Bochum. Melancholie auf dem Catwalk: In Bochum kombiniert der Tänzer Trajal Harrell Tanzstile aus verschiedenen Kulturen zu einer schrillen Modenschau.

„Das Anderssein selbst ist die Verkörperung von Schönheit.“ — Ein typischer Satz des US-Tänzers Trajal Harrell, der mit seinen sehr speziellen Performances international für Aufsehen sorgt. Nun legt Harrell auch am Schauspielhaus los. „Séance de travail“ heißt sein Stück, das an ungewöhnlichem Ort gegeben wird: dem oberen Foyer des Theaters, mit Blick auf die Stadt.

Harrells „Arbeitssitzung“, so die deutsche Übersetzung, hat’s in sich. Es ist eher eine Fashion-Show als eine Tanz- oder Theateraufführung. Das Foyer wird von starken Scheinwerfern ausgeleuchtet, ein großer, gezackter Laufsteg ist aufgestellt, darin eingelassen Bassins, in denen Geldscheine treiben. Die Akteure, Schauspieler des Bochumer Ensembles, Gäste sowie der Regisseur und Tänzer selbst, beleben für gut 30 Minuten diesen Catwalk, der zum Podium der Eitelkeiten, der Lust, der Würde und der Verzweiflung wird.

Pose, Haltung, Ausdruck

 
  © Elyssa Goodman

Vorgeführt wird zweierlei: die Bewegungsvielfalt des menschlichen Körpers und die Auswüchse des Fashion-Geschäfts. Indes, es ist schließlich eine Theateraufführung, ist nichts davon „wirklich“. Vielmehr verfremdet Trajal Harrell aus Prêt-à-porter-Modeschauen sattsam bekannte Posen, Haltungen, Gesichtsausdrücke und Frisuren seiner „Models“ zu Einzel- oder Figurengruppen von beinahe gespenstischem Charakter. Es entspinnt sich ein Spiel der Verstellung zwischen tränenden Augen und Grinse-Grimassen; Anklänge an orientalische und fernöstliche Tanzstile sind auszumachen. Alles ist in fließender Bewegung und man sieht diesem Treiben gebannt zu; mangelnde Reizausschöpfung kann man dem Choreographen keinesfalls vorwerfen (man denke auch an den enervierenden Soundtrack).

Zwischen Couture und Karneval

Nur noch zwei Vorstellungen

Es gibt nur noch zwei Aufführungen von „Séance de Travail“, und zwar am Samstag (6.) um 19 Uhr und 21.30 Uhr im Oberen Foyer des Schauspielhauses, Königsallee 15. Karten (16 Uhr) gibt’s an der Theaterkasse unter 0234/3333-55555.

Zwischen den beiden Vorstellungen informiert Regisseur Trajal Harrell in einem Publikumsgespräch über sich und seinen künstlerischen Ansatz.

Die von den Schauspieler-Models vorgeführten Klamotten akzentuieren das noch. Die schrillen Outfits changieren zwischen Haute Couture und Karneval in Rio, Orient-Exotik trifft auf Fantasy-Fummel. Alltagskleidung und Glitzerzeugs werden ebenso aufgeboten wie Cowboy-Boots und Stiletto Heels.

Was das alles zu „bedeuten“ hat, ist eine müßige Frage. Die Bedeutung der Aufführung liegt in der Assoziation, die jeder Zuschauer für sich selbst mitbringt. Den einen wird diese „Arbeitssitzung“ an Karl Lagerfeld und Claudia Schiffer erinnern, dem anderen wie ein Abstecher in eine Schwulen-Bar vorkommen. Und doch wird eines im Verlauf der kurzen 30-Minuten-Vorstellung deutlich: So richtig glücklich machen die coolen und lasziven Posen, die offenherzigen Trikots und kurzen Röckchen und das offensive Herzeigen ihrer Körper die Akteure wohl nicht.

Bunt, aber auch melancholisch

Vielmehr ist die bunt und betörend wirkende Aufführung von einer dünnen, feinen Linie aus Melancholie durchzogen. Immer wieder werden Blicke zu Leerstellen, Gruppenszenen zu Folien der Einsamkeit. Letztlich wirkt „Séance de travail“ wie ein schwüles, farbenprächtiges Zimmer, durch das unablässig ein leichter, fröstelnde Windzug geht. Anfangs bemerkt man ihn gar nicht, aber am Ende bläst er einem die Seele aus dem Leib.