Bochum. Der Winter in Bochum ist für Obdachlose wieder eine große Herausforderung. So wappnen sich die Menschen auf der Straße gegen die Kälte.

Auch bei Minusgraden begegnen wir in der Bochumer Innenstadt Obdachlosen, die in der klirrenden Kälte auf dem Boden sitzen und um Geld betteln. Wie halten sie das aus? Wir haben mit drei Wohnungslosen gesprochen.

Alexandra verkauft Schmuck an Passanten

Alexandra (40) sitzt mit Hund Bailey vor einer Drogeriefiliale in der Bochumer Innenstadt, eingepackt in eine dicke Jacke, die Beine fest in eine Decke verschnürt. Sie verkauft selbst gemachten Schmuck an Passanten.

Sie sitzen ganze Tage an dieser Stelle. Wie vertreiben Sie im Winter die Kälte?

Wenn’s so kalt ist wie aktuell, bin ich meist nur vormittags hier. Ich trage zwei Pullover, eine Leggins und zwei Jogginghosen. Außerdem habe ich Decken und Kissen dabei. So geht’s irgendwie.

Warum sind Sie auf der Straße?

Ich brauche Geld, um mir etwas zum Essen zu kaufen. Ich schlafe in Langendreer bei einer Freundin, bekomme Hartz IV. Aber das reicht nicht. Und anschaffen gehen möchte ich nicht. Das habe ich hinter mir.

Sie könnten doch auch arbeiten..?

Nein, mein Rücken ist kaputt, mein Sehfeld ist eingeschränkt. Ich bin gesundheitlich sehr angeschlagen. Am Bussmannshof habe ich vor vier Jahren eine Suchttherapie gemacht. Deshalb bin ich damals nach Bochum gekommen.

Ginos Kinder wissen nicht von seiner Obdachlosigkeit

Ein leerer Schlafplatz am Eingang des ehemaligen Amtsgerichts.
Ein leerer Schlafplatz am Eingang des ehemaligen Amtsgerichts. © Jana Tessaring

Ein wenig weiter sitzt in einer nicht allzu warm aussehenden Jacke Gino (58)bei minus sechs Grad auf dem Boden, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Hier an der Ecke Huestraße/Kortumstraße hockt er Tag für Tag, und hofft auf etwas Kleingeld, um sich etwas Essen kaufen zu können, wie er sagt. Er hat drei Kinder, die nicht wissen, dass er obdachlos ist und bettelt.

Was hat Sie hierher gebracht?

Ich bin Frührentner, wegen Krankheit.

Wie halten Sie diese Kälte aus?

Ich habe drei Paar dicke Socken an. In die Bahnhofsmission gehe ich nicht. Dort ist es voll und die haben da kaum Winterbekleidung. Eine Frau hat mir eine Decke geschenkt, mit der ich mich jetzt wärme.

Und wo verbringen Sie die Nacht?

Ab 14 Uhr kann ich zu einer Bekannten. Auf ihrem Sofa darf ich zum Glück schlafen.​

Totti hat sein Quartier im Hauptbahnhof

Thorsten (65), den alle nur Totti nennen, lebt und schläft in der Nähe des Hauptbahnhofs. An seinem Wohn- und Schlafplatz ist es einigermaßen warm. Zwischen seinen Hab und Gut – Taschen, einem Einkaufstrolley, Klamotten, Schlafsack und Isomatte – sitzt der 65-Jährige. In der Plastikschale vor ihm liegen wenige Centstücke.

Wie lang haben Sie Ihr Quartier bereits am Bochumer Hauptbahnhof?

Mit Unterbrechung seit zehn Jahren. Davor war ich aber auch schon obdachlos, unter anderem in Hagen und Trier unterwegs, bevor ich dann in Bochum gelandet bin.

Warum sind Sie auf der Straße?

Ach, Frauengeschichten. So viel Zeit haben Sie gar nicht, bis ich Ihnen das erzählt habe. Erst mal lief es gut in meinem Leben. Ich komme aus Magdeburg, habe eine Lehre als Feuerbauer gemacht, später Sperrmüll gesammelt, war Straßenfeger und Lagerfacharbeiter. Ich lebte bei meiner Freundin, die schmiss mich aber dann raus. Dann war ich obdachlos und niemand wollte mir eine Wohnung geben.

Werden Sie hier am Hauptbahnhof geduldet?

Die Polizei sagt nichts, wenn sie mich sieht. Aber das Ordnungsamt schmeißt mich regelmäßig vormittags ‘raus und ich darf dann erst am Abend zurückkehren. Bei der Bahnhofsmission kriege ich Kleidung und was zu Essen.

Warum übernachten Sie nicht in einer Notunterkunft?

Das habe ich schon gemacht. Aber da gibt es viele Regeln, Alkohol ist nicht erlaubt. Aber das Schlimmste ist, dass man da beklaut wird. Hier werde ich auch beklaut, wenn ich schlafe, aber in den Unterkünften ist das noch viel schlimmer.