Gerthe. Das Bogestra-Depot in Bochum-Gerthe macht nach Jahren des Verfalls als Gründerzentrum nun eine gute Figur. Die Geschichte reicht zurück bis 1912.
Weit draußen am Castroper Hellweg in Bochum liegt etwas abseits das alte Straßenbahndepot. Hier rumpelt die Linie 308 auf ihrer Fahrt zur Schürbankstraße und zurück Tag für Tag vorbei. Aber noch einmal in die stattlichen Fahrzeughallen einschwenken? Nein, das ist vorbei.
Gleise gekappt
Zwar liegen die Kurvenstücke der Weiche noch im Gleisbett, aber sie sind gekappt. Im alten Depot werden längst keine Straßenbahnen mehr repariert, jetzt wird hier an erneuerbaren Energien und Elektromobilität und damit an der Zukunft gearbeitet. Seit 2014 können im Bochumer Energie-Effizienz-Zentrum (EEZ) Start-Ups erste unternehmerischen Schritte tun.
Adrett renoviert
Vielen Bochumern sind die Hallen, die seit der Stilllegung vor fast 15 Jahren verfielen und sich inzwischen wieder, adrett renoviert, im moderaten Jugendstil-Look präsentieren, als Bogestra-Hauptwerkstatt in Erinnerung. Doch war die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahn AG nicht von Anfang an Eigentümerin - vielmehr war es die Westfälische Straßenbahn GmbH.
Der Bau der Werkstatt und der Büro- und Wohngebäude geht, wie so vieles in der Gerther Ortsgeschichte, auf den Betrieb der Zeche Lothringen zurück. Die Schachtanlage benötigte spätestens seit der Jahrhundertwende um 1900 für ihre rasch wachsende Belegschaft und deren Familien dringend einen Verkehrsanschluss nach Bochum. 1907 gründeten deshalb die eigenständigen Gemeinden Gerthe und Harpen die „Kleinbahn Bochum-Gerthe-Harpen GmbH“.
Übernahme der Kleinbahn
1908 wurde die erste viergleisige Wagenhalle in Betrieb genommen, 1909 erhielt der Betriebshof einen Anbau mit einem Flügel. Nach Übernahme der Kleinbahn durch die Westfälische Straßenbahn GmbH begannen noch 1912 der Umbau und die Erweiterung der Wagenhalle auf 18 Gleiseinfahrten. Sitz der Westfälischen Straßenbahn war in Gerthe-Hiltrop, im besagten Bau am Castroper Hellweg 330, der bis heute gültigen Adresse.
Neben dem Transport von Gütern führte die „Westfälische“ bis 1921 auch die Post zwischen Bochum, Gerthe und Harpen durch. 1929 verfügte das Verkehrsunternehmen über Strecken mit einer Gesamtlänge von 75 Kilometern, gleichwohl blieb der Betrieb defizitär.
Hoch verschuldet
1931 war die GmbH mit 9,6 Millionen Reichsmark bei den Vereinigten Elektrizitätswerken, einem niederländischen Bankenkonsortium, der Preußischen Hypothekenbank und zahlreichen kleineren Geschäftsleuten verschuldet und musste Konkurs anmelden. Am 12. August 1931 ging der Betrieb auf die Bogestra über, die damit auch die Grundstücke und Immobilien der Westfälischen Straßenbahn übernahm, also auch die Werkstatt am Castroper Hellweg.
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Über Jahrzehnte blieb das Depot ein Fixpunkt im Bochumer öffentlichen Nahverkehr, man erinnert sich gut an die Szenerie der Wagen, die mit leichtem Quietschen vom Castroper Hellweg in den Werkshof einrollten. Mit dem Bogestra-Neubau zwischen Stahlhausen und Weitmar lief die Zeit des Depots Gerthe ab, mit zwei anderen Standorten ging es in der modernen Zentralwerkstatt Engelsburg auf. Es folgten Jahre des Verfalls und dann die Kernsanierung der über hundert Jahre alten Anlage.
Schöne Geschichte
2017 zog das mit den Bochumer Hochschulen vernetzte und von der städtischen Wirtschaftsentwicklung eingerichtete Energie-Effizienz-Zentrum ein, das heute vielen Jungunternehmern Raum bietet. So steht das historische Depot heute auch für eine schöne Geschichte des Strukturwandels und zeitgemäßer Bochumer Wirtschaft.