Bochum. Vor 75 Jahren erlebte Bochum den schlimmsten Luftangriff des Zweiten Weltkriegs, 1300 Menschen kamen dabei um. Die Erinnerung ist bis heute wach.

Vor 75 Jahren, am Abend des 4. November 1944, zwischen 19 und 20 Uhr, erlebte Bochum den schlimmsten Luftangriff des Zweiten Weltkriegs. Das ist ein Menschenalter her, aber die Erinnerung ist nach wie vor präsent. Auch wenn die Zeugen jenes schrecklichen Tages immer weniger werden.

Tagelang brannte es

Mehr als 700 britische Bomber hatten Kurs auf Bochum genommen und belegten die Stadt mit einem Bombenteppich. Mehr als 10.000 Sprengbomben und 130.000 Brandbomben wurden abgeworfen, Hauptziel war die Innenstadt. 1300 Menschen sind im Bombenhagel jener Nacht umgekommen, es gab 2000 Verwundete, 70.000 verloren ihre Bleibe. Die Mitte Bochums war verwüstet, die Stadt brannte lichterloh, noch tagelang. Für alle, die diesen Angriff mitmachten, wurde er zum schlimmsten Erlebnis während der Kriegszeit.

Gedenkstunde

Die Stadt gedenkt am Montag, 4. November, der Toten und Verletzten des verheerenden Luftangriffs vom 4. November 1944.

Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) und der Superintendent der Ev. Kirche, Gerald Hagmann, werden um 16 Uhr in der Pauluskirche an der Grabenstraße an die Geschehnisse vor 75 Jahren erinnern.

Nach der Kranzniederlegung am Mahnmal der „Trauernden Alten“ liest Ensemblemitglied Karin Moog (Schauspielhaus) aus Augenzeugenberichten aus den 1940er Jahren.

Musikalisch begleitet wird die Veranstaltung durch das Quartett der Musikschule.

Heute ist nicht mehr annähernd nachvollziehbar, welches Leid die Bochumer damals erdulden mussten und was alles durch den Luftkrieg unwiederbringlich verloren ging.

Gisela Priesberg war damals 16 und auf dem heutigen Nordring unterwegs, als die Sirenen aufheulten. „Kurz danach war alles hell erleuchtet, denn die ersten Flugzeuge hatten ihre ,Christbäume’ gesetzt“, erinnerte sie sich später an die leuchtenden Markierungen am Himmel.

Am Bahnhof Nord hasteten die Menschen in einen als Schutzraum ausgebauten Keller, „dann begann die Bombardierung, etwas, was man nicht beschreiben kann, man muss es selbst erlebt haben.“

Wie eine Ewigkeit

Nach kurzem Innehalten rollte die zweite Angriffswelle. Endlich, nach einer endlos langen Stunde, trat eine gespenstische Stille ein. Das Ganze kam denen, die es erleiden mussten, wie eine Ewigkeit vor. Von Feuer umgeben, eingenebelt von beißendem Qualm, kamen die Menschen aus den Bunkern. Ein Flammenmeer, und über Bochum war der Nachthimmel rot und hell erleuchtet. Überall lagen Tote. Von der Brücke am Steinring konnte man, wie heute noch, hinüber zur Stadt blicken. Sie brannte, und die tief liegenden Wolken reflektierten den Feuerschein über den Ruinen.

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Es war ein Schreckensbild, das die Bochumer auch zuvor schon immer wieder hatten sehen müssen. Durch die Zechen und großen Industriewerke wie dem Bochumer Verein war die Stadt seit Beginn des Luftkrieges ein bevorzugtes Angriffsziel der Alliierten. Allein in den drei Jahren 1940, 1941 und 1942 wurden mehr als 50 Angriffe gezählt, wobei sich die angerichteten Schäden im Vergleich zu späteren Luftschlägen noch in Grenzen hielten.

Verzweifelte Menschen

Spätestens ab 1943 nahmen diese massiv zu. In der Nacht zum 14. Mai 1943 fanden 360 Menschen bei einem Großangriff den Tod. Das Rathaus erlitt starke Schäden, das Dachgeschoss und das fünfte Obergeschoss brannten völlig aus, auch das Stadttheater wurde schwer getroffen. Schon bei diesem Angriff wurde die Innenstadt zwischen Rathaus, Marien- und Oskar-Hoffmann-Straße in großen Teilen zerstört. Einsturzgefährdete Fassaden wurden niedergerissen. Die Menschen hatten das, was sie retten konnten, vor den Trümmern auf den Bürgersteigen aufgestapelt und saßen verzweifelt daneben.

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Durch die zunehmenden Angriffswellen der britischen und US-Luftstreitkräfte wurden angelaufene Wiederaufbau-Bemühungen rasch wieder zerstört. Der schwere Pfingstangriff 1943, in der Nacht vom 12. auf den 13. Juni, macht dies besonders deutlich. „Die Innenstadt wurde großflächig bombardiert und verwüstet. Schwere Schäden trug auch die Altstadt davon. 312 Menschen fanden den Tod, darunter 39 Kinder und 44 Zwangsarbeiter, die in der Rüstungsindustrie eingesetzt waren“, weiß Monika Wiborni, Mitarbeiterin im Zentrum für Stadtgeschichte.

Untergang der Stadt

Am 26. Juni 1943 folgte ein weiterer Großangriff, er hinterließ 538 Tote. Ein normales Leben war kaum noch möglich. Wer nicht in Bochum bleiben musste, verließ die Stadt freiwillig oder wurde „planmäßig evakuiert“, wie das damals hieß. Die zerstörte, wieder und wieder brennende Stadt ist in all den Jahren seit dem Krieg als mit das schlimmste Erlebnis im Gedächtnis jener geblieben, die es erlebt hatten. Bochum fiel in Schutt und Asche; es war der Untergang der Stadt.

Bomben auf Bochum- Schwerster Angriff am 4. November 1944

Blick von der Propstei-Kirche auf die zerstörte Innenstadt. In der Mitte die Trümmer der Johanniskirche (
Blick von der Propstei-Kirche auf die zerstörte Innenstadt. In der Mitte die Trümmer der Johanniskirche ("Pfefferdose"), rechts daneben die Gaststätte Mutter Wittig, rechts dahinter die Bongardstraße. © Stadt Bochum | Stadt Bochum
Nach einem Angriff, wahrscheinlich 1944, leisten Kriegsgefangene Aufräum-Arbeiten.
Nach einem Angriff, wahrscheinlich 1944, leisten Kriegsgefangene Aufräum-Arbeiten. © Stadt Bochum | Stadt Bochum
Rauchende Trümmer an der Essener Straße, Menschen bahnen sich einen Weg durch durch die notdürftig geräumten Straßen.
Rauchende Trümmer an der Essener Straße, Menschen bahnen sich einen Weg durch durch die notdürftig geräumten Straßen. © Stadt Bochum | Stadt Bochum
Trümmerlandschaft an der Harmoniestraße. Blick von der Sparkasse, hinten die Kortumstraße, in der Mitte das heutige C&A-Haus.
Trümmerlandschaft an der Harmoniestraße. Blick von der Sparkasse, hinten die Kortumstraße, in der Mitte das heutige C&A-Haus. © Stadt Bochum, Presseamt | Fotografen der Stadt Bochum
Trümmerfeld im Griesenbruch nach dem Bombenangriff 1944.
Trümmerfeld im Griesenbruch nach dem Bombenangriff 1944. © Stadt Bochum | Stadt Bochum
Ein Mann schiebt sein Fahrrad durch die noch rauchenden Trümmer im Griesenbruch. Im Hintergrund sind uniformierte Personen und zerstörte Wohnhäuser zu erkennen.
Ein Mann schiebt sein Fahrrad durch die noch rauchenden Trümmer im Griesenbruch. Im Hintergrund sind uniformierte Personen und zerstörte Wohnhäuser zu erkennen. © Stadt Bochum, Presseamt | Repro des Presseamtes der Stadt Bochum
Die Bongardstraße - rechts die Firma Baltz - nach dem Bombenangriff am 4. November 1944. 
Die Bongardstraße - rechts die Firma Baltz - nach dem Bombenangriff am 4. November 1944.  © Stadt Bochum | Stadt Bochum
Die Innenstadt, eine Ruinenlandschaft. Blick auf den heutigen Dr.-Ruer-Platz.
Die Innenstadt, eine Ruinenlandschaft. Blick auf den heutigen Dr.-Ruer-Platz. © Stadt Bochum | Stadt Bochum
Luftaufnahme der Innenstadt, erstellt von der US-Luftwaffe zu Aufklärungszwecken im März und April 1945. 
Luftaufnahme der Innenstadt, erstellt von der US-Luftwaffe zu Aufklärungszwecken im März und April 1945.  © Stadt Bochum | USAF
Auch 1948 waren noch nicht alle Trümmer geräumt. Die Aufnahme entstand an der Alten Hattinger Straße, heute Königsallee in Höhe der Kronenstraße. Die Werbeschilder für die WAZ und Sport Koch sind gut zu erkennen.
Auch 1948 waren noch nicht alle Trümmer geräumt. Die Aufnahme entstand an der Alten Hattinger Straße, heute Königsallee in Höhe der Kronenstraße. Die Werbeschilder für die WAZ und Sport Koch sind gut zu erkennen. © Stadt Bochum | Stadt Bochum
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Der Wiederaufbau ging ab 1948 vergleichsweise rasch vonstatten. Die Wunden im Stadtbild und in den Seelen der Menschen blieben.

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Der Trauer wurde regelmäßig öffentlich Raum gegeben; bis heute finden am 4. November Gedenkveranstaltungen in Bochum statt.

Sinnbild der Trauer

Seit 1956 erinnert an der Pauluskirche ein Mahnmal an Bochums Schicksalstag. Die „Trauernde Alte“ von Gerhard Marcks ist – zusammen mit dem von Ignatius Geitel gestalteten Mosaik der klagenden Mutter auf dem Hauptfriedhof Freigrafendamm – das wichtigste Denkmal zur Erinnerung an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs in Bochum. Dargestellt ist eine alte Frau, die, gestützt auf ihren Stock, suchend ausblickt nach jemandem, der wahrscheinlich nie wiederkommt: ein Sinnbild der verlorenen Trauer.