Bochum/Witten. . Mehrere Wittener Firmen verlegen ihren Standort nach Bochum. Wirtschaftsförderer und Bürgermeister versichern: „Es gibt keine aktives Abwerben.“
Bochums Flächenvermarkter haben einen Lauf. Etliche zehntausend Quadratmeter Gewerbefläche haben sie in den vergangenen Monaten verkauft oder vermittelt – vorzugsweise an Unternehmen aus der Region. Während die Erfolgssträhne in der Stadt mit Freude und Genugtuung registriert wird, sorgt sie in der südöstlichen Nachbarschaft für Argwohn.
In Witten etwa sind sie nicht gerade erfreut über die Entwicklung. Schließlich hat die Stadt drei Unternehmen mit mehreren hundert Arbeitsplätzen und mit Millionen-Umsätzen, also nennenswerte Grund- und Gewerbesteuerzahler, an den großen Nachbarn verloren: Der Automobilzulieferer Pelzer hat den früheren Adient-Standort an der Hüttenstraße (Wiemelhausen) bezogen, der Eisenbahnzulieferer Faiveley wird 2020 sein Werk auf Mark 51/7 (Laer) und der Kehrmaschinenhersteller Brock sein neues Domizil im Gewerbegebiet Robert Müser (Werne) beziehen. Das schmerzt.
Und sorgt offenbar auch für Verstimmungen. „Wir nehmen schon wahr, dass es eine aktive Ansprache an Wittener Unternehmen durch die Bochumer Seite gibt“, kommentierte Wittens Bürgermeisterin Sonja Leidemann (SPD) im Vorjahr den angekündigten Abzug von Faiveley. Mittlerweile habe ihr Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) versichert, es gebe keine aktiven Abwerbeversuche.
Gespräch unter Bürgermeistern
Also kein Unmut, zumal unlängst auch noch die Brock Kehrtechnik ihren Umzug bekannt gegeben hat? „Ich würde von Bedauern sprechen", so Leidemann. Auch deshalb, weil aus der Idee eines interkommunalen Gewerbegebiets nichts geworden sei. Aber: „Es ist uns auch lieber, die Arbeitskräfte wandern nach Dortmund oder Bochum ab als nach Posemuckel.“
Den Vorwurf des aktiven Abwerbens will sich Bochum auch nicht gefallen lassen. „Wir gehen nicht damit hausieren, dass wir Flächen haben“, sagt Sven Frohwein, Sprecher der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft. „Wenn Firmen auf uns zukommen, weil sie an ihrem jetzigen Standort – warum auch immer – keine Entwicklungsmöglichkeit haben, machen wir natürlich ein Angebot. Außerdem sehen wir das auch immer unter dem regionalen Aspekt.“ Wenn ein Unternehmen in eine Nachbarstadt wechsle, sei das immer noch besser, als wenn es nach Südwestfalen oder ins Münsterland abwandere.
Witten will neue Flächen ausweisen
Dem Vernehmen nach haben sich alle drei genannten Firmen für einen Standortwechsel entschieden, weil sie keine Erweiterungsmöglichkeiten mehr gesehen oder geboten bekommen haben. Ein Umstand, auf den Winfried Neuhaus-Galladé, Präsident der Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet und selbst Unternehmer in Witten, beim IHK-Jahresempfang aufmerksam gemacht hat. Witten müsse zusätzliche Flächen anbieten.
Das solle auch geschehen, so Bürgermeisterin Leidemann. Im Regionalplan sollen 20 Hektar dafür ausgewiesen werden, außerdem soll eine zehn Hektar große Brachfläche reaktiviert werden. Aber bis die bereitstehen, kann es noch lange dauern.