Bochum. TV-Satiriker Jan Böhmermann hat die „Arisierung“ der Bochumer Fleischerei Dönninghaus zum Thema gemacht. Jetzt reagiert der Traditionsbetrieb.

Die Fleischerei Dönninghaus weist Darstellungen des TV-Satirikers Jan Böhmermann zurück, nicht transparent mit der „Arisierung“ des Unternehmens im Nationalsozialismus umzugehen. „Der komplette Sachverhalt war mir bisher unbekannt“, erklärt Dirk Schulz, der den Betrieb in dritter Generation führt, auf Anfrage der WAZ.

Vor zehn Tagen in seinem Podcast „Fest & Flauschig“ beim Musik-Streamingdienst Spotify und in dieser Woche nochmals bei der Live-Aufzeichnung im Starlight Express hatte Böhmermann die Fleischerei Dönninghaus kritisch erwähnt. „Die Geschichte der Kultwurstmanufaktur sollte dringend mal ausführlich recherchiert werden“, forderte der Moderator, dem Hunderttausende Nutzer folgen.

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Metzgerei Meyer 1938 enteignet

Verwiesen wird im Netz auf einen „taz“-Bericht. Danach wurde die Metzgerei Jakob Meyer mit ihrem jüdischen Eigentümer 1938 von den Nazis enteignet und wechselte in den Besitz von Otto Dönninghaus. Davon ist in der Firmenchronik nichts zu lesen. Dort heißt es, dass Dönninghaus den Betrieb 1935 gründete. 1944 sei das Geschäft ausgebombt und an gleicher Stelle neu aufgebaut worden: an der Brückstraße, dort, wo schon Jakob Meyer seine Fleischerei geführt hatte und Dönninghaus bis heute firmiert.

„Die Veröffentlichung von Jan Böhmermann hat uns total überrascht“, sagt Inhaber Dirk Schulz (55). „Weder mein Vater noch mein Großvater haben mir jemals etwas über eine ,Arisierung’ erzählt. Das wurde, wie in vielen Familien, ganz offensichtlich totgeschwiegen. Deshalb habe ich auch niemals eine Veranlassung gesehen, mich damit zu befassen oder unsere Chronik zu verändern. Für unsere Generation sind diese schlimmen Dinge ja ganz weit weg“, sagt Dirk Schulz.

So „bedrückend“ die Konfrontation mit der NS-Vergangenheit sei: Kein Verständnis zeigt der Dönninghaus-Chef, dass Böhmermann vor seiner medienwirksamen Offensive „kein Wort mit uns gewechselt hat. Wir werden öffentlich an den Pranger gestellt, ohne uns wehren zu können“. Vorwürfe, auf die Jan Böhmermann am Donnerstag auf WAZ-Anfrage nicht reagierte.

Liste umfasst 28 Bochumer Firmen

Der Bochumer Historiker Hubert Schneider bestätigt die Enteignung der Fleischerei Meyer und die Übernahme durch Dönninghaus. Das gehe aus einer Liste hervor, die er 2005 in einem Archiv in Münster entdeckt habe. Sie umfasse 28 Bochumer Betriebe, die vormals in jüdischem Besitz waren. „Ich habe aber nichts daraus gemacht, weil ich nichts davon halte, daraus etwas zu machen“, sagt der Wissenschaftler und fügt an: „Das ist ein alter Hut.“

Dirk Schulz will mehr wissen. Er steht seit einigen Tagen in Kontakt mit einem Autor und Historiker. „Ich werde mich nun intensiver mit unserer Historie beschäftigten.“