Bochum. TV-Satiriker Jan Böhmermann brachte Ende 2018 die Fleischerei Dönninghaus in die Schlagzeilen. Nun hat das Unternehmen seine Chronik korrigiert.
Die Fleischerei Dönninghaus hat auf die Kritik an ihrer Firmenchronik reagiert. Auf der Internetseite wird nun auch der jüdische Vorbesitzer Jakob Meyer genannt. Der Bochumer Historiker Dr. Hubert Schneider begrüßt die Korrektur. „Gut, dass der Betrieb die Diskussion aufgegriffen hat“, sagt der Wissenschaftler.
„Die Geschichte der Bochumer Kultwurstmanufaktur sollte dringend mal ausführlich recherchiert werden.“ Mit diesem Aufruf in seiner Internet-Reihe „Fest & Flauschig“ hatte der TV-Satiriker Jan Böhmermann Ende 2018 Dönninghaus bundesweit in die Schlagzeilen gebracht. Er verwies auf einen Hinweis, nach dem die Metzgerei Jakob Meyer an der Brückstraße mit ihrem jüdischen Eigentümer 1937 von den Nazis enteignet und in den Besitz von Otto Dönninghaus gewechselt sei. In der Chronik des Familienbetriebs war davon nichts zu lesen. „Die Fleischerei Dönninghaus wurde im Jahre 1935 von Otto Dönninghaus gegründet“, hieß es dort unter der Überschrift „Wie alles begann“.
Jüdischer Vorbesitzer wurde in Auschwitz ermordet
Während der Historiker Hubert Schneider bestätigte, dass es 1937 zu einer sogenannten Arisierung kam, recherchierte der Bochumer Hobbyhistoriker Simon Zimmer das weitere Schicksal von Jakob Meyer. Das erschütternde Ergebnis seiner Spurensuche: Nach seiner Flucht wurde Meyer 1942 von den Nazis nach Auschwitz deportiert, wo er ermordet wurde.
„Von einer ,Arisierung’ habe ich bisher nichts gewusst“, beteuerte Dönninghaus-Inhaber Dirk Schulz in einer Reaktion auf die Böhmermann-Veröffentlichung. Weder sein Vater noch sein Großvater hätten ihm jemals etwas davon erzählt, sagte Schulz der WAZ. Das sei durchaus typisch, ergänzt Hubert Schneider, der in einer Liste 28 enteignete Bochumer Betriebe aufführt, die vormals in jüdischem Besitz waren. „Darüber wurde bei den Nachfolgern nicht gesprochen. Man hat sich einfach nicht gekümmert“, so Schneider.
Fleischerei-Chef hält Wort
Dirk Schulz kündigte während der Böhmermann-Debatte an: „Ich werde mich nun intensiver mit unserer Historie beschäftigten.“ Er hielt Wort. Das Resultat ist jetzt auf der Homepage der Fleischerei nachzulesen. „Die Geschichte von Dönninghaus“ führt nun auch Jakob Meyer auf, der die Metzgerei 1928 gekauft hatte.
Von einer „Arisierung“ allerdings ist nicht die Rede. Vielmehr habe Meyer unter dem Druck von Schulden durch die Boykottaufrufe gegen jüdische Geschäfte „entschieden, die Metzgerei 1937 zu verkaufen. In dieser Situation übernahm Otto Dönninghaus die Metzgerei, nach Ablösung der Schulden beim Voreigentümer verblieb Jakob Meyer ein Betrag von 10.500 Reichsmark“, heißt es. In einem „Wiedergutmachungsverfahren“ nach dem Krieg habe Dönninghaus zudem einen Entschädigungsbetrag von 20.000 Mark an die Witwe und den Sohn von Jakob Meyer gezahlt.
Historiker: Geld ging auf Sperrkonto
Die Fakten in dem Beitrag seien „aus der Perspektive von Dönninghaus korrekt“, erklärt Historiker Schneider auf Anfrage. Nach seinen Recherchen hat Jakob Meyer von der Kaufsumme seinerzeit aber „keinen Pfennig gesehen. Das Geld kam, wie in solchen Fällen übrig, auf ein Sperrkonto, auf das die jüdischen Geschäftsleute keinen Zugriff hatten“.
Böhmermann: Es geht nicht um Boykott
Jan Böhmermann hatte sich im Dezember 2018 auf Facebook und in seinem Podcast zu Dönninghaus geäußert und die Diskussion um die Bochumer Metzgerei („Die Echte“) angestoßen.
Dabei stellte er klar: „Die Geschichte soll nicht dazu dienen, dass keiner mehr Dönninghaus-Wurst isst.“ Es gehe „nicht um einen Boykott, sondern um unsere gemeinsame Verantwortung im Umgang mit dem, was nicht mehr zu ändern ist. Und um den Mut zur Offenheit, den Willen zur Aufklärung, auch wenn es anfänglich kompliziert und schmerzhaft scheint“.
Gleichwohl begrüßt Schneider (Autor u.a. der Dokumentation „Die ,Entjudung’ des Wohnraums“) die modifizierte Dönninghaus-Chronik als Beitrag zu mehr Transparenz und Geschichtsbewusstsein. „Warum“, hatte der Historiker zuletzt in einem WAZ-Gespräch gefragt, „gehen die neuen Generation in den betroffenen Unternehmen nicht offen mit ihrer Geschichte um?“ Man dürfe und müsse erwarten, dass sich die Kinder und Enkel dieser Verantwortung stellen: „Das ist doch etwas Positives!“