Bochum. . Susanne Holtkotte arbeitet im Bergmannsheil als Reingungsfachkraft. In der Show „Hart aber fair“ machte sie klare Ansagen zum Niedriglohn.
Sie hat auf den Putz gehauen und kräftig Staub aufgewirbelt: Susanne Holtkotte, die in der Bettenzentrale des Bergmannsheil arbeitet, avancierte in dieser Woche zur populärsten Reinigungsfachkraft der Republik. Als Gast der ARD-Talkrunde „Hart aber fair“ zum Thema Grundrente redete sie vielen Zuschauern aus der Seele und erntet seither Lob in den sozialen Medien. WAZ-Redakteur Jürgen Stahl sprach am Donnerstag mit der 48-jährigen Gertherin.
Wie kommt eine Reinigungsfachkraft im Bergmannsheil in eine der erfolgreichsten Talksendungen?
Ich habe schon 2018 für das WDR-Fernsehen vor der Kamera gestanden, damals für das Format „Menschen hautnah“. Später folgten Drehs für das Morgenmagazin und die Aktuelle Stunde, immer zum Thema Niedriglohn. So wurde auch die „Hart aber fair“-Redaktion auf mich aufmerksam.
Es war klar: Für die Diskussion über die Grundrente müssen Sie ihren Lohn offenlegen. Ein Problem?
Nur, wenn ich 25.000 Euro verdienen würde. Aber bei 1100 netto für einen 95-Prozent-Job sehe ich da keine Schwierigkeiten. So viel bleibt mir von 1600 Euro brutto übrig. Dabei habe ich monatlich rund 700 Euro feste Ausgaben.
Wäre die Grundrente eine Lösung?
Ja! Normalerweise bekäme ich 715 Euro. Wie soll man damit leben? Nach dem Grundrente-Modell wären es gut 1000 Euro. Und das ohne Bedürftigkeitsprüfung wie bei der Grundsicherung. Die halte ich nach Jahrzehnten harter Arbeit für beschämend und unwürdig.
Glauben Sie daran, dass die SPD ihr Rentenmodell durchsetzen kann?
Ich befürchte, dass die Grundrente in der GroKo so zerrieben wird, dass am Ende kaum etwas übrig bleibt. Dabei müssten alle Parteien endlich mal an einem Strang ziehen. Es geht um unsere Zukunft!
Der WDR hat ausrechnen lassen, dass Ihre Grundrente nur 30 Euro niedriger ausfallen würde, wenn Sie ab sofort Teilzeit arbeiteten.
Was sollen solche Rechnungen? Ich würde die nächsten 18 Jahre ja auch nur die Hälfte verdienen und müsste zum Sozialamt. Außerdem: Ich will nicht jammern, sondern arbeite sehr gern, habe tolle Kolleginnen und Kollegen. Die Arbeit ist schwer und wird verdammt schlecht bezahlt. Aber ich würde sie nie freiwillig aufgeben.
Hat SPD-Minister Heil in der Sendung einen glaubwürdigen Eindruck bei Ihnen hinterlassen?
Absolut. Der ist authentisch, auch wenn ich natürlich weiß, dass Wahlkampf ist. Aber mit der Grundrente meint er es ernst.
Engagement für die Gewerkschaft
Susanne Holtkotte ist alleinstehend, „Katzenmama“ und liebt ihren Balkon, den sie mit Leidenschaft bepflanzt.
Als Herzensangelegenheit begreift die Bochumerin, die keiner Partei angehört, auch ihr gewerkschaftliches Engagement. In der IG Bau ist sie stellvertretende Vorsitzende der Fachgruppe Gebäudereinigung.
Zum Schluss der Sendung hat Hubertus Heil per Handschlag versprochen, einen Tag mit Ihnen zu tauschen. Er in Bochum. Sie in Berlin. War davon noch die Rede, als die Kameras aus waren?
Na klar. Sein Büro hat sogar schon feste Termine genannt. Herr Heil will im Mai ins Krankenhaus kommen und meine Arbeit kennenlernen. Ich werde voraussichtlich schon im März nach Berlin fahren und seinen Platz im Ministerium einnehmen. Nur mal kurz die Welt retten: Das wird spannend!
Gibt’s weitere Medienanfragen?
Ja, vor allem von Fernsehsendern. Aber ich will nicht ‘rumgereicht und verheizt werden. Es geht um die Sache, nicht um mich.