Bochum-Gerthe. Der Wohnungsbau in Bochum-Gerthe und Hiltrop wurde im Bezirk Nord emotional diskutiert. Der Fahrplan zur Öffentlichkeitsbeteiligung steht.

Das geplante Wohnbaugebiet Gerthe-West hat in der jüngsten Sitzung der Bezirksvertretung Nord breiten Raum eingenommen. Dabei ging es einmal mehr emotional zu. Bei der Vorstellung der Rahmenplanung ging es um den Prozess der Beteiligung. Der Startschuss soll im März in einer öffentlichen Auftaktwerkstatt fallen. SPD und Grüne im Bezirk Nord gaben ein umfangreiches Statement ab und sprachen sich u.a. für „deutlich weniger als 800 Wohneinheiten“ aus.

Zusammensetzung des Begleitgremiums „ist ein Fehler“

Insbesondere die Zusammensetzung des Gremiums, das einen wichtigen Baustein als begleitendes und empfehlendes Team bilden soll, wurde im Bezirk heftig kritisiert. Außer dem Bezirksbürgermeister soll keiner der Politiker aus dem Bochumer Norden kommen. Hubert Wegener (CDU): „Die geplante Besetzung ist ein Fehler. Die Belange des Bezirks werden so kaum berücksichtigt. Zumindest der Ältestenrat sollte dabei sein.“ Christian Schnaubelt (Grüne) schlug vor, zumindest die beiden stellvertretenden Bezirksbürgermeister aus Nord mit ins Boot zu holen.

Bezirk will Bürger vorschlagen

Für Empörung in den Zuschauerreihen sorgte SPD-Fraktionschef Philipp Welsch mit seiner Anregung, dass die Bürger, die ebenfalls ins Gremium einbezogen werden sollen, nur solche sein sollen, die „mitgestalten, nicht verhindern wollen“. Die sollte der Bezirk vorschlagen dürfen. Damit zielte er auf die Bürgerinitiative „Gerthe-West – so nicht!“ ab, deren Behauptungen vom vergangenen Jahr zum Planungsprozess für Unmut gesorgt hatten. Auf Betreiben der SPD-Fraktion hat die Verwaltung nun einen umfangreichen Antwortkatalog erstellt. Dazu Philipp Welsch: „Ich bin enttäuscht, dass die Initiative auf die Klärung nicht reagiert hat. Es ist kein Wandel nach den Vorwürfen erkennbar.“

Der Fahrplan steht

Der Fahrplan zum Verfahrensablauf der Beteiligung steht. Nach der Auftaktwerkstatt im März folgt im März/April auch eine Online-Beteiligung.

Die erste öffentliche Planungswerkstatt soll im Mai stattfinden, wenn die Ergebnisse der Fachgutachten vorliegen, eine zweite dann im November. Vorgesehen ist, im März/April 2021 die Abschlusspräsentation machen zu können.

Den Planungsprozess hat das beauftragte Moderationsbüro plan-lokal ausgearbeitet. Das Empfehlungsgremium soll Anfang 2020 eingerichtet werden. Im November soll die Zwischenergebnisse bewerten.

Es ging u.a. um die Behauptung, dass bereits Einiges festgezurrt sei und es Grundstücksabtretungen gegeben habe. Die Verwaltung verneint dies. Die „Bürgerinitiative Gerthe-West – so nicht!“ hingegen versichert gegenüber der WAZ, dies nie behauptet zu haben. Gerhard Henke erklärt, man habe nach Akteneinsicht lediglich feststellen können, dass ein Teil der Fläche für eine Kita und ein Seniorenzentrum eingezeichnet worden seien, „und da stand Awo drin“.

Vertrag umfasst Entwicklungsgebiet von 11,6 Hektar

Die grobe Planung für Gerthe-West, so erklärte Martin Schlegel vom Planungsamt, umfasse aktuell 11,6 Hektar. Dies basiert auf dem Vertrag mit der NRW.Urban Kommunale Entwicklung GmbH und berücksichtige den finanziellen Rahmen des Landesprogramms. 17,4 Millionen Euro sind über die Landesbürgschaft abgesichert. Damit ist Bochum ins Landesprogramm „Kooperative Baulandentwicklung“ aufgenommen. Nach dem Wohnbauflächenprogramm war Ende 2018 noch von 17,2 Hektar die Rede gewesen.

So sind inzwischen die Bereiche um das Krankenhaus und die Kirche nicht mehr im Planungsgebiet enthalten. Schlegel betonte, dass das Bebauungsplangebiet erst festgelegt werde, wenn die Rahmenplanung steht. „Erst dann steht fest, wie groß es wird.“ Mögliche Entwicklungen in Gerthe und Hiltrop etwa zur Zukunft des Krankenhauses würden einbezogen.

Eingeschränkte Freiflächen-Bebauung

Die jüngsten Forderungen von SPD und Grünen im Bezirk beinhalten auch, zugunsten von Grünflächen die geplante Bebauung südlich des Schmalen Hellwegs abzulehnen. Freiflächen-Bebauung sollte auf dem alten Kirmesplatz am Castroper Hellweg, an der Hiltroper Landwehr, rund um das Krankenhaus Gerthe und auf dem Sportplatz Am Hillerberg des BV Hiltrop durchgeführt werden (bei einer Bebauung auf dem Sportplatz-Gelände ist eine Ersatzfläche für den Sportplatz in räumlicher Nähe bereitzustellen).

Voraussetzung für die Realisierung des Projekts ist für die Fraktionen zudem ein Verkehrskonzept, welches auch den zweigleisigen Ausbau der Straßenbahn 308/318 nach Cöppencastrop beinhaltet. Ebenso wird ein integriertes Parkraumkonzept unter Vermeidung von (Neu-) Versiegelungen gefordert.

Baugegner fühlen sich ausgeschlossen

Die Bürgerinitiative „Gerthe-West – so nicht!“ kämpft seit Bekanntwerden der Bebauungspläne in Gerthe und Hiltrop gegen das Projekt. „Wir gehörten zu den Ersten, die die Bürger darüber informiert haben“, betont Heidi Lewitz. Seither sind die Baugegner sehr aktiv, haben ihren Protest straff organisiert.

Im Dezember 2018 hat sie sich gegründet. Bis heute hat die Initiative über 5000 Unterschriften gegen die Bebauungspläne gesammelt. Vor einem Jahr übergab sie ihr Protestschreiben an Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU), als sie zur Unterzeichnung der Fördervereinbarung nach Gerthe gekommen war.

„Gestörtes Demokratieverständnis“

Nach der Sitzung der Bezirksvertretung Nord am Dienstag zeigen sich die Mitglieder sauer über den Vorschlag, dass nur solche Bürger ins Begleitgremium aufgenommen werden sollen, die sich nicht gegen die Bebauung von Gerthe-West stemmen. Gerhard Henke: „Ich wundere mich über das gestörte Demokratieverständnis des Bezirks und der SPD-Fraktion, dass Leute, die gegen das Bauvorhaben sind, von der Beteiligung an der Planung ausgeschlossen werden sollen.“

Klimafachleute ins Gremium

Heidi Lewitz ergänzt, dass ihr zudem bei den fürs Gremium vorgesehenen Fachberatern ein Klimaexperte fehle, „und dass, wo 200 Bäume abgeholzt werden sollen“. Die Bürgerinitiative sei nicht „gegen Alles“, so Lewitz. „Doch fest steht, unser bisheriges Leben im Stadtteil wird durch die Pläne völlig umgekrempelt“.

Die weiteren Schritte beinhalten, dass sich die Baugegner Ende Januar mit dem Büro plan-lokal zum Thema Bürgerbeteiligung zusammensetzen will.