Bochum. Vor 75 Jahren erlebte Bochum den schlimmsten Luftangriff des Zweiten Weltkriegs, 1300 Menschen kamen dabei um. Die Erinnerung ist bis heute wach.
Vor 75 Jahren, am Abend des 4. November 1944, zwischen 19 und 20 Uhr, erlebte Bochum den schlimmsten Luftangriff des Zweiten Weltkriegs. Das ist ein Menschenalter her, aber die Erinnerung ist nach wie vor präsent. Auch wenn die Zeugen jenes schrecklichen Tages immer weniger werden.
Tagelang brannte es
Mehr als 700 britische Bomber hatten Kurs auf Bochum genommen und belegten die Stadt mit einem Bombenteppich. Mehr als 10.000 Sprengbomben und 130.000 Brandbomben wurden abgeworfen, Hauptziel war die Innenstadt. 1300 Menschen sind im Bombenhagel jener Nacht umgekommen, es gab 2000 Verwundete, 70.000 verloren ihre Bleibe. Die Mitte Bochums war verwüstet, die Stadt brannte lichterloh, noch tagelang. Für alle, die diesen Angriff mitmachten, wurde er zum schlimmsten Erlebnis während der Kriegszeit.
Heute ist nicht mehr annähernd nachvollziehbar, welches Leid die Bochumer damals erdulden mussten und was alles durch den Luftkrieg unwiederbringlich verloren ging.
Gisela Priesberg war damals 16 und auf dem heutigen Nordring unterwegs, als die Sirenen aufheulten. „Kurz danach war alles hell erleuchtet, denn die ersten Flugzeuge hatten ihre ,Christbäume’ gesetzt“, erinnerte sie sich später an die leuchtenden Markierungen am Himmel.
Am Bahnhof Nord hasteten die Menschen in einen als Schutzraum ausgebauten Keller, „dann begann die Bombardierung, etwas, was man nicht beschreiben kann, man muss es selbst erlebt haben.“
Wie eine Ewigkeit
Nach kurzem Innehalten rollte die zweite Angriffswelle. Endlich, nach einer endlos langen Stunde, trat eine gespenstische Stille ein. Das Ganze kam denen, die es erleiden mussten, wie eine Ewigkeit vor. Von Feuer umgeben, eingenebelt von beißendem Qualm, kamen die Menschen aus den Bunkern. Ein Flammenmeer, und über Bochum war der Nachthimmel rot und hell erleuchtet. Überall lagen Tote. Von der Brücke am Steinring konnte man, wie heute noch, hinüber zur Stadt blicken. Sie brannte, und die tief liegenden Wolken reflektierten den Feuerschein über den Ruinen.
Es war ein Schreckensbild, das die Bochumer auch zuvor schon immer wieder hatten sehen müssen. Durch die Zechen und großen Industriewerke wie dem Bochumer Verein war die Stadt seit Beginn des Luftkrieges ein bevorzugtes Angriffsziel der Alliierten. Allein in den drei Jahren 1940, 1941 und 1942 wurden mehr als 50 Angriffe gezählt, wobei sich die angerichteten Schäden im Vergleich zu späteren Luftschlägen noch in Grenzen hielten.
Verzweifelte Menschen
Spätestens ab 1943 nahmen diese massiv zu. In der Nacht zum 14. Mai 1943 fanden 360 Menschen bei einem Großangriff den Tod. Das Rathaus erlitt starke Schäden, das Dachgeschoss und das fünfte Obergeschoss brannten völlig aus, auch das Stadttheater wurde schwer getroffen. Schon bei diesem Angriff wurde die Innenstadt zwischen Rathaus, Marien- und Oskar-Hoffmann-Straße in großen Teilen zerstört. Einsturzgefährdete Fassaden wurden niedergerissen. Die Menschen hatten das, was sie retten konnten, vor den Trümmern auf den Bürgersteigen aufgestapelt und saßen verzweifelt daneben.
Durch die zunehmenden Angriffswellen der britischen und US-Luftstreitkräfte wurden angelaufene Wiederaufbau-Bemühungen rasch wieder zerstört. Der schwere Pfingstangriff 1943, in der Nacht vom 12. auf den 13. Juni, macht dies besonders deutlich. „Die Innenstadt wurde großflächig bombardiert und verwüstet. Schwere Schäden trug auch die Altstadt davon. 312 Menschen fanden den Tod, darunter 39 Kinder und 44 Zwangsarbeiter, die in der Rüstungsindustrie eingesetzt waren“, weiß Monika Wiborni, Mitarbeiterin im Zentrum für Stadtgeschichte.
Untergang der Stadt
Am 26. Juni 1943 folgte ein weiterer Großangriff, er hinterließ 538 Tote. Ein normales Leben war kaum noch möglich. Wer nicht in Bochum bleiben musste, verließ die Stadt freiwillig oder wurde „planmäßig evakuiert“, wie das damals hieß. Die zerstörte, wieder und wieder brennende Stadt ist in all den Jahren seit dem Krieg als mit das schlimmste Erlebnis im Gedächtnis jener geblieben, die es erlebt hatten. Bochum fiel in Schutt und Asche; es war der Untergang der Stadt.
Der Wiederaufbau ging ab 1948 vergleichsweise rasch vonstatten. Die Wunden im Stadtbild und in den Seelen der Menschen blieben.
Der Trauer wurde regelmäßig öffentlich Raum gegeben; bis heute finden am 4. November Gedenkveranstaltungen in Bochum statt.
Sinnbild der Trauer
Seit 1956 erinnert an der Pauluskirche ein Mahnmal an Bochums Schicksalstag. Die „Trauernde Alte“ von Gerhard Marcks ist – zusammen mit dem von Ignatius Geitel gestalteten Mosaik der klagenden Mutter auf dem Hauptfriedhof Freigrafendamm – das wichtigste Denkmal zur Erinnerung an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs in Bochum. Dargestellt ist eine alte Frau, die, gestützt auf ihren Stock, suchend ausblickt nach jemandem, der wahrscheinlich nie wiederkommt: ein Sinnbild der verlorenen Trauer.