Bochum. Wohnungen in Bochum könnten pro Jahr 400 Euro billiger sein – kritisiert der Mieterverein VBW und Stadt. Er hat scharfe Forderungen an den Rat.

Der Bochumer Mieterverein kritisiert erneut das Wohnungsunternehmen VBW Bauen und Wohnen. Die Gesellschaft agiere als Preistreiber am Markt. Die Geldausschüttung an ihre Anteilseigner verteuere frei finanzierte Wohnungen. Mieter müssten pro Jahr 400 Euro mehr zahlen als nötig sei, lauten die Vorwürfe. Die Stadt als größter Gesellschafter der VBW steht damit ebenfalls in der Kritik. Aber wird der Rat etwas an der Unternehmenspolitik ändern?

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Die Thesen des Mietervereins gehen noch weiter. In einem offenen Brief an den Stadtrat schreibt Geschäftsführer Michael Wenzel, dass neu zu vermietende Wohnungen zu Preisen angeboten würden, die im Schnitt fast einen Euro über dem Mietspiegelniveau liegen. Das habe das Mietniveau in der gesamten Stadt in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 20 Prozent erhöht.

Drei Forderungen an die Stadt

Der Mieterverein hat drei Forderungen an die Stadt. Frei finanzierbare Wohnungen sollen zukünftig so preiswert wie möglich angeboten werden. Die Miete dürfe sich nicht über dem Mietspiegel bewegen und auch bei Neuvermietungen solle der Mietspiegel die Grenze sein.

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Rückendeckung bekommt der Verein von der Linkspartei und der Sozialen Liste. „Der Mieterverein hat Recht, das können wir belegen“, sagt Linken-Ratsmitglied Horst Hohmeier. „Mit einer Anfrage konnten wir nachweisen, dass die VBW im Jahr 2018 bei 1000 Bochumer Wohnungen die Mieten an die Obergrenze des gerade noch so Legalen erhöht hat.“ 2017 seien sogar 2000 Haushalte betroffen gewesen.

Druck auf andere Wohnungsunternehmen machen

Günter Gleising von der Sozialen Liste schließt sich den Forderungen des Mietervereins an. „Interessant ist die Rechnung, (...), dass durch den Verzicht auf die Gewinnauszahlung für die Stadt Bochum, die VBW-Mieten um um circa 400 Euro jährlich gesenkt werden könnten“, meint Gleising. Die Stadt könne also leicht zur Senkung der Mietkosten beitragen und Druck auf andere Wohnungsunternehmen ausüben.

Das Wohnungsunternehmen VBW


Die VBW hat nach eigenen Angaben (Stand 2018). Davon seien rund 40 Prozent öffentlich gefördert, es handelt sich dabei also umgangssprachlich um Sozialwohnungen.

Größter Gesellschafter der VBW ist die Stadt Bochum (rd. 80 %), die somit entscheidet, welche Renditen das Wohnungsunternehmen wann ausschüttet.

Die 400 Euro pro Jahr beziehen sich laut des offenen Briefes auf die jährliche Ausschüttung des Wohnungsunternehmens – zu 80 Prozent an die Stadt Bochum. Es handelt sich um 3 Millionen Euro. Geteilt durch die Zahl der frei finanzierten Wohnungen ergebe sich der Wert von 400 Euro, die bei den Mieten gespart werden könnten.

Vergangene Mieterhöhung entstand aus zulässiger Fortschreibung


Die VBW bestreitet diese Vorwürfe – sie halte sich an den Mietspiegel, so ein Unternehmenssprecher. Die vergangene Erhöhung sei aus einer rechtlich zulässigen Fortschreibung entstanden und stelle den Verbraucherpreisindex dar – also den Wert, um den Waren und Dienstleistungen in Deutschland im Schnitt teurer geworden sind. Es gebe im Unternehmen keine pauschale Regel, dass neu vermietete Wohnungen einen Euro über dem Mietspiegel angeboten werden.


Großen Anklang findet der offene Brief auch im Rat nicht. „Der Vorwurf, der VBW Preistreiberei zu unterstellen, ist eine politisch motivierte Kampagne“, heißt es von Felix Haltt, Ratsmitglied für FDP und Stadtgestalter. Dass die VBW grundsätzlich Wohnungen mit einem Preis von über einem Euro über dem Mietspiegel anbiete, sei eine Unterstellung ohne Grundlage. „Wenn die VBW jedoch in die Modernisierung von Wohnungen investiert, um sie für neue Mieter attraktiver zu machen, ist es als wirtschaftlich handelndes Unternehmen völlig legitim“, so Haltt.

Rendite kommt der Stadt Bochum zugute

Das sehen auch die Christdemokraten so: „Nach Auffassung der CDU-Fraktion im Rat der Stadt kommt daher die Rendite der erfolgreichen städtischen Gesellschaft richtigerweise allen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Bochum zugute, indem sie zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben der Stadt für alle Bürger beiträgt“, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hans Henneke.

Das Wohnungsunternehmen VBW


Die VBW hat nach eigenen Angaben (Stand 2018). Davon seien rund 40 Prozent öffentlich gefördert, es handelt sich dabei also umgangssprachlich um Sozialwohnungen.

Größter Gesellschafter der VBW ist die Stadt Bochum (rd. 80 %), die somit entscheidet, welche Renditen das Wohnungsunternehmen wann ausschüttet.

Die SPD bezeichnet einen Renditeverzicht der VBW als kontraproduktiv – von Preistreiberei könne zudem keine Rede sein. Generell sieht Ratsmitglied Peter Reinirkens in Bochum kein Problem in zu hohen Mieten. „Es gibt Wohnungen mit höheren Mieten, aber auch viele günstigere Wohnungen. Und natürlich gibt es noch sozial geförderte Wohnungen“, so Reinirkens.

Grüne lehnen Renditeverzicht ab

Auch die Grünen lehnen einen Renditeverzicht ab. Durch die Rendite könne die VBW auch ihr Eigenkapital steigern. „Mehr Eigenkapital ermöglicht es der VBW auch in Zukunft – etwa bei steigenden Zinsen - preisgünstigen Wohnraum zu schaffen“, so Martina Foltys-Banning, Sprecherin der grünen Ratsfraktion und Mitglied im Aufsichtsrat der VBW. Dem widerspricht der Mieterverein: „Wir haben nicht gefordert, dass die VBW gar keinen Gewinn mehr machen soll. Eine solide Eigenkapitaldecke halten auch wir für erforderlich“, so ein Sprecher. Durch die 3 Millionen Euro, die die VBW an ihre Anteilseigner ausschüttet, werde das Eigenkapital aber nicht erhöht. Lediglich auf diese Ausschüttung - so die Forderung des Mietervereins - solle die Stadt verzichten.

Ein Reaktion des Stadtrates auf den offenen Brief hat der Mieterverein bisher noch nicht bekommen. „Damit rechnen wir aber auch nicht unbedingt“, so ein Sprecher. Neugierig sei er jedoch auf das Abstimmungsverhalten des Rates – das nach Äußerung der einzelnen Parteien wohl nicht zu seinen Gunsten ausfallen könnte.