Bochum. . Im Bochumer Stadtwald wird es künftig unordentlicher werden: Die Stadt wird dort mehr Totholz stehen und liegen lassen. Profitieren werden Tiere.

Bochum verfügt über sehr wenig und sehr kleinteiligen städtischen Wald: rund 1000 Hektar auf fast 150 Einzelflächen. Dafür sind seine Wäldchen ausgesprochen vielfältig und nicht so eintönig wie etwa die Nadelwald-Plantagen im Sauerland. Und jetzt soll Bochums Stadtwald, in dem zu 99 Prozent Laubbäume stehen, noch naturnaher, noch ursprünglicher und noch wertvoller für Insekten, Käfer, Vögel und Pflanzen werden. Dafür hat die Stadt ein „Biotopholzkonzept“ entworfen.

Qualitätssiegel für ökologische Forstwirtschaft

Schilder sollen sensibilisieren

Mit den neuen Schildern will die Stadt die Spaziergänger mehr sensibilisieren für die ökologische Wertigkeit des Waldes.

Rund 55 Prozent der Laubbäume sind Buchen. Im Berghofer Holz sind sie bis zu 180 Jahre alt. Sie können aber sehr viel älter werden. Dann bekommen auch sie eine grobere Borke.

Forstwirt Lukas Hannemann steht im Naturschutzgebiet Berghofer Holz nördlich des Harpener Hellwegs. In der Hand hält er ein Hämmerchen und ein grün-weißes Schild mit dem Bild eines Spechts darauf: „Biotopbaum“ steht auf dem Schild. Und „PEFC“, ein Qualitätssiegel für ökologische Forstwirtschaft. Nach und nach wird Hannemann diese Schilder überall in Bochumer Wäldern an beispielhaft ausgewählten Bäumen anbringen, die im Begriff sind, sich in Biotopholz zu verwandeln oder es bereits sind.

Was für eine Krone: Hier eine alte Eiche im Berghofer Holz, das zum Naturschutzgebiet Oberes Oelbachtal gehört.
Was für eine Krone: Hier eine alte Eiche im Berghofer Holz, das zum Naturschutzgebiet Oberes Oelbachtal gehört. © Dietmar Wäsche

Biotopbäume sind „besonders alt, haben besonders viel Biomasse, besonders viel Volumen und bieten vielen Tieren – Insekten, Fledermäusen, Vögeln – einen Lebensraum“. sagt Melanie Gronewald, Leiterin der städtischen Naturschutzbehörde. Deutliche Kennzeichen sind bereits abgestorbene Baumteile (Totholz), Höhlen in Stämmen und Ästen, abplatzende Rinden, Faulstellen und Risse. In früheren Jahrzehnten, als die Holzgewinnung im Vordergrund stand, wurden solche Bäume einfach gefällt und abtransportiert, weil sie unwirtschaftlich waren. Heute aber werden sie in Bochum bewusst stehengelassen – und damit auch sich selbst überlassen. Denn in dem weichen Totholz siedeln sich Tausende Insektenarten wie zum Beispiel Wildbienen an, außerdem Spinnen, Käfer, Pilze und Vögel wie Spechte, Kleiber und Baumläufer. Gleichzeitig finden sie dort Nahrung, etwa Insekten in grober Borke.

Mehr Naturnähe und mehr Unordnung

Eine abgestorbene Buche im Berghofer Holz. Lebensraum für Spechte.
Eine abgestorbene Buche im Berghofer Holz. Lebensraum für Spechte. © Dietmar Wäsche

„Wir wollen den Wald wieder natürlicher machen“, sagt Hannemann über das Biotopholzkonzept. Das bedeutet aber auch, dass der Wald deutlich unaufgeräumter wird. Totholz-Stämme werden auch dann stehenbleiben, wenn sie gar keine Äste mehr haben und nur mehr wie Ruinen anmuten. Und wenn sie eines Tages umfallen, werden sie an Ort und Stelle liegen gelassen, genau wie einzelne Äste von Biotopbäumen, die abgebrochen sind. Auch liegendes Totholz ist ökologisch wertvoll: als Lebensraum etwa für Amphibien, als Wasserspeicher und als Überwinterungsquartier für Käfer.

Unaufgeräumtheit ist gewollt

Diese Unaufgeräumtheit des Bochumer Stadtwaldes ist absolut gewollt. Dr. Fritz Ludescher, Vorsitzender des städtischen Naturschutzbeirates, sagte am Dienstag im Berghofer Holz: „Mehr Naturnähe heißt zwangsläufig mehr Unordnung.“