Bochum. Wie krank ist Bochum? Eine WAZ-Themenwoche liefert Daten, Diagnosen, Hintergründe. Erste Erkenntnisse: Es krankt an Leber, Lunge und Rücken.

Wie krank ist Bochum? Wäre die Stadt ein Patient, würde der Arzt wohl die Stirn runzeln. Könnte schlimmer sein, würde er sagen und zugleich mahnen und warnen.

Mehr Bewegung! Weniger Alkohol! Hören Sie endlich mit dem Rauchen auf! Und: Kümmern Sie sich besser um Ihre Kinder!

100 Seiten umfassender Gesundheitsbericht

Wie krank ist Bochum? So haben wir – zugestanden zugespitzt – unsere heute beginnende Themenwoche genannt. Wir zücken mit Hilfe von Experten symbolisch Stethoskop und Sezierbesteck, fühlen den 370.000 Einwohnern vom Baby bis zum Greis auf den Zahn, fragen: Woran krankt die vermeintliche Wohlstandsgesellschaft?

Die Basis liefert der jüngste Gesundheitsbericht: ein 100-Seiten-Band voll mit Zahlen, Diagrammen und Tabellen, gespeist von Kliniken, Stadt und Land. Wie geht’s Bochum? Alle drei Jahre gibt das Gesundheitsamt Antworten, mit vielerlei Daten und Analysen „Wichtig“, sagt Leiter Dr. Ralf Winter (60), „sind dabei die Vergleiche mit dem Land und den Nachbarkommunen.“ Sie weisen aus, ob und wo es um die Gesundheit in der Stadt besonders gut, vor allem aber besonders schlecht bestellt ist. Heißt: Handlungsbedarf besteht.

Sterbefälle liegen im NRW-Schnitt

Die Diagnose von Doc Winter fällt zwiespältig aus. Im Prinzip sei der Patient Bochum unauffällig. Rund 4500 Sterbefälle sind jährlich zu beklagen. Damit wird hier „trotz schlechterer Sozialdaten“ (Winter) im Verhältnis zur Einwohnerzahl fast exakt so oft gestorben wie im Land. Auch die Todesursachen entsprechen den NRW-Quoten: Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen sind die traurigen Spitzenreiter.

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Säuglingssterblichkeit (mit 3,1 je 1000 Lebendgeburten sogar deutlich unter dem Landesschnitt von 4,0, in Gelsenkirchen 5,2), Darm- und Tumorerkrankungen, Herz-Kreislauf, Diabetes, psychische Krankheiten: gleichfalls kein Grund zur Besorgnis, alles weitgehend im Normalbereich – ebenso wie die ansteckenden Krankheiten. „Nein!“, betont Ralf Winter und räumt mit einem immer wieder zu hörenden Vorurteil auf, „der Zustrom von Flüchtlingen in den letzten Jahren hat in Bochum zu keinerlei Anstieg bei Infektionen geführt.“

Ausschläge bei drei Einzelbefunden

Ausschläge indes zeigen die Kurven bei drei Einzelbefunden. In Bochum leiden und sterben deutlich mehr Menschen an Erkrankungen der Lunge und Leber – nicht immer, aber erschreckend häufig als Folge von übermäßigem Alkoholkonsum und Rauchen.

Und auch die Erkrankungen von Muskeln, Skelett und Bindegewebe liegen „zunehmend stärker“ über dem NRW-Schnitt. Bochum hat Rücken: Eine Entwicklung, die allzu oft dem Bewegungsmangel geschuldet ist und von der auch die Krankenkassen seit Jahren ein garstiges Lied singen können.

Sorgen um die Kindergesundheit

Die WAZ-Themenwoche wird über diese und weitere Diagnosen, deren Erklärungen und Erkenntnisse bis Samstag ausführlich berichten. Alarmierend wird dabei die Folge über die Kindergesundheit ausfallen. Anders als das übrige, stadtweite Datenwerk kann das Gesundheitsamt dabei die Situation in den einzelnen Stadtteilen sehr genau beleuchten.

„Die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen liefern uns dafür ein breites Fundament“, sagt Ralf Winter – und kommt zu einem nicht neuen, aber doch erschreckenden Fazit: „Es gibt einen frappierenden Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit.“ Der zeige sich vor allem in Wattenscheid, wo der Anteil an Kindern u.a. mit Adipositas besonders hoch ist. Rot blinkt es für die Fachleute aber auch in Werne, Stahlhausen und Querenburg.

>>> INFO: WAZ-Leser fragen Experten

Wir krank ist Bochum?“, fragt die WAZ. Antworten erhalten unsere Leser nicht nur in der heute beginnenden Themenwoche, sondern auch bei einem Gesundheitsdialog, zu dem das Medizinische Qualitätsnetz (MedQN) am Mittwoch, 6. Februar, in Zusammenarbeit mit unserer Zeitung einlädt.

Die Diskussion im Kunstmuseum an der Kortumstraße 147 bildet den Abschluss der WAZ-Themenwoche. Beginn ist um 17 Uhr. Moderator ist WAZ-Redakteur Jürgen Stahl. Auf dem Podium sitzen:

  • Dr. Christian Möcklinghoff als Vertreter des MedQN mit seinen über 150 Haus- und Fachärzten,
  • der Gesundheitsamts-Leiter Dr. Ralf Winter,
  • Prof. Christoph Hanefeld, Geschäftsführer des Katholischen Klinikums Bochum,
  • Uwe Bösader (Rettungsdienst),
  • Stefan Palmowski von der Hochschule für Gesundheit sowie
  • Heinrich Sondermann als Vertreter des MedQN-Apothekenbeirats.

Nach kurzen Vorträgen sollen die Besucher mindestens 90 Minuten die Möglichkeit haben, mit den Experten ins Gespräch zu kommen. WAZ-Leser können ihre Fragen – auch mit Blick auf die Themenwoche – schon vorab an die Redaktion richten. Über welche Krankheiten und Entwicklungen sollen die Fachleute am 6. Februar Auskunft geben? Welche Frage rund liegt Ihnen ganz persönlich am Herzen? Schreiben Sie mit dem Stichwort „Gesundheitsdialog“ an die WAZ-Redaktion, Hue-straße 25 in 44787 Bochum; die E-Mail-Adresse:j.stahl@waz.de

Die Teilnehmerplätze im Kunstmuseum sind begrenzt. Wer dabei sein will, sollte sich daher rechtzeitig anmelden. Die Rufnummer: 0157/76 39 26 53.