Bochum. Die Bochumerin, die in einer Tankstelle fast vier Stunden als Geisel festgehalten worden ist, berichtet von Todesängsten. Bis heute leidet sie.
“Ich hatte Todesangst, panische Angst, die ganze Zeit.“ Das erklärte am Montag eine 55-jährige Tankstellen-Mitarbeiterin vor dem Landgericht. Die Familienmutter war am Morgen des 19. November 2018 von einem Polizeibeamten fast vier Stunden lang in der Tankstelle an der Hauptstraße in Langendreer als Geisel genommen worden. Der 46-Jährige steht deshalb vor Gericht.
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Polizeibeamte in den Gerichtssaal geführt. Laut Anklage ist er psychisch krank, leidet unter einer Psychose und Wahnvorstellungen. Wegen Schuldunfähigkeit soll er auch nicht bestraft werden, sondern auf unbestimmte Zeit in einer geschlossenen forensischen Klinik untergebracht werden, zum Schutz der Allgemeinheit. Denn die Aussage der Geisel zeigt, welche Verletzungen der Mann anrichten kann, wenn er nicht mehr Herr über sein eigenes Handeln ist. „Angst habe ich heute noch in der Tankstelle“, sagte die 55-Jährige. In der ersten Zeit nach der Geiselnahme habe sie „mit einem Baseballschläger im Bett gelegen“. „Das ist jetzt ein anderes Leben, das sage ich Ihnen“, erklärte sie den Richtern.
„Ganz Bochum ist eine schreckliche Stadt“
Der Beschuldigte, ein geschiedener Familienvater, ist seit 22 Jahren Polizist, vor einigen Jahren wechselte er aber in den Verwaltungsdienst, ohne Zugriff auf eine Dienstwaffe. Mehrfach war er wegen Psychosen und Wahnvorstellungen in stationärer Behandlung. Auch kurz vor der Geiselnahme in der Tankstelle brach die Erkrankung wieder auf. „Ich hatte Verfolgungsangst“, sagte er am Montag der 9. Strafkammer. „Angst um meine Kinder.“ In seiner Psychose habe er gedacht, dass „eine Organisation“ sie kidnappen und töten werde. „Ganz Bochum ist eine schreckliche Stadt“, habe er gedacht.
„In 30 Minuten geht eine Wasserstoffbombe hoch“
Am Tattag um 7.30 Uhr soll er dann mit einem geschnitzten Holzmesser in die „Total“-Tankstelle gegangen sein und zunächst Kaffee und Brötchen zu sich genommen haben. Dann änderte sich alles schlagartig: „In 30 Minuten geht eine Wasserstoffbombe hoch“, sagte er damals. Sie befinde sich in seiner Wohnung in der Nähe. In der Hand soll er einen bedrohlichen Gegenstand mit Drähten gehabt haben – den angeblichen Fernzünder. „Ich habe das ernst genommen“, sagte die 55-Jährige den Richtern. Die Frau musste die Tür zum Verkaufsraum mit Bierkästen verbarrikadieren. Tatsächlich gab es natürlich keine Wasserstoffbombe. Trotzdem musste die Geisel damals die Polizei anrufen, außerdem die Bundeswehr und einen Rechtsanwalt. Einen nachvollziehbaren Sinn machte diese ganze Aktion nicht. Um 11.12 Uhr durfte die Frau gehen, äußerlich unverletzt. Wenige Augenblicke wurde der Beschuldigte durch ein SEK festgenommen.
Der Prozess wird fortgesetzt.