Bochum. . 13.000 Nutzer, 40 Partnerbetriebe: Die App „Too good to go“ wird auch in Bochum immer beliebter. Die Tafel sieht im Reste-Essen keine Konkurrenz.

„Der Abend ist gerettet“, sagt Sina. Und das Mittagessen morgen gleich mit. Locker für zwei Mahlzeiten gut ist die Sushi-Auswahl, die die 22-Jährige kurz vor 23 Uhr im „Yumini“ abholt. 4,50 Euro zahlt sie für die Box: ein Bruchteil des regulären Verkaufspreises. „Too good to go“ macht’s möglich. Das Asia-Restaurant an der Viktoriastraße ist einer von knapp 40 Betrieben in Bochum, die sich am Reste-Essen per App beteiligen.

Die Verschwendung ist maßlos. 18 Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr landen in Deutschland im Müll. Ein Start-up aus Dänemark will das ändern, will „Essen retten, Geld sparen und die Welt verbessern“, wie es auf der Internetseite heißt. Ein Auftritt in der TV-Show „Die Höhle des Löwen“ ebnete 2018 den Weg in Deutschland. „Inzwischen haben wir 2600 Partnerläden in rund 400 Städten und über eine Million App-Nutzer“, berichtet Sprecherin Franziska Lienert.

In Bochum sind es laut Betreiber 13.000 Kunden. Ihnen genügt ein Blick aufs Smartphone, um tagesaktuell zu erfahren, wo und wann was zu welchem Preis offeriert wird. Bestellt und bezahlt wird online. Abzuholen ist die Ware in der angegebenen Zeit direkt vor Ort.

Üppige Sushi-Box für 4,50 Euro

Das Sushi-Restaurant „Yumini“ beteiligt sich an der App.
Das Sushi-Restaurant „Yumini“ beteiligt sich an der App. © Rainer Raffalski

Zum Beispiel im All-you-can-eat-Lokal „Yumini“, wo am späten Abend mit dem letzten übrig gebliebenen Reis samt Zutaten im Schnitt fünf Sushi-Boxen gefüllt werden. Zu verdienen sei damit nichts, versichern die Inhaber – zumal pro Bestellung 1,09 Euro automatisch als Servicegebühr an „Too good to go“ gehen. Aber: „Es ist allemal besser, als die hochwertigen Produkte zu entsorgen. Wir können sie am nächsten Tag nicht mehr verwenden, weil wir bei uns alles frisch zubereiten.“

Zu schade zum Wegschmeißen: Das gilt auch für die Reste der meist üppigen Frühstücksbüfetts in Hotels. Im Ibis am Hauptbahnhof finden sie Abnehmer. Brot, Brötchen, Wurst, Käse, Zerealien, manchmal Rührei: „Alles, was nicht abgepackt ist, kommt zum Ende der Frühstückszeit für ,Too good to go’ infrage“, sagt Direktorin Iris Lenzner. Auch hier sind es bis zu fünf Boxen, die ab 9.50 Uhr (am Wochenende eine Stunde später) abgegeben werden. Preis: 3 Euro. Besonderheit: Im Ibis haben die App-Kunden selbst die Wahl. In der Regel müssen sie das nehmen, was die Betriebe zusammenstellen.

Die Fisch-Kette „Nordsee“ mit Snack-Boxen ab 2,90 Euro, die Salatbar „Lucky Salad“ mit gesunder Kost für 3,90 Euro, Bäckereien wie Koch in Langendreer, Rewe-Märkte und Büfett-Restaurants: Stadtweit kann von morgens bis in die späten Abendstunden für drei bis vier Euro die Welt verbessert werden. Groß sei der Beitrag, der mit kleinem Geld für den Umweltschutz geleistet werde, betont Sprecherin Franziska Lienert und rechnet vor: Allein in Bochum seien durch „Too good to go“ bislang 30.000 Mahlzeiten gerettet und Mutter Natur dadurch 60 Tonnen Kohlendioxid erspart worden. „Und die Zahl und Bandbreite unserer Partner wächst täglich.“

Tafel erkennt keine Konkurrenz

„Wir müssen den Überfluss stoppen“, teilt Manfred Baasner, Vorsitzender der Wattenscheider Tafel, den Ansatz des Dienstleisters. Der Verdacht, dass es Konkurrenz zwischen „Too good to go“ und der Tafel gibt, liegt nahe. Immerhin sind beide auf die Überreste der Restaurants, Bäckereien und Supermärkte angewiesen. Konkurrenz aber „gibt es nicht“, sagt Baasner. „Wer anderen hilft, dem helfe ich auch.“ Dennoch vermutet er, dass die Betreiber der App „politisch angehaucht“ seien. So lange aber kein rein geschäftlicher Gedanke dahinter stehe, lebe er nach dem Motto: „Je mehr, desto besser.“

>>> Akafö startete 2014 mit „Zu gut für die Tonne“

Das Akademische Förderungswerk, Akafö, macht schon länger etwas ähnliches wie „Too Good to go“. Beim Akafö, das die Ruhr-Uni und die Hochschulen der Stadt gastronomisch versorgt, heißt das „Zu gut für die Tonne“. Das Programm läuft seit 2014.

25 Prozent weniger Speisereste gab es, nachdem das Akafö verschiedene Umstellungen vorgenommen hatte. Eine Maßnahme ist der Verkauf von verderblicher Ware zum halben Preis an Studierende. Er beginnt eine halbe Stunde vor Verkaufsschluss.