bochum. . Als 19-jähriges Mädchen wurde Ursula Reuter zur Arbeit in der Bombenfabrik in Langendreer verpflichtet. Erinnerungen an eine harte Zeit.
In ihrer Wohnung in Langendreer fühlt sich Ursula Reuter wohl. In wenigen Tagen feiert sie ihren Geburtstag. Dann wird sie 93 Jahre alt. Sie ist Witwe, ihr Mann starb bereits vor Jahren. Doch Ursula Reuter nimmt am Leben teil. Als sie in der WAZ las, dass Erinnerungen ehemaliger Mitarbeiter des Bochumer Vereins veröffentlicht werden sollen, meldete sie sich sofort. Ursula Reuter, geb. Wiska, ist eine der letzten lebenden Arbeiterinnen, die im Werk Langendreer des Bochumer Vereins, den ehemaligen Westfälischen Drahtwerken, an den Drehmaschinen arbeitete. An Bomben hat sie gearbeitet dort in den düsteren Hallen „Auf den Holln“. Die Hauptzufahrt zur alten Fabrik existiert noch heute.
Um es vorweg zu nehmen: „Der Krieg hat uns alles kaputt gemacht.“ Sie musste Gewinde in Hülsen schneiden für die Bomben der Luftwaffe. Dort, wo später die Zünder eingeschraubt wurden. Mit anderen Frauen: „So um die 200 Frauen müssen wir in einer Halle gewesen sein, nur wenige Männer. Denn die meisten waren ja im Krieg“, erinnert sie sich. Während sie davon spricht, vollführen ihre Hände beinahe wie automatisch die alten Bewegungen.
„Entweder Arbeitsdienst im Osten oder in der Rüstung“
19 Jahre alt war sie da. Eigentlich hatte sie Verkäuferin werden wollen, doch die Zeiten, sie waren nicht danach. Es kam der Bescheid vom Arbeitsamt, mehr ein Befehl. „Ich musste mich beim Kreiswehrersatzamt einfinden. Entweder Arbeitsdienst im Osten oder in der Rüstung. In den Osten gehst du mir nicht, sagte meine Mutter, da kommst du nie mehr zurück. Also ging ich zum Bochumer Verein.“
Wenig hat gefehlt und sie wäre dennoch nicht zurückgekommen. Es kam der 15. Januar 1945. Alliierte Bomber legten die Bombenfabrik in Schutt und Asche. „Ich hatte Frühschicht, kam gerade nach Hause. Als ich in unserer Wohnung Auf den Scheffeln war, heulten die Sirenen.“ Sie kann sich mit ihrer Mutter in den Bunker retten. Doch drei ihrer Geschwister kommen bei dem Angriff ums Leben.
Ein silbrig schimmernder Ring aus V2A-Stahl
Aus der Zeit hat sie einige Ausweise gerettet: den Werksausweis, den sie eigentlich hat abgeben müssen, doch in den Kriegswirrten blieb er bei ihr. Außerdem hat sie noch einen silbrig schimmernden Ring, mit ihren Initialen.
Doch der Ring ist nicht aus Silber, er ist aus V2A-Stahl. Ein Schlosser, der im gleichen Werk Komponenten für Torpedos herstellte, hat ihn säuberlich hergestellt und Ursula geschenkt. „Aus uns ist aber nichts geworden“, erzählt sie. Den Ring hat sie trotzdem aufbewahrt. Kurz nach dem Krieg stand Ursula wieder vor dem Werkstor Auf den Holln. Jetzt baute Lueg dort Autokarosserien. Dort sollte sie ihre Liebe finden.