Bochum. Das Bochumer Klimabündnis warnt vor den Folgen einer zunehmenden Erwärmung. In den Sommermonaten könnte die Innenstadt unbewohnbar werden.
Die Bochumer Innenstadt könnte wegen des Klimawandels in 20 bis 30 Jahren im Sommer unbewohnbar werden. Davor warnt das Bochumer Klimabündnis. „Tagsüber würden dann häufig mehr als 40 Grad, nachts noch immer 25 Grad herrschen. Denken und lenken wir nicht drastisch um, wird die City in diesen Hitzemonaten zum lebensfeindlichen Raum“, sagt Sprecher Ingo Franke im WAZ-Gespräch.
Der 69-jährige Chemiker und langjährige Umweltberater der Stadt Essen zählt zu den erfahrensten Umweltaktivisten in Bochum. 1983 gründete er den Arbeitskreis Umweltschutz (AKU). Auf dessen Initiative rief der Rat im Juni den Klimanotstand aus.
Tagsüber 40 Grad, nachts nicht unter 25 Grad
„Es wurde höchste Zeit, dass auch in Bochum endlich ein Signal für den Klimaschutz gesetzt wird“, bekräftigt der Naturwissenschaftler. Deutlich spürbar seien in den letzten Jahren die Auswirkungen des Klimawandels gewesen: länger werdende Hitzeperioden ebenso wie Stürme und Starkregen mit gravierenden Schäden. Und das, so sei zu befürchten, ist nur der Anfang. Werde der Erderwärmung nicht endlich Einhalt geboten, drohten Katastrophen größeren Ausmaßes.
Um zusätzliche Schlagkraft zu entwickeln, schmiedeten im September fünf Organisationen das Bochumer Klimabündnis: der AKU, Greenpeace, Nabu, das Netzwerk bürgernahe Stadtentwicklung sowie „Extinction Rebellion“. Weiterer Zuwachs sei in Sicht, so Franke und hofft u.a. auf den BUND und den Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC).
Umweltaktivisten: Bochum macht mehr als andere – aber noch immer zu wenig
Gemeinsam gelte es, dem Klimaschutz in Bochum das angemessene Gewicht zu verleihen. Manches sei schon auf den Weg gebracht. „Bochum macht mehr als andere Städte“, konstatiert Franke und würdigt zum Beispiel die drei kommunalen Klimaschutzmanager sowie das kommunale Klimaschutzkonzept. Und doch werde auf lokaler Ebene noch immer „viel zu wenig getan“. Notwendig seien u.a. der massive Ausbau der Dach- und Fassadenbegrünung auf und an öffentlichen und privaten Gebäuden sowie mehr Photovoltaik-Anlagen zur Nutzung der Sonnenenergie. Ein vierter Klima-Manager müsse im Rathaus her, um – als Folge des Klimanotstands – jede Vorlage der Verwaltung auf ihre Einflüsse auf die Umwelt abzuklopfen: „Das kann niemand in den Behörden ,nebenbei’ erledigen.“ Dabei müssten gerade die Grünen als Partner der SPD im Rat ihrer politische Verantwortung für den Umweltschutz mehr als bisher gerecht werden, so Franke.
Studie: Immer mehr Bürger fahren Rad
Der Radverkehr im Bochumer Stadtverkehr ist in den vergangenen fünf Jahren um rund 30 Prozent gewachsen. Sein Anteil am Gesamtverkehr ist in dieser Zeit von rund fünf auf rund sieben Prozent gestiegen.
Das ist das Ergebnis einer 2018 durchgeführten Erhebung zum Mobilitätsverhalten, deren Ergebnisse nun vorliegen.
Insgesamt wurden 4000 Bürger befragt. Die letzte Erhebung dieser Art stammt aus dem Jahr 2013.
Auch beim Baumschutz sieht das Klimabündnis „reichlich Luft nach oben“. Das stadtweite, bei vielen Bürgern höchst umstrittene Abholzen zugunsten neuer Gewerbe- und Wohngebiete müsse sofort ein Ende finden. Gerade in der verdichteten Innenstadt („schlimmstes Beispiel: der Boulevard“) seien Bäume überlebenswichtig, mahnt Franke. „Der karge Bestand muss erhalten bleiben. Zudem müssen neue Bäume gepflanzt werden, um auf die Folgen der Klimaerwärmung zu reagieren.“ Unerträgliche Hitzesommer seien sonst die Konsequenz – „mit mehr Toten unter den Alten und Kranken und gesundheitlichen Folgen möglicherweise auch für Kinder.“
„Fridays for Future“ droht zu erlahmen
Eindämmung des Autoverkehrs, Vorfahrt für den öffentlichen Nahverkehr und Fahrräder: Auch das steht auf der Agenda des Bochumer Klimabündnisses für 2020.
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Nicht nachlassen dürfe das bürgerschaftliche Engagement. Nicht ohne Sorge blickt Ingo Franke dabei auf die „Fridays for Future“-Bewegung. „Es freut mich sehr, dass so viele Schüler, die Studenten, inzwischen auch Wissenschaftler in diesem Jahr so großes Engagement gezeigt haben.“ Allerdings drohten die Freitags-Demonstrationen langsam einzuschlafen. „Die Schüler erfahren zunehmenden Druck der Schulleitungen und auch mancher Eltern.“ Frankes Appell: „Macht weiter!“