Bochum. Der Abriss des alten Justizzentrums in der Bochumer City geht zügig voran. Noch ist vom höchsten Gebäude ein Blick über die Stadt hinaus möglich.
Hoch hinaus geht es mittlerweile am besten von außen. Langsam schiebt sich die Bühne des Arbeitsaufzugs die Außenwand am alten, dem Untergang geweihten Justizzentrum-Hochhaus entlang immer weiter nach oben. 47 Meter über der Stadt, knapp unterhalb des Flachdachs, bleibt das Provisorium stehen und ermöglicht einen geradezu majestätischen Blick über weite Teile von Bochum. Noch.
Schon in einigen Wochen wird das Gebäude um etliche Etagen kürzer sein. Zwei Bagger, die bereits auf dem Dach stehen, werden es Etage um Etage von oben abtragen und damit das endgültige Verschwinden des alten Justizkomplexes einleiten. „Bis auf die Höhe des zweiten Hochhauses arbeiten wir manuell, danach übernimmt dann der Longfront“, erklärt Baustellenleiter Magnus Konrad.
Nur zwei Gebäude noch übrig
„Der Longfront“ ist ein Abrissbagger mit einem besonders langen Ausleger, der die noch verbliebenen Gebäude bis zum Erdboden kappt. Das alte Amtsgericht, der U-förmige Bau mit dem langen Kopfbau gegenüber dem Husemannplatz, ist ebenso schon verschwunden wie der Verhandlungstrakt des Landgerichts, fast alle Nebengebäude und der ehemalige Haupteingang am Westring. Dort wird in den unteren Etagen schon der Blick frei auf die langen Flure, auf denen jahrelang Akten von Büro zu Büro gefahren wurden. Längst Geschichte. Recht gesprochen wird hier schon lange nicht mehr. Das geschieht seit zwei Jahren im neuen Justizkomplex am Ostring.
Abbruch Justizzentrum
Fassadenteile hängen an vier Schrauben
Viel Zeit verwendet das Abbruch-Team mit dem A bhängen der schweren Fassadenteile. Diese sind – fest mit vier Schrauben befestigt – in den Wänden der beiden verbliebenen Justizgebäude verankert. Vor dem eigentlichen Abriss müssen sie entfernt werden.
An einer Kette befestigt werden die Teile mit dem 60 Meter hohen Kran ausgehängt und zu Boden bugsiert. Vorher müssen besonders gesicherte Mitarbeiter, sie sind mit einem Seil an Stahlträgern im Zentrum des Gebäudes verbunden, die Schrauben lösen.
Auch die Seitenwand im Erdgeschoss des Turmes zum Westring hin und die Fläche darunter ist weit aufgerissen. Dort, wo auf zwei Etagen früher die Autos von Richtern, Staatsanwälten und Verwaltungsbeamten standen, können Passanten jetzt in die Tiefgarage blicken. Etwa ein Drittel des unterirdischen, doppelstöckigen Parkdecks ist bereits verfüllt mit Schutt von der Baustelle. Später, wenn die Baugruben für die neue Tiefgarage und die drei Baukörper des künftigen Viktoria-Karrees gegraben werden, wird das gesamte Material wieder ausgebuddelt, werden Materialien getrennt und der Beton gebrochen und gesiebt.
20.000 Tonnen müssen noch weg
Wir stehen im Treppenhaus C Süd an der ABC-Straße, gehen vorbei am früheren Grundbuchamt, wie uns das zum Teil schon zerstörte Schild mit der Aufschrift „Grundbucha“ verrät, und steigen in den Keller. Licht gibt es hier keines mehr. Die Taschenlampe des Baustellenleiters muss reichen.
Plötzlich stehen wir in der untersten Ebene und schauen herüber zu dem Bagger mit der Stahlschere, die von außen unerbittlich am Gebäude zerrt. „Im Moment sind noch 20.000 Tonnen über uns“, sagt Magnus Konrad und bedeutet angesichts des ohrenbetäubenden Krachs mit dem Daumen nach oben. Es sind vor allem Stahl, Beton und Aluminium. „Schadstoffe haben wir keine mehr auf der Baustelle“, so Konrad. Die Schadstoffsanierung sei abgeschlossen.
Getrennt werden muss trotzdem. In vielen Etagen liegt der aufgebrochene Estrich auf dem Boden, Holz- und Aluminiumhaufen zeugen von der permanenten Separierung. Und während die Abbruchspezialisten von Moß, einem der größten Abbruchunternehmen in Deutschland, Stück für Stück mit geradezu chirurgischer Präzision die beiden verbliebenen Gebäude auseinanderschneiden, beginnt an anderer Stelle die Zukunft. Am Westring werden bereits die ersten Bohrlöcher für später einmal mehr als 100 Betonpfeiler in die Erde getrieben.
Weite Sicht über die Stadt
Zurück zum Aufzug, der mit Dutzenden Ankern in der Außenwand befestigt ist, und zu dem Blick über die Stadt: Die Augen wandern auf der linken Seite von Norden fast 180 Grad über den Osten Bochums und weit darüber hinaus bis nach Süden auf der rechten Seite und schweifen dabei in der Ferne vom Förderturm des Bergbaumuseums über den Bismarckturm im Stadtpark, die Flutlichtmasten des Ruhrstadions, den Turm der Pauluskirche, über Stadtbadgalerie und Lueg-Hochhaus in der Innenstadt, übers Exzenterhaus und schließlich den Büroturm der Knappschaft. Eine tolle Aussicht.
Für die Magnus Konrad und die Moß-Mannschaft allerdings keinen Blick mehr haben. „Na klar, in den ersten Tagen guckt man genauer. Bei gutem Wetter kann man von ganz oben bis nach Duisburg schauen – und auf der anderen Seite nach Dortmund“, was ihn aber weniger interessiere; womit er glasklar seine Präferenz in Sachen Revierfußball ausdrücken wollte.