zahlen. Doch wenn ich zahlen soll, ohne im Unrecht zu sein, gehe ich steil.“
Knöllchen in Bochum: Es begann mit dem „Gurkenfall“
„Steil“ ging Weißenfels 2019 gleich zweimal. Als „Gurkenfall“ tituliert er den ersten Rechtsstreit im Frühjahr. Vor einem Supermarkt an der Hattinger Straße in Linden hatte er kurz geparkt, um eine Gurke zu kaufen. Weniger als fünf Minuten habe das gedauert, beteuert er. Deshalb habe er keinen Parkschein gezogen. Bei seiner Rückkehr schrieb eine Politesse sein Kennzeichen auf. „Ich habe sie freundlich gebeten, den Eintrag zu löschen. Es ging doch nur um eine Gurke! Aber sie lehnte ab und meinte, sie könne das nicht.“
Wenig später traf der Bußgeldbescheid daheim am Höhenweg ein. Zehn Euro wurden fällig. Weißenfels widersprach schriftlich. Die Politesse hätte sehr wohl „von ihrem Ermessensspielraum Gebrauch machen können“. Die Stadt beharrte auf ihrer Forderung und stellte in einem zweiten Bescheid 38,50 Euro in Rechnung. Erneut wehrte sich Weißenfels – und bekam Recht. Im August stellte das Amtsgericht das Verfahren ein. Eine „Ahndung“ werde „nicht für geboten gehalten“, heißt es im Schriftsatz. Die Kosten trage die Staatskasse.
Fahrer macht „Verbotsirrtum“ geltend
Gleichfalls im Frühjahr 2019 kommt es zum „Fall Bergstraße“. Hans-Peter Weißenfels setzt seinen Wagen in eine Parklücke auf dem Gehweg in Höhe der Augusta-Klinik. Er zieht einen Parkschein und legt ihn gut sichtbar auf das Armaturenbrett. Bei seiner Rückkehr klemmt ein Knöllchen hinterm Scheibenwischer. „Erst jetzt fiel mir auf, dass auf diesem Abschnitt des Gehwegs das Parken verboten ist. Die Parkzone fängt erst einige Meter weiter an. Die Situation dort ist reichlich verwirrend und eine echte Falle“, schildert der Bochumer.
23 Politessen sind in Bochum unterwegs
Aktuell sind in Bochum 23 Politessen des Ordnungsamtes unterwegs, um den ruhenden Verkehr zu überwachen.
Im vergangenen Jahr verteilten sie dabei 102.000 Knöllchen – im Durchschnitt 280 am Tag.
Das hat die betroffenen Falschparker 2.021.000 Euro gekostet: eine leichte Steigerung im Vergleich zum Vorjahr (100.000 Strafzettel, 1.997.000 Euro Geldbußen).
Wieder folgt der Bußgeldbescheid, diesmal über 20 Euro. Wieder legt Weißenfels Einspruch ein und macht einen „Verbotsirrtum“ geltend. Wieder zeigt sich die Stadt unbeeindruckt und stockt die Geldbuße auf 48,50 Euro auf. Wieder setzt der Autofahrer auf das Amtsgericht. „Immerhin habe ich ja einen Parkschein gezogen. Das beweist doch, dass ich nicht in böser Absicht gehandelt habe.“
Stadt: Ausgaben übersteigen die Einnahmen
Das sieht das Amtsgericht ebenso. Im November wurde auch dieses Verfahren eingestellt. Erneut zu Last der Staatskasse. Gerne hätte er den Steuerzahlern die beiden Ausgaben erspart, bekräftigt der WAZ-Leser. Aber dafür müsse die Stadt mehr Kulanz zeigen und in Zweifelsfällen auch den Argumenten der Bürger folgen. „Wenn das nicht geschieht, ist es unser gutes Recht, dagegen vorzugehen. Das zeigen meine Beispiele. Alles andere ist Abzocke.“
Die Stadt weist den Vorwurf zurück. Mit der Sanktionierung der Falschparker verdiene man kein Geld. Im Gegenteil: „Die Verwarnungsgelder für Parkverstöße liegen größtenteils zwischen zehn und 20 Euro. Die Personal- und Sachkosten für die Feststellung und Bearbeitung übersteigen die erzielten Einnahmen deutlich“, heißt es im Rathaus.
Auch interessant
Wieviele Einsprüche gegen Bußgeldbescheide jährlich eingehen und wie oft dabei die Autofahrer Recht bekommen, vermochte die Stadt am Donnerstag auf WAZ-Anfrage nicht mitzuteilen.