Bochum. „Bochum kulinarisch“ geht in den Endspurt. Noch bis Sonntagabend wird der Boulevard zum XXL-Restaurant. Ein Besucherrekord erscheint möglich.

Sie haben gebibbert, sie haben geschwitzt. Sie hatten Glühwein gegen die Kälte und Eiswürfelbeutel gegen die Hitze parat. „Bochum kulinarisch“ und das Wetter: Das ist eine Geschichte der Extreme. Diesmal, passend zum 30. Geburtstag, treffen die Wirte die goldene Mitte. Bis auf den teils regnerischen Freitag hat alles gepasst auf Bochums größter Schlemm-Meile. Die Besucher lassen nichts anbrennen und strömen herbei. Bemerkenswert, was allein am sonst eher mauen Fest-Donnerstag los war. Auch am Samstag war’s proppenvoll. Zwar hat niemand genau gezählt. Doch es ist gut möglich, dass die 50.000-Marke aus den Vorjahren deutlich übertroffen wird.

Voll besetzt waren die Tische auf dem Boulevard vor allem in den Abendstunden, hier am Samstag.
Voll besetzt waren die Tische auf dem Boulevard vor allem in den Abendstunden, hier am Samstag. © FUNKE Foto Services | Kerstin Buchwieser

Das freut einen ganz besonders: Herwig Niggemann. Nach 30 Jahren verabschiedet sich der 74-Jährige aus dem Organisationsteam. 1989 war es der Lebensmittel-Großhändler, der zusammen mit Brauereichef Hugo Fiege und dem damaligen Haus-Oekey-Wirt Helmut Wicherek das Fest als „Kulinarischer Treffpunkt Bochum“ aus der Taufe hob. Anfangs an drei Tagen auf dem Dr.-Ruer-Platz. Seit 2004 als „Bochum kulinarisch“. Seit 2008 an fünf Tagen auf dem Boulevard.

Herwig Niggemann zieht sich zurück

„Es ist Zeit, Jüngeren Platz zu machen“, sagt Herwig Niggemann und zieht sich zurück. Der Generationswechsel ist längst eingeleitet. Livingroom-Chef und Zeltfestival-Macher Lukas Rüger und Diana Strätling (Strätlingshof) zählen zur jüngeren Riege, die bei „Bochum kulinarisch“ Verantwortung übernimmt.

Am bewährten Konzept halten die 16 Gastronomen fest. Das setzt neben der Kochkunst auf Kommunikation. Anders als bei Freiluftfesten andernorts wird bewusst auf jedwede musikalische Beschallung verzichtet. Die Gäste haben das Wort. Sie machen reichlich Gebrauch davon. Kaum ein Tisch, kaum ein Fleckchen, an dem bei Thunfisch, Fiakergulasch und Ente, bei Bier, Wasser und Weinchen nicht munter geplaudert wird. Man verabredet sich mit Freunden, Nachbarn, Kollegen. Man trifft sich zufällig. Und auch Fremde, die ein freies Plätzchen suchen, werden schnell Teil der Tafelrunde. Fröhlich und entspannt geht’s zu. Fast wie im Urlaub. „Ein Träumchen“, schwärmt Diana Strätling.

Mitbegründer Herwig Niggemann nimmt Abschied von „Bochum kulinarisch“. Die Wirtegemeinschaft würdigte ihn mit einer 30er-Kette.
Mitbegründer Herwig Niggemann nimmt Abschied von „Bochum kulinarisch“. Die Wirtegemeinschaft würdigte ihn mit einer 30er-Kette. © FUNKE Foto Services | INgo Otto

Abstimmung mit Messer und Gabel

Die ewige Diskussion um die Preise? Müßig. Die Abstimmung mit den Füßen – besser: mit Messer und Gabel – fällt eindeutig aus. Wer über den Boulevard schlendert, ist gerne bereit, bis zu 15 Euro für ein Gericht zu berappen. Nicht selten auch zwei. Dass bei Speis und Trank Mehrweggeschirr zum Zug kommt, heizt den Appetit noch an. „Finde ich klasse, dass es hier Teller und Besteck gibt“, meint Laura Peters (24), die mit drei Freundinnen aus Dortmund herübergekommen ist.

30. Geburtstag wird im November gefeiert

Gefeiert wird der 30. Geburtstag von „Bochum kulinarisch“ am 15. November. In der Rotunde im Bermudadreieck steigt ein Party mit Live-Musik und DJ. Essen und Getränke sind im Preis von 99 Euro enthalten. „Wir fahren richtig auf“, versprechen die Wirte. 650 Gäste finden Platz. Karten gibt’s in allen 16 „Bochum kulinarisch“-Lokalen.

Eine Neuauflage erlebt „Winter kulinarisch“. Nach der Premiere in diesem Jahr mit mehr als 1500 Besuchern wird am 15. und 16. Februar 2020 (erstmals mit Sonntag-Brunch) in den Hallen des Großhandels Niggemann in Hofstede erneut aufgetischt. Der Vorverkauf startet im Oktober.

Für die Wirte und ihre Mitarbeiter (rund 300 sind im Einsatz) bedeutet „Bochum kulinarisch“ ein Kraftakt. Meist bleiben ihre Lokale in Bochum, Witten, Hattingen und Herne während der fünf Feier-Tage geöffnet. Da sind die Grenzen des Machbaren irgendwann überschritten. So wie beim Frühstück, das ab 2015 zusätzlich am Sonntagmorgen serviert wurde. Tolle Idee. Der Schmaus wurde auch rege angenommen – war für die Gastronomen aber letztlich nicht mehr zu stemmen.

Nicht schlimm. Das Fest hat’s überlebt. Und wird’s überleben. Mindestens noch weitere 30 Jahre. Bei jedem Wetter.