Bochum. Im Schauspielhaus ging es um das Für und Wider des umstrittenen Stücks „Alle Jahre wieder“. Regie und Publikum mit unterschiedlichen Erwartungen.

Das Familienstück „Alle Jahre wieder“ des Schauspielhauses hat für Wirbel gesorgt: Nicht alle Zuschauer zeigten sich begeistert von der Produktion, die so ganz anders ausgefallen ist, als die märchenhaften Weihnachtsinszenierungen der Vorjahre. „Zu abgehoben. Zu wenig kindgerecht“, sind nur zwei Vorwürfe, die laut wurden. Das Theater hat reagiert und lud gestern zur Podiumsdiskussion ein, Motto: „Alles anders? Neue Perspektiven für das Kinder- und Jugendtheater“. Über 50 Interessierte kamen im Foyer zusammen.

Erwartungshorizont „Weihnachtsstück“

Auf dem Podium saßen Regisseurin Hannah Biedermann, Manuel Zahn (Professor für Ästhetische Erziehung) und Cathrin Rose als Leiterin des Jungen Schauspielhauses. Stefan Keim moderierte die 90-minütige Veranstaltung, die viel Für und Wider brachte, und bei der eines gleich klar wurde: Die Ablehnung, die „Alle Jahre wieder“ erfahren hat und die gestern aus dem Publikum heraus deutlich geäußert wurde, liegt nicht so sehr in Biedermanns Inszenierung selbst, sondern im „Erwartungshorizont Bochumer Weihnachtsstück“, um es mal so zu sagen. Offenbar deckten sich die Erwartungen an die Aufführung nicht mit dem, was geboten wurde.

„Theater muss kritisch sein“

Zum Jahresende gibt’s ein neues Familienstück

Natürlich werde es auch 2019 ein Familienstück geben, sagte Cathrin Rose, ohne Details zu nennen. Außer: „Ein Kinderbuch wird es nicht sein“.

Die Leiterin des Jungen Schauspielhauses stellte frühzeitige Materialsammlungen und noch mehr Angebote zur Vor- und Nachbereitung für die Klassen in Aussicht.

Biedermann ist das bewusst: „Ich begreife Theater als Kommunikationsprozess“, sagte sie. Sie wäre „geschockt, wenn die Zuschauer nach Hause gehen, und das Stück sofort vergessen haben“. Theater um des reinen Konsums Willen lehnt sie ab: „Theater muss kritisch sein, der Diskurs über gesellschaftliche Themen ist in einer multinationalen Gesellschaft nötiger denn je.“ Ein Punkt, der bei den Besuchern – offenkundig engagierte Schauspielhausbesucher – gewiss unstrittig ist. Aber ausgerechnet zu Weihnachten? „Warum kann eine Weihnachtsaufführung nicht einfach nur berührend sein, warum muss immer alles Diskurs sein?“, fragte eine Frau und bekam viel Beifall.

Nicht schlauer als das Publikum

Deutlich wurde auch, dass bei Machern und Zuschauern ein unterschiedliches Verständnis von Theater aufeinanderprallte. Eine Besucherin wünschte sich eine Aufführung mit einem dramaturgischen Bogen, die eine Geschichte erzählt – im Gegensatz zur bei „Alle Jahre wieder“ bevorzugten Variante „Stückeentwicklung“. Diese präsentiert eben keine in sich abgeschlossene Geschichte, sondern begreift Theater als Erlebnisraum, der Fragen aufwirft, auf die jede/r für sich Antworten finden muss. „Ich möchte nicht schlauer sein als mein Publikum“, so die Regisseurin. Erklärte Absicht sei es gewesen, mit dem Stück nicht zu unterhalten, sondern zum Nachdenken anzuregen.

Offene Diskussion

Wie geht es nun weiter? Die offene Diskussion, die ohne jede Polemik auskam, wies am Ende in verschiedene Richtungen. „Theater muss Wagnisse eingehen, wir brauchen die Vielfalt“, darauf wies Professor Zahn hin. Aus dem Publikum kam die Anregung, ambitionierte Stücke wie „Alle Jahre wieder“ nicht als Familien-/Weihnachtsstück auszuflaggen, sondern sie als normale Produktionen in den Spielplan zu nehmen. „Das hätte sicher viele Irritationen vermieden“, so eine Teilnehmerin.