Bochum. An der Bochumer Ruhr-Universität kann man dem „Brutalismus“ auf die Spur kommen. Die RUB selbst steht exemplarisch für den Baustil der 60er Jahre.

Knalliger Titel, profunde Informationen: Die Ausstellungen „Rettet die Beton-Monster“ an der Ruhr-Uni haben’s doppelt in sich.

Sowohl das Musische Zentrum als auch die Universitätsbibliothek widmen sich dem „Brutalismus“, einem Architektur-Phänomen der Nachkriegszeit. Dabei geht es nicht nur um Beispiele aus verschiedenen Ländern, sondern immer auch um die Ruhr-Uni selbst.

Großflächige Bebauung

Denn das Bauwerk, das sich auf der Fläche eines ganzen Stadtteils erstreckt, ist eines der bekanntesten „Beton-Monster“ unter jenen Bauten der 50er und 60er Jahre, die heute unter dem Sammelbegriff „Brutalismus“ zusammengefasst werden.

Stichwort Brutalismus

Mit „Brutalismus“ wird ein Architekturstil der Moderne bezeichnet, der zwischen 1950 und 1980 weite Verbreitung fand. Der Begriff leite sich nicht von „brutal“ im Sinne von „gewalttätig“ ab, sondern vom französischen béton brut („roher Beton“), also Sichtbeton.

Die Bedeutung des Wortes „brut“ wurde zumal nach dem Zweiten Weltkrieg aufgegriffen, als Planer und Architekten die Konstruktion und Materialität ihrer Bauten explizit zeigen wollten. Heute ist der Begriff überwiegend negativ besetzt.

Die Gestaltung mit Sichtbeton hatte zumal nach dem Krieg Hochkonjunktur. Die Bauten haben einen rätselhaften Charme, und sind doch als menschenfeindlich, anonym und kalte, abweisende Massenarchitektur verschrien.

Das hatten die Architekten naturgemäß nicht im Sinn, vielmehr stellten sie sich praktischen und sozialen Herausforderungen. Die Ausstellung in der UB belegt das präzise und gut nachvollziehbar. Denn bei der Planung der Ruhr-Uni ging es Anfang der 60er Jahre um nichts Weniger als den großen Wurf - das Ruhrgebiet, das jahrhundertelang von der Montanindustrie abhängig war, richtete sich zur Bildungslandschaft neu aus.

Aus dem Boden gestampft

Die RUB war die erste Universität im Revier, sie sollte auf einem Campus alles bieten - von Hörsälen über Seminarräume, die Bibliothek und Verwaltung bis zur Mensa. Entsprechend üppig fiel die Entwurfsplanung aus, entsprechend wurde beim Bau, der bis 1965 förmlich aus dem Boden gestampft wurde, geklotzt. Beton galt dabei als Ausdruck von Ästhetik und modernem Zeitgefühl.

Brutalismus auch im Innern der Gebäude: Zugang aus Sichtbeton zu den Toiletten in der Uni-Bibliothek.
Brutalismus auch im Innern der Gebäude: Zugang aus Sichtbeton zu den Toiletten in der Uni-Bibliothek. © JBS

So entstand nach und nach das „Raumschiff RUB“, das von Außen betrachtet wie ein in Querenburg gelandetes UFO wirkt. Über 50 Jahre sind inzwischen vergangen, und das „Beton-Monster“ hat sich stark verändert. Abriss und Neubau von Gebäuden, die Begrünung manch’ unansehnlicher Ecke und die „Tapezierung“ durch Plakate und Graffiti formen den Campus als organischen Charakter, der tagtäglich von 40.000 Menschen belebt wird.

Verkannte Architektur

Dabei konnte die Ruhr-Uni nicht bleiben, was sie mal war. Zwar wirkt Beton zunächst massiv und dauerhaft. Aber man muss sich klar machen, das das Material lediglich aus Sand, Wasser und Kies besteht. Beim Gang über den Campus wird angesichts klappernden Bodenplatten und bröckelnder Pfeiler deutlich, dass die vermeintlich Festigkeit und Ewigkeit von Beton trügerisch ist. Weite Teile der Parkhäuser sind längst nicht mehr benutzbar, weil einsturzgefährdet. Die Ausstellungen an der RUB gehen all dem kritisch, aber mit Sympathie für die oft verkannte Architektur des Brutalismus nach.

Die Ausstellungen:

„S.O.S. - Rettet die Beton-Monster“ im Musischen Zentrum (bis 24. November)

„RUB: brutal schön?“ - Ausstellung von Studierenden des Kunstwissenschaftlichen Instituts in der Uni-Bibliothek (bis 31. Oktober)